# taz.de -- Myanmar nach dem Putsch: Chinas brennende Probleme in Yangon | |
> Wem könnte die Brandstiftung in chinesischen Fabriken in Yangon nach dem | |
> Wochenende mit einer Rekordzahl an getöteten Demonstrant:innen | |
> nutzen? | |
Bild: Ein Angehöriger weint um den beim Protest erschossenen Min Khant Soeam M… | |
Berlin taz | In Myanmar sind die Proteste gegen die Militärherrschaft auch | |
am Montag weitergegangen, aber ebenso die Schüsse auf Demonstrant:innen | |
mit scharfer Munition durch Kräfte des Regimes. So starben allein in | |
Myangyan (Mandalay) übereinstimmenden Berichten der Nachrichtenportale DVB | |
und Irrawaddy zufolge mindestens drei Menschen. | |
Zuvor waren am Sonntag die bisher meisten Toten zu beklagen gewesen. Laut | |
[1][Myanmar Now] zählten an dem Tag allein in Yangon drei Krankenhäuser 59 | |
Tote und 129 Verletzte. Die Gefangenenhilfsorganisation [2][AAPP] gab die | |
Gesamtzahl der bis Sonntagabend Getöteten mit mindestens 126 an, die | |
Webseite [3][„Myanmar Spring“] nennt seit dem Putsch am 1. Februar 171 | |
bestätigte Todesfälle, darunter schon 6 am Montag. | |
„Die Juntaführer gehören nicht an die Macht, sie gehören hinter Gitter“, | |
twitterte der so empörte wie machtlose UN-Sonderberichterstatter für | |
Menschenrechte in Myanmar, der US-Amerikaner Tom Andrews. | |
Bisher verhinderten China, aber auch Russland und zuletzt auch Indien und | |
Vietnam eine Verurteilung der Junta im UN-Sicherheitsrat und damit auch | |
Sanktionen. China und Russland stellten sich schon im UN-Menschenrechtsrat | |
vor das Putschmilitär, stets mit der Betonung, die Ereignisse in Myanmar | |
seien eine „innere Angelegenheit“. | |
## Proteste vor der chinesischen Botschaft | |
In den letzten Wochen gab es deshalb fast täglich Proteste vor den | |
Botschaften Chinas und Russlands in Yangon. China ist Myanmars größter | |
Handelspartner, größter Waffenlieferant und zweitgrößter ausländischer | |
Investor. Pekings Medien hatten den Putsch nur als „größere | |
Regierungsumbildung“ bezeichnet. | |
Für die Volksrepublik ist Myanmar strategisch und wirtschaftlich wichtig, | |
Letzteres für Rohstoffe wie als Absatzmarkt. Vom südchinesischen Yunnan | |
verlaufen chinesische Öl- und Gaspipelines durch Myanmar zum Indischen | |
Ozean. | |
Peking hatte schon die frühere Militärjunta international gestützt und mit | |
seinem Handel westliche Sanktionen unterlaufen. Doch hatte China auch gute | |
Beziehungen zur jetzt durch den Putsch entmachteten Regierung der | |
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. | |
Berichten zufolge sollen Pekings Kader Myanmars grobschlächtige Generäle | |
verachten. Die Chinesen konnten bessere Geschäfte machen, als unter Aung | |
San Suu Kyi die Wirtschaft florierte. Sie haben jetzt vor allem ein | |
Interesse an Stabilität, Demokratie in Myanmar ist für sie nicht attraktiv. | |
Und Peking hat westliche Länder bereits vor einer Einmischung dort gewarnt. | |
## Aung San Suu Kyi hatte ein gutes Verhältnis zu Peking | |
Ausgerechnet die frühere Militärregierung hatte 2011 den Bau des von China | |
finanzierten umstrittenen Myitsone-Staudamms im nördlichen Kachin-Staat | |
gestoppt, für dessen Weiterbau sich später überraschend Aung San Suu Kyi | |
gegen den Protest der Anwohner einsetzte. | |
[4][Myanmars nationalistische Generäle] brauchen Chinas internationalen | |
Schutz, wollen aber nicht noch abhängiger von Peking werden. Jetzt | |
beunruhigten China die Proteste vor seiner Vertretung in Yangon wie auch | |
Aufrufe zum Boykott chinesischer Waren. | |
Deshalb erklärte Botschafter [5][Chein Hai], dass die Entwicklungen in | |
Myanmar nicht dem entsprächen, „was wir sehen wollen“. China hatte auch | |
Aung San Suu Kyi zum Wahlsieg ihrer Partei im November gratuliert. Doch das | |
