# taz.de -- US-Hörfunkunternehmen Clear Channel: Der Radio-Aktiv-Konzern | |
> Rush Limbaugh ist wegen seiner Politkampagnen der umstrittenste | |
> US-Radiomoderator. Hinter ihm steht der mit den Bushs vernetzte Konzern | |
> Clear Channel. | |
Bild: Mal "Serienlügner", mal "Moralphilosoph": Rush Limbaugh | |
In der Fernsehnation trumpft ein Radio-Star auf: Rush Limbaugh. Jede Woche | |
lauschen knapp 20 Millionen Amerikaner dem unbestritten umstrittensten | |
König des politischen Talk-Radios. Der Konzern Clear Channel verkauft den | |
Polterer, der wahlweise als "Serienlügner" oder Moralphilosoph", als "Herz | |
der Konservativen" oder "Arsch der Liberalen" gilt, landesweit an knapp 600 | |
lokale Stationen. | |
In Wahlkampfzeiten dreht der 57-Jährige noch mehr auf. Zum Beispiel mit der | |
"Operation Chaos", mit der Limbaugh seine konservative Gefolgschaft | |
animierte, in den demokratischen Vorwahlen für Hillary Clinton zu stimmen. | |
Das, erklärte er täglich drei Stunden live, sei eine vortreffliche Art, das | |
"liberale Pack" gegeneinander aufzuhetzen und den Clinton-Rivalen Barack | |
Obama derart zu beschädigen, dass er im November leichter zu schlagen sei. | |
Über die Chaos-Ansage redet das Land, und in den Limbaugh-Fan-Shops waren | |
die zur "Operation" gehörenden Propagandaartikel der größte Renner seit | |
Limbaughs Kampagne zur Ehrenrettung des US-Gefangenenlagers Guantánamo, die | |
sich mit dem Spruch verkaufte: "My Mullah went to Club Gitmo and all I got | |
was this lousy T-Shirt". | |
Limbaughs Kampagnen für die Bush-Regierung haben ihm die | |
Ehrenmitgliedschaft der Republikanischen Partei eingebracht. Völlig | |
vereinnahmen lässt er sich aber nicht. Den Kandidaten John McCain hat | |
Limbaugh als "unechten Konservativen" und "Abtrünnigen" beschimpft, der "zu | |
alt und zu liberal" sei. Trotzdem, sagte er - es sei wie im | |
Super-Bowl-Endspiel, "wenn deine Mannschaft nicht mitspielt, hältst du halt | |
zu dem Team, das du weniger hasst. Das ist McCain." | |
Limbaugh kassiert künftig 50 Millionen Dollar im Jahr. Gewaltige | |
Umwälzungen im US-Radiomarkt machen diese riesige Summe möglich. Mit der | |
Lockerung der Kartellgesetze ist es Clear Channel gelungen, eine kritische | |
Marktdominanz zu etablieren: Der Konzern wuchs von 43 Radiostationen 1995 | |
auf mehr als 1.200 im Jahr 2001 - darunter ist auch Limbaughs Arbeitgeber | |
Premiere Radio Networks. | |
Doch bei allem Erfolg mit Limbaugh: Politisch wie wirtschaftlich geht Clear | |
Channel mit dem teuren Deal durchaus ein Risiko ein. Immer noch hören jede | |
Woche 235 Millionen Amerikaner Radio, die Werbeeinnahmen des Mediums | |
belaufen sich auf mehr als 20 Milliarden Dollar im Jahr. Doch mit der | |
miesen Stimmung im Land kippen die Quoten der konservativen Haussender. Und | |
generell steht die Radioindustrie auch unter Druck: iPods, werbefreier | |
Satellitenfunk - die Amerikaner verbringen 16 Prozent weniger Zeit vor dem | |
klassischen Radio als noch vor zehn Jahren. | |
Deshalb attackieren die großen - allen voran Clear Channel - nun die vielen | |
kleinen,unabhängigen Internetradios. Erneut kommt ihnen eine | |
Gesetzesänderung entgegen: Die Copyright-Behörde hat die Tantiemen für | |
Musik rasant erhöht. Bislang mussten die Online-Radios nur bis zu einem | |
gewissen Prozentsatz ihres Gesamtumsatzes zahlen, nun werden sie für jeden | |
Musiktitel, den ihre Hörer abrufen, zur Kasse gebeten. Das, heißt es etwa | |
bei somafm.com, werde die Musikrechnung ihres Onlineangebots von 20.000 auf | |
