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# taz.de -- Corona-Impfungen in Kolumbien: Der Impfstoff auf Staatsbesuch
> Nur 50.000 Impfdosen hat Kolumbien diese Woche erhalten. Präsident Ivan
> Duque aber inszeniert das wie zuletzt den Papst-Besuch.
Bild: Prächtig staatlich inszeniert: Ankunft des Impfstoffes in Bogotá
Bogotá taz | Der Container mit der kostbaren Fracht schwebt am Flughafen El
Dorado in Bogotá aus dem Flugzeugbauch. Eine Drehung, und die mit der
kolumbianischen Flagge bedeckte Rückseite ist vorne. Kameraschwenk zu
[1][Präsident Iván Duque] und einem Teil des Kabinetts sowie des
Covid-Krisenstabs, die mit Mundschutz und in orangefarbene Warnwesten der
Ankunft des Containers mit den 50.000 ersten Dosen
BioNTech/Pfizer-Impfstoff applaudieren. Gesundheitsminister Fernando Ruiz
Gómez knipst Erinnerungsfotos. Kaum steht der Container, hält Präsident
Duque davor eine [2][Ansprache].
Gesperrte Straßen die vom Flughafen wegführen, bewachte Autokolonnen,
stundenlange Liveübertragungen: so etwas hat es zuletzt beim Papstbesuch
gegeben. Nur die Menschenmassen am Straßenrand fehlen, um am Montag die
Ankunft des Corona-Impfstoffs zu bejubeln.
„Diese Show war einfach nur peinlich“, sagt Carolina Corcho,
Vizepräsidentin der kolumbianischen Ärztevereinigung. „Es gab nichts zu
feiern. Die Impfungen kamen viel später an als in anderen
lateinamerikanischen Ländern – und die 50.000 Dosen haben aus
epidemiologischer Sicht überhaupt keine Wirkung.“ Sie reichen gerade mal,
um 0,08 Prozent der Bevölkerