# taz.de -- CSU-Politiker Söder über grüne Politik: ‚Im Wahlkampf fahre ic… | |
> Bei der Gentechnik stellt Bayerns Bundes- und Europaminister Sicherheit | |
> vor Kommerz. Eine schwarz-grüne Koalition im Bund hält er für möglich – | |
> wenn die Grünen nicht Gesine Schwan wählen. | |
Bild: „Bin in der CSU, und daran wird sich auch in den nächsten hundert Jahr… | |
taz: Herr Söder, sind Sie eigentlich ein Grünen-Hasser? | |
Markus Söder: Wieso? Ich bin doch ein friedfertiger Mensch. | |
Als Ihnen die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth vor zwei Jahren einen | |
Mitgliedsantrag überreichte, haben Sie das Formular vor ihren Augen | |
zerrissen. | |
Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich in der CSU, und daran wird sich auch die | |
nächsten hundert Jahre nichts ändern. Ich wüsste nicht, warum ich den | |
Grünen beitreten sollte. | |
Vielleicht, weil Sie sich in letzter Zeit immer häufiger zu Umweltthemen | |
äußern und erst jüngst forderten, Bayern zum gentechnikfreien Land zu | |
machen? | |
Sich mit der Bewahrung der Schöpfung auseinanderzusetzen ist das | |
Markenzeichen der CSU. In den Siebzigerjahren waren wir die erste grüne | |
Partei. Wir haben als erstes Bundesland ein Umweltministerium eingerichtet. | |
Wir haben das beste Wasser, die sauberste Luft und die schönste Landschaft. | |
Und die bundesweit meisten Atomkraftwerke, deren Laufzeit Sie jetzt auch | |
noch verlängern wollen. Glauben Sie, dass Sie auf diese Weise | |
umweltbewusste Wähler überzeugen können? | |
Die Grünen macht die Atomfrage nervös. Sie spüren, dass ihre Position auf | |
Dauer schwer haltbar ist. Ohne längere Laufzeiten müssten die Strompreise | |
massiv steigen. Wir müssten mehr als eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid | |
zusätzlich in die Luft pusten. Das ist ökologisch und sozial unmoralisch. | |
Daran ändert sich aber nichts, wenn Sie das jüngste bayerische | |
Atomkraftwerk Isar II statt im Jahr 2020 erst 2028 abschalten. Dient die | |
ganze Debatte nur dazu, den späteren Neubau von Kraftwerken vorzubereiten? | |
Ich bin sicher kein Kernkraftfetischist, aber ein Land wie Bayern, das zu | |
70 Prozent seinen Strom aus Kernkraftwerken bezieht, kann nicht von heute | |
auf morgen aus dieser Technik aussteigen. Wir brauchen schlichtweg noch | |
Zeit, bis genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Wir wollen | |
unter anderem die Wärme des süddeutschen Molassebeckens stärker nutzen. Für | |
die Erforschung unter anderem dieser Geothermie geben wir in Bayern | |
übrigens in den nächsten Jahren 350 Millionen Euro aus. | |
Wenig erfreut sind die Umweltverbände über Ihren Kampf für die | |
Pendlerpauschale: Wer mitten in München wohnt und einen kurzen Arbeitsweg | |
hat, bekommt die hohe Miete auch nicht vom Staat erstattet. Wollen Sie die | |
Zersiedelung der Landschaft fördern? | |
In vielen Landesteilen ist nicht die Zersiedelung das Problem, sondern im | |
Gegenteil die Entvölkerung. Wir können nicht wollen, dass die Ortschaften | |
dort aussterben. | |
Die CSU hat jahrelang das meiste Geld nach München gepumpt. Ist Ihre | |
verfehlte Strukturpolitik an dieser Entwicklung schuld? | |