600.000 Dollar im Jahr erhöhen. "Wenn das so bleibt, sind wir alle am | |
Ende", sagt Ted Leibowitz, Gründer von bagelradio.com, das er aus seinem | |
Schlafzimmer in San Francisco betreibt. | |
Zugleich versucht Clear Channel darauf zu reagieren, dass 2007 national 3,6 | |
Prozent weniger Radiowerbung geschaltet wurde. Zum einen wandern | |
Werbekunden ins Internet ab, zum anderen sind es die Hörer leid, in einer | |
Limbaugh-Stunde 20 Minuten Werbung zu hören. Teil von Limbaughs neuem | |
Vertrag ist, dass er fünf Minuten davon über seine eigene Firma verkaufen | |
darf - und vor allem, dass er zahlungskräftige Kunden selbst bewirbt. Einem | |
Hörer, der live erzählte, er habe zweimal duschen müssen, nachdem er | |
folgsam für Clinton gestimmt habe, antwortete Limbaugh, der Hörer wäre noch | |
besser seinem Rat gefolgt, einen coolen Wassertank der Marke Irgendwas zu | |
kaufen. | |
Limbaughs werbegetränkte Liberalenhetze ist aber wenigstens eine Marke. | |
Ansonsten senden die Clear Channels flächendeckend Einheitsbrei, gegen den | |
aber immer mehr Hörer aufmucken. Die diversen Stationen haben nur scheinbar | |
lokale Bezüge: Spätestens, wenn Hörer anrufen, ist zu hören, dass der | |
Moderator nicht wirklich in Boise, Idaho, sitzt, sondern als Autopilot vom | |
tausende Kilometer entfernten San Jose, Kalifornien, aus agiert, wo der | |
Computer regionale Wetterberichte, lokale Unfälle, örtliche Veranstaltungen | |
zufüttert. Radiohörer aber lieben die persönliche Ansprache. | |
Eine andere Hörervorliebe, die Musikauswahl, die einen erheblichen Teil des | |
Erfolgs von Internetradios ausmacht, will Clear Channel aber befriedigen: | |
Viele kleine Stationen bieten ausgefeilte Features an, um den individuellen | |
Musikgeschmack quasi selbst zu programmieren. Mit dem Kauf solcher | |
dynamischen Stationen will sich Clear Channel auch diese Technik | |
einverleiben und so das junge Publikum anziehen. | |
Bleibt das Problem fallender Kurse: Clear Channel ist, wie alle großen | |
US-Medien, eine Aktiengesellschaft. Haupteigentümer ist die Familie Mays, | |
die dem Medium, von dem sie lebt, aber Hohn spottet: Sie redet nie mit | |
Journalisten, schon gar nicht über das Geschäftsgebaren des "teuflischen | |
Empires". Die Informationen, die Kritiker zu mehreren Büchern verarbeitet | |
haben, stammen aus zweiter Hand. | |
Sicher ist, dass nach dem Kaufrausch der Wert einer Clear-Channel-Aktie von | |
mehr als 90 Dollar Anfang 2000 auf 27 Dollar im Sommer 2006 fiel - und auch | |
eine Entlassungswelle und der Verkauf der Fernseh- und Konzertsparte | |
brachten keinen Sprung an der Börse. So stimmte die Familie Anfang 2008 dem | |
20-Milliarden-Dollar-Angebot zweier Beteiligungsgesellschaften zu. Im Zuge | |
der Finanzkrise ist der Deal aber noch nicht abgeschlossen, weil sich die | |
beteiligten Banken sträuben, ihn zu finanzieren. Und die Kartellbehörde hat | |
zur Auflage gemacht, dass Clear Channel in vier Städten erst 48 Sender | |
verkaufen muss, weil die Käufer dort bereits Stationen halten und ein | |
Monopol zu offensichtlich würde. Allerdings ist Clear Channel so vielfältig | |
mit Politikern und insbesondere den Bushs verbandelt, dass im Kongress | |
schon republikanische Rufe laut wurden, den Medienmarkt noch weiter von der | |
Leine öffentlicher Aufsicht zu lassen. | |
26 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Karin Deckenbach | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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