Militär begründete seine Putsch mit angeblichem Unregelmäßigkeiten bei der | |
Wahl. | |
Peking sorgt sich jetzt auch um seine Investitionen und verlangte in einem | |
Ende Februar [6][geleakten Brief] von der Junta einen stärkeren Schutz | |
seiner Pipelines. Das führte zur Retourkutsche von Juntagegner:innen, dass | |
mögliche Beschädigungen der Pipelines doch eine „innere Angelegenheit“ | |
seien. | |
In Yangons Industrieviertel Hlaing Tharyar starben am Sonntag mindestens 22 | |
Demonstranten. Dort befinden sich viele chinesische Fabriken. Mindestens | |
zwei chinesische und eine taiwanische brannten später ab. Laut Chinas | |
KP-Blatt [7][Global Times] griff ein Mob auf Motorrädern insgesamt 12 | |
chinesische Firmen an, in anderen Berichten ist von rund 30 zerstörten oder | |
beschädigten Firmen die Rede. | |
## Industrieviertel jetzt unter Militärverwaltung | |
Die Junta stellte das Viertel und noch einen weiteren Stadtteil am Sonntag | |
unter Militärverwaltung. Am Montag kamen weitere Viertel hinzu, auch in | |
Mandalay. | |
Chinas Botschaft [8][forderte] jetzt die Junta auf, chinesische Fabriken zu | |
schützen, davon ausgehend, dass Demonstrant:innen Feuer gelegt hätten. | |
Das ist auch nicht auszuschließen. Aber es könnte genauso eine Taktik des | |
Regimes sein, um China zur Parteinahme für die Putschisten zu drängen und | |
zugleich einen Vorwand zu schaffen, die Repression zu verstärken. | |
Im Februar waren vom Regime 23.000 Strafgefangene freigelassen worden. | |
Viele mutmaßten damals, diese könnten womöglich vom Regime als Unruhe- oder | |
Brandstifter eingesetzt werden. Eine Taktik, die vom Militär schon früher | |
angewandet worden war. | |
Die Global Times machte jetzt „westliche und Anti-China-Kräfte“ bis hin zur | |
Hongkonger Demokratiebewegung verantwortlich, in Myanmar gegen Peking | |
Stimmung zu erzeugen und womöglich hinter den Brandstiftungen zu stehen. | |
## Will die Junta antichinesische Ressentiments nutzen? | |
Im Internet gab es am Sonntag Warnungen, nicht in eine mögliche Falle der | |
Junta zu tappen. Diese könnte antichinesische Gewalt und eine Eskalation | |
für sich nutzen. Auch weil sie antichinesische Gewalt fürchten, hatten | |
lokale Chines:innen in ihrer Hochburg Mandalay schon im Februar mit | |
gegen das Militär demonstriert. | |
Am Montag [9][empörten] sich viele über Chinas Reaktion auf die | |
Brandstifungen. Denn während Peking diese verurteilte und das Militär zum | |
Eingreifen aufforderte, schwieg China bisher zu den Schüssen der Armee auf | |
Demonstrant:innen. Viele Juntagegner werten deshalb Chinas Reaktion als | |
einseitige Parteinahme zugunsten der Generäle. Das verstärkt die ohnehin | |
vorhandenen antichinesischen Ressentiments. | |
Die Junta sperrte am Montag das mobile Internet für zunächst unbestimmte | |
Zeit. Deshalb fiel eine Gerichtsanhörung per Video der unter Hausarrest | |
stehenden Aung San Suu Kyi aus. | |
15 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.myanmar-now.org/en/news/nearly-60-dead-in-one-day-in-juntas-bru… | |
[2] https://aappb.org/?p=13671 | |
[3] http://bit.ly/myanmarspring22222 | |
[4] /Kosten-fuer-den-Putsch-in-Myanmar/!5751997 | |
[5] https://www.irrawaddy.com/news/burma/ambassador-tries-calm-anti-china-feeli… | |
[6] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-foreign-ministry-staff-detaine… | |
[7] https://www.globaltimes.cn/page/202103/1218326.shtml?fbclid=IwAR06EmacLttgX… | |
[8] https://www.irrawaddy.com/news/burma/china-calls-myanmar-junta-punish-arson… | |
[9] https://www.irrawaddy.com/news/burma/china-faces-backlash-demanding-tougher… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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