Wir sind doch das einzige Bundesland, in dem der ländliche Raum noch eine | |
gute Perspektive hat. Dagegen verlangte der frühere Münchener | |
SPD-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel einmal, dass alle Bayern in die | |
Metropolen ziehen und der Rest des Landes Nationalpark wird. Dabei | |
verursachen Megacitys heute überall auf der Welt die größten ökologischen | |
Probleme. | |
Was tut eigentlich der Privatmann Markus Söder in der Megacity Nürnberg für | |
die Umwelt? | |
Strom sparen statt Stand-by schalten, Rad fahren statt Auto fahren – meinen | |
Wahlkampf zum Beispiel mache ich im Wesentlichen mit dem Fahrrad. | |
Sie haben sich doch erst kürzlich über das Lob des Fahrrads im | |
Umweltprogramm Ihrer Schwesterpartei CDU lustig gemacht? | |
Na ja, das Fahrrad ist nicht die Lösung für alle Probleme. Es geht um mehr. | |
Worum denn? | |
Zum Beispiel darum, die grüne Gentechnik aufs Minimum zu begrenzen. Draußen | |
auf den Feldern muss Sicherheit vor Kommerz gehen. Bei der roten oder | |
weißen Gentechnik, also in Medizin und Industrie, lässt sich das Risiko | |
kontrollieren: Was ich im Labor entwickelt habe, kann ich dort auch wieder | |
stoppen. In der Natur ist das anders. Wenn sich veränderte Gene in | |
Wildpflanzen ausgekreuzt haben, kann ich das nicht mehr rückgängig machen. | |
Das sieht die Kanzlerin anders. | |
Stimmt, Angela Merkel hat eine andere Position. Die CDU insgesamt steht der | |
Gentechnik positiv gegenüber. Das hat auch mit der ostdeutschen | |
Landwirtschaft zu tun. Bei den Monokulturen in Brandenburg kann sich | |
weniger auskreuzen. | |
Angela Merkel propagiert also eine Art LPG-Ideologie? | |
So würde ich das nicht sagen. Sie hat eben einen anderen Ansatz. | |
Sie persönlich halten es in dieser Frage eher mit den Grünen? | |
Für die Grünen steht die Umweltpolitik leider nicht mehr im Mittelpunkt. | |
Auf ihrem letzten Landesparteitag war es ihnen viel wichtiger, die Kreuze | |
aus den Klassenzimmern zu verbannen. Damit stoßen sie viele Skeptiker der | |
Gentechnik, die christlich engagiert sind, vor den Kopf. | |
Die Grünen haben ihren Kruzifix-Beschluss doch längst relativiert. | |
Wenn sich der Landesvorsitzende der Grünen von einem Beschluss distanziert, | |
den sein eigener Parteitag mit Zweidrittelmehrheit gefasst hat, dann ist er | |
nicht glaubwürdig. Das zeigt nur: Die Grünen sind alles andere als die | |
besseren Politiker, die sie im Vergleich zu den Volksparteien immer sein | |
wollten. | |
Über diesen Kruzifix-Beschluss scheinen Sie sehr glücklich zu sein – so | |
oft, wie Sie ihn im Wahlkampf zitieren. | |
Der grüne Landesvorsitzende Sepp Daxenberger möchte sich immer gern als | |
besserer CSU-Politiker präsentieren. Aber wie hält er es mit dem Kreuz? Die | |
Lederhose allein macht noch keinen guten politischen Bayern aus. | |
Ohne das Kreuz wäre dieser Unterschied schwer zu finden? | |
Vielleicht. Wir hatten die letzten zehn Jahre eine Entkernung der Inhalte | |
der Politik, gerade durch Gerhard Schröder und Rot-Grün. Da wurde alles | |
technisiert. Am Schluss haben wir nur noch über Prozentpunkte bei den | |
Sozialbeiträgen oder bei der Mehrwertsteuer diskutiert. | |
Daran haben Sie sich kräftig beteiligt – als Mitautor des Unionsprogramms | |
