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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Liebe zur Nudel
> Als Student hasste unser Kolumnist Köche und Kochen. Heute ist er noch
> lange nicht am Ende seines Fernstudiums „Kochsendung“ angelangt.
Kochen sei ja das neue Essen, heißt es. Tatsächlich ist der Kochhype schon
länger virulent – als begnadeter Esser, aber nicht ganz so talentierter
Sterne-in-weiter-Ferne-Koch habe ich dieses ganze Kochding bislang
weitgehend an mir vorüberziehen lassen – wie den Duft nach frischer Polenta
mit Pilzen und Salat.
Aber mit der Zeit wird man älter und gemütlicher, und da draußen ist seit
neulich auch [1][noch dieses Ding, das sie Corona nennen], und so finde ich
mich auch wegen permanenter charmanter Sofasurfbegleitung inzwischen des
Öfteren auf der Couch wieder, wenn auf Vox „Das perfekte Dinner“ oder
Ähnliches samstags kurz vor der „Sportschau“ läuft.
Dabei habe ich in meinen Studentenjahren Kochen und die Leute, die das mit
Inbrunst tun, mit fast der gleichen Inbrunst gehasst. Der anständige
Bohemien frühstückt Espresso und Zigarette, so war das jedenfalls damals,
am späten Nachmittag trat man den Gang ins Café an und abends gab es
Stammessen III in der Mensa, mehr Glamour ging nicht. Jetzt jedoch sehe ich
der provinziellen Mittelschicht gern beim Wettkochen zu, es fallen Namen
von Gewürzen, von denen ich noch nie gehört habe, und außerdem lassen sich
auch bequem vom Sofa aus soziologische Studien abhalten, etwas Akademismus
muss schließlich sein.
So zeigt sich, dass heutzutage Schiefertafeln in sind. Für Nachspeisen.
Dass die Michelin-Mann-Jacken, die von Bundesligatrainern getragen werden,
auch in Neustadt an der Weinstraße beliebt sind. Dass nicht mehr nach dem
G-, sondern nach dem Gar-Punkt gefragt wird. Und dass trotz allen
Klimabewusstseins bei Männern das gute Fleisch, am besten medium, ganz weit
vorn ist.
## Nachspeise mit Schokobremsspur
Zudem scheint in jedem zweiten Haushalt eine Eismaschine zu stehen, und
auch die Bäckerinnung ist inzwischen bis ins Letzte durchprivatisiert, das
Brot backt man gefälligst zu Hause – und nicht nur eins.
In Sachen Einrichtung herrscht ein komischer Prollschick vor, von dem ich –
meine Einrichtung ist immer noch streng skandinavisch – wirklich keine
Ahnung habe. Vermutlich im Stil der Eighties, aber auch derart
pseudoneureich und ästhetisch schlimm wie klobige Uhren von Rolex oder
eckige Blumenvasen.
Das Essen selbst sieht oft sehr gut aus, kommt in reichlich Variationen und
wird gern französisch serviert – also knapp, aber ausgefeilt und mit
üppiger Verzierung versehen. Keine Vorspeise ohne „gestürzten Milchreis“,
kein Hauptgericht ohne ein kleines, wie frisch vom Baum heruntergesegeltes
Blatt Irgendwas, keine Nachspeise ohne Schokobremsspur.
Man lernt also einiges, und am Ende meines Fernstudiums „Kochsendung“ bin
ich noch lange nicht. „Die Liebe zur Nudel sollte niemals zur Routine
werden“, findet ja auch eine Nudelfirma, die diese Firmenphilosophie gleich
unter „Unsere Überzeugung“ auf eine Packung Bandnudeln drucken ließ. Zum
„Nachkochen“ kommt es allerdings nicht.
23 Feb 2021
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## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
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