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# taz.de -- Nachruf auf US-Radiohost Rush Limbaugh: Wegbereiter des Trumpismus
> Der in den USA meistgehörte rechte Radio-Talker Rush Limbaugh ist an
> Lungenkrebs gestorben. Ohne ihn wäre Trump kaum möglich gewesen.
Bild: Rush Limbaugh bekommt im Februar 2020 die Presidential Medal of Freedom v…
Berlin taz | Wer einen möglichen Startpunkt für die Entwicklungen in den
USA sucht, die zum [1][Sturm eines Mobs] aus teils wütenden, teils
organisierten Rechten auf das Kapitol in Washington am 6. Januar führten,
könnte im Jahr 1988 fündig werden. Da ging Rush Limbaugh, ein damals
37jähriger Radiomoderator, mit einer neuen Sendung an den Start, die
anfangs von rund fünf Dutzend Stationen übernommen wurde.
Es war das letzte Regierungsjahr von Präsident Ronald Reagan, und der hatte
1987 dafür gesorgt, dass die Radioregulierungsbehörde FCC den „Fairness
Act“ abschaffte. Diese Regel hatte zuvor bestimmt, dass Radiostationen
jedem Kommentar aus einer Richtung einen Kommentar aus der
entgegengesetzten Richtung folgen lassen mussten.
Das war nun weg – Limbaugh meinte später, schon da hätte Reagan eine
Berliner Mauer eingerissen – und Limbaugh, der dicke Rechte mit der
markigen Radiostimme, konnte loslegen. Das Conservative Talk Radio, damals
noch auf der Mittelwelle gesendet, war geboren. Es war der Beginn einer
informationellen Parallelwelt voller Beleidigungen, voller Hass und Lügen,
acht Jahre vor Fox News und lange vor dem Durchmarsch des Internets.
Zwei Jahre später wurde Limbaughs Show mit ihren täglich drei Stunden
Sendezeit schon von 650 Stationen übertragen, die meistgehörte Radiosendung
der USA. Limbaugh schimpfte auf alles Linke, auf die Friedensbewegung gegen
den Golfkrieg 1991, gegen Schwarze, gegen Feminismus, gegen Homosexualität,
Schusswaffenkontrolle und das Recht auf Abtreibung, für härtere
Anti-Drogenpolitik, später gegen die „linke“ Idee, beim Sex müsse es ein
Einverständnis aller Beteiligten geben.
## „Schlampe“, „Prostituierte“ – Limbaugh entschuldigte sich selten
Als [2][Newt Gingrich] 1994 mit dem republikanischen Gewinn der
Kongresswahlen die „konservative Revolution“ ausrief, ernannte die
republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus unter Gingrichs Führung
Limbaugh zum Ehrenmitglied.
Limbaugh unterstützte den Angriff auf den Irak 2003 und schwadronierte noch
von irakischen Massenvernichtungswaffen, als das längst als Lüge entlarvt
war. Für sein kreationistisches Publikum verbreitete Limbaugh die Theorie,
die heutige Existenz von Gorillas beweise, dass die Evolution ein Hoax sei.
Dem an Parkinson erkrankten Schauspieler Michael J. Fox unterstellte er,
dessen unkoordinierte, von der Krankheit verursachte Bewegungen seien Fake,
als der sich für Stammzellenforschung einsetzte. Und nur sehr selten
entschuldigte er sich für seine Beleidigungen, etwa als er 2012 die
Studentin [3][Sandra Fluke], die in einer Kongressanhörung für
Verhütungsmittel auf Rezept eintrat, zur Schlampe und Prostituierten
erklärte.
Nach Barack Obamas Wahlsieg 2008 verbreitete Limbaugh die von Donald Trump
nach Obamas Wahlsieg in die Welt gesetzte [4][Lüge], Barack Obama sei gar
nicht in den USA geboren.
## Markante Stimme für seine Fangemeinde
Als 2010 die Ölplattform Deepwater Horizon den [5][Golf von Mexiko
verseuchte], berichtete Limbaugh, Ökoterroristen hätten die Plattform
gesprengt, um Obama eine Rechtfertigung für dessen daraufhin verhängtes
[6][Moratorium] zur Genehmigung neuer Bohrungen zu ermöglichen.
Mit seiner markanten Stimme, die viele provozierte, seine Fans aber
begeisterte, wurde Limbaugh zur Ikone des „konservativen“ Talk Radios, zum
Hall of Famer des US-Radiojournalismus überhaupt. Rund 15 Millionen
Menschen hörten im Durchschnitt täglich seine Sendung.
Wenn es einen direkten ideologischen Weg zur Präsidentschaftskandidatur von
Donald Trump 2016 gab – in Rush Limbaughs Show konnte man ihn über
Jahrzehnte verfolgen. Dabei unterstützte Limbaugh in den republikanischen
Vorwahlen zunächst den texanischen Senator Ted Cruz und schwenkte erst zu
Trump, [7][als Cruz ausschied].
Dann aber wurde Limbaugh zu einem noch überzeugteren Trump-Propagandisten
als selbst Rupert Murdochs Fox News. Als eine der wenigen Medienstimmen
unterstützte und verbreitete er vorbehaltlos Trumps Behauptung, er habe nur
aufgrund von Millionen illegaler Stimmen das „popular vote“ gegen Hillary
Clinton verloren, die landesweit 3,5 Millionen Stimmen mehr bekommen hatte
als Trump, auch wenn der mehr Wahlleute gewann.
## Fortgeschrittener Lungenkrebs
Schon länger immer wieder in verschwörungstheoretischen Denkgebäuden
unterwegs, propagierte Limbaugh früh die Idee, Trump kämpfe gegen einen
„Deep State“ innerhalb der US-Regierungsinstitutionen – der notwendige
Vorläufer des QAnon-Glaubens.
Wie Trump leugnete er den Klimawandel, polemisierte stets gegen Political
Correctnes und hatte schnell einen direkten telefonischen Draht zum
Präsidenten Trump, der manche Positionen direkt über SMS an Limbaugh in der
Öffentlichkeit lancierte.
Wenn Limbaugh Trump kritisierte, dann, wenn der in seinen Augen zu lasch
gegen die Demokrat*innen vorging – etwa als Trump Ende 2018 einen
Haushaltsdeal mit dem Kongress akzeptierte, obwohl darin keine Gelder für
Trumps Mauerbau zu Mexiko vorgesehen waren. Limbaugh hätte einen Shutdown
der Regierung bevorzugt.
Am 3. Februar 2020 teilte Limbaugh seinen Hörer*innen in seiner Sendung
mit, dass er an fortgeschrittenem Lungenkrebs litt. Einen Tag später hielt
Donald Trump im Kapitol die jährliche [8][Rede zur Lage der Nation]. Er lud
Limbaugh ins Publikum ein, und Ehefrau Melania verlieh ihm während der Rede
die Presidential Medal of Freedom, die höchste Ehre der USA. Trump wusste,
wem er Dank schuldete.
Am Mittwoch ging Limbaughs – vierte – Ehefrau Kathryn zu Beginn seiner Show
ans Mikrofon. „Ich weiß, dass ich ziemlich sicher nicht der Limbaugh bin,
für den ihr heute eingeschaltet habt,“ sagte sie. Rush Limbaugh, teilte sie
mit, war am Morgen, gut einen Monat nach seinem 70. Geburtstag, an seinem
Krebsleiden gestorben.
18 Feb 2021
## LINKS
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[7] /US-Vorwahlen-in-Indiana/!5300977
[8] /Trump-vor-dem-US-Kongress/!5662033
## AUTOREN
Bernd Pickert
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