im Wahlkampf 2005 und als lautstarker Generalsekretär. | |
Wir haben die Wahl wohl auch deshalb nicht gewonnen, weil wir zu viel über | |
bürokratische Details diskutiert haben. | |
Ist das heute nicht mehr so? | |
Die Diskussion über die Linkspartei hat das verändert. Die | |
Auseinandersetzung mit ihr fordert von allen Parteien eine Konzentration | |
auf die Inhalte. Wir arbeiten gerade an einem Konzept, wie die europäische | |
Antwort etwa auf die Spekulationsmacht der Finanzmärkte aussehen kann. | |
Europa kann nicht nur eine Freihandelszone sein, Europa muss auch Schutz | |
bieten. | |
Sie laufen der Linkspartei nach. | |
Oskar Lafontaine ist der strukturkonservativste Politiker, den es gibt. Er | |
will das Saarland der Siebzigerjahre wiederhaben. Die CSU dagegen kann sich | |
immer wieder neu erfinden. | |
Und nach der Landtagswahl auch mit den Grünen koalieren, wenn es für die | |
absolute Mehrheit nicht reicht? | |
Das ist noch nie passiert. Es gibt immer Propheten, die den Weltuntergang | |
voraussagen. Wir sind fest entschlossen, die 50 Prozent zu holen. Die | |
Identifikation von Bayern und CSU ist entscheidend für unser Gewicht in | |
Berlin und Brüssel. Übrigens zeigt das Beispiel Baden-Württemberg: Wenn man | |
die absolute Mehrheit einmal verloren hat, dann wird man sie nicht mehr | |
zurückbekommen. | |
Glauben Sie im Ernst, dass sich die CSU dem Erosionsprozess der | |
Volksparteien entziehen kann? | |
Wir haben etwas, das alle verbindet: Bayern. Das ist unser Vorteil. Wenn | |
ein amerikanischer Kandidat punkten will, dann sagt er: God bless America. | |
Wir sagen: Gott schütze Bayern. Bayern ist mehr als eine geografische | |
Größe, Bayern ist ein Lebensgefühl. Auch die Zugereisten bekennen sich | |
dazu. Sie schlüpfen fürs Oktoberfest in Tracht und feiern bayerische | |
Traditionen. Das hat etwas mit dem klassischen Amerika-Prinzip zu tun. | |
Ein klares Dementi von Schwarz-Grün war das jetzt aber nicht. | |
In Bayern haben wir das nicht nötig. | |
Im Bund vielleicht schon. | |
Die Frage müssen die Grünen beantworten, nicht die CDU/CSU. Die Grünen | |
müssen wissen, ob sie am Schluss der Farbtupfer auf einer rot-roten | |
Koalition sein wollen – auf dieser wirklich urreaktionären, urrestaurativen | |
und urspießigen Verbindung. Oder ob sie sagen: Wir wagen eine Veränderung | |
zu mehr bürgerlicher Politik. Die Präsidentenwahl zwingt sie zu einer | |
Antwort: Wollen sie mit der Linkspartei Gesine Schwan wählen oder nicht? | |
Letztlich hat das Auswirkungen auf den Weg dieser Republik. | |
Wenn die Grünen mit Ihnen koalieren wollen, müssen sie also Horst Köhler | |
wählen? | |
Sie müssen sich klar darüber werden, was sie selbst wollen. Ich war neulich | |
mit Claudia Roth in einem sehr höflichen TV-Talk. Als wir dann aber in | |
einem Wahlomat Fragen beantwortet haben, waren wir zehnmal | |
unterschiedlicher Meinung. | |
Vertragen haben Sie sich trotzdem? | |
Wir haben ein völlig anderes politisches Weltbild, dabei bleibt es auch. | |
Aber Claudia Roth ist eine engagierte Politikerin, man kann sich gut mit | |
ihr unterhalten. | |
INTERVIEW RALPH BOLLMANN UND MAX HÄGLER | |
28 Jul 2008 | |
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