# taz.de -- Journalisten in Myanmar: Neue Freiheit in Gefahr | |
> Seit dem Putsch in Myanmar geht das Militär auch hart gegen Journalisten | |
> vor. Etliche wurden festgenommen, Medien sollen auf Linie gebracht | |
> werden. | |
Bild: Ein Demonstrant und ein Fotograf fliehen vor der Polizei: 27. Februar 2021 | |
Berlin taz | In Myanmars größter Stadt Yangon (Rangun) sind am Mittwoch die | |
ersten sechs Journalisten angeklagt worden wegen ihrer Berichte über die | |
[1][anhaltenden Massenproteste] gegen den Militärputsch vom 1. Februar. Den | |
im berüchtigten Insein-Gefängnis einsitzenden Reportern wird vorgeworfen, | |
gegen ein Gesetz verstoßen zu haben, das „das Auslösen von Angst, das | |
Verbreiten falscher Nachrichten sowie die Anstiftung von | |
Regierungsangestellten“ unter Strafe stellt. Die Militärjunta hatte das | |
Gesetz verschärft und die Höchststrafe von zwei auf drei Jahre Haft | |
angehoben. | |
Laut der lokalen Hilfsvereinigung für Politische Gefangene (AAPP) sind | |
unter den seit dem Putsch 1.294 Festgenommenen 34 Journalisten (Stand | |
Dienstagabend). 15 wurden wieder freigelassen. 19 sind weiter inhaftiert, | |
doch ist von manchen der Ort unbekannt. Ein Beispiel hierfür ist Kaung Myat | |
Hlaing, auch als Aung Kyaw bekannt. Der Reporter der Multimediagruppe DVB | |
hatte am Wochenende über das brutale Vorgehen von Polizei und Militär gegen | |
Demonstrant:innen in der südlichen Hafenstadt Myeik berichtet. | |
Sonntagabend gegen 22.30 Uhr streamte er live von seinem Balkon, wie | |
bewaffnete Kräfte des Regimes versuchten, in sein Haus einzudringen. Es ist | |
zu hören, wie er laut um Hilfe schreit und Nachbarn auffordert, mit Töpfen | |
Alarm zu schlagen. Die in der Dunkelheit nicht eindeutig zu erkennenden | |
Polizisten oder Militärs vor dem Haus werfen Steine und feuern mit Gewehren | |
in Richtung des Journalisten. Das Video zeigt, wie beim Einschlag einer | |
Kugel Putz spritzt. Der Journalist wird von einem Stein am Kopf verletzt, | |
bevor das Video stoppt. Laut DVB wurde er festgenommen und an einen | |
unbekannten Ort gebracht. | |
Inzwischen gab die [2][Militärregierung], die sich Staatsverwaltungsrat | |
(SAC) nennt, schon zwei Direktiven an die Medien heraus. Demnach dürfen | |
diese nicht von Putsch sprechen und die Militärregierung nicht als Junta | |
oder Militärregime bezeichnen. 20 der 22 Mitglieder des Presserats traten | |
inzwischen aus Protest gegen die Einschränkung der Medienfreiheit von ihren | |
Posten zurück. | |
## Zensur durch die Junta | |
Fast alle namhaften lokalen Medien erklärten letzte Woche in einer | |
gemeinsamen Stellungnahme, dass die Direktiven gegen die in der Verfassung | |
garantierte Pressefreiheit verstießen. Sie selbst würden sich auf Artikel | |
19 (Recht auf Meinungsfreiheit) der allgemeinem Erklärung der | |
Menschenrechte berufen, so die Medien, und sich nur den Grundsätzen des | |
Journalismus verpflichtet fühlen. | |
In den letzten Jahren professionell gewordene unabhängige Medien wie | |
Frontier, Myanmar Now, Irrawaddy, DVB, [3][Voice] und einige lokale | |
Publikationen berichten kritisch über die illegale Militärregierung und | |
ihre Gewalt. Die Junta und ihre bewaffneten Kräfte stehen den Medien | |
feindlich gegenüber. Als der vom Militär installierte Informationsminister | |
zur ersten Pressekonferenz lud, wollten die meisten Journalist:innen | |
das Event boykottieren. | |
In der Myanmar Times, die vor einiger Zeit an einen militärnahen | |
Unternehmer verkauft worden war, führte dies zu einem Aufstand innerhalb | |
der Redaktion. Denn auf Anordnung der Geschäftsleitung war ein Reporter zur | |
Pressekonferenz befohlen worden, worauf ein Großteil der Redaktion | |
kündigte. Inzwischen ist das Blatt samt seiner Nebenprodukte eingestellt | |
worden, offiziell zunächst für drei Monate. | |
Selbst wenn es der Junta in nächster Zeit gelingen sollte, ihre Zensur | |
durchzusetzen und die Medien auf Linie zu bringen, wird dies aber nur einen | |
begrenzten Effekt haben. Denn inzwischen haben sich die sozialen Medien zur | |
wichtigsten Informationsquelle entwickelt. So wie der DVB-Reporter seine | |
Festnahme bei Facebook live streamte, gibt es dort und bei Twitter täglich | |
Hunderte Bilder und Berichte von der Brutalität und Willkür des Regimes. | |
Fast alle Demonstrant:innen sind mit einem Smartphone unterwegs und | |
filmen ständig. Zwischen traditionellen und sozialen Medien gibt es einen | |
Pingpongeffekt, der kaum zu kontrollieren ist. | |
3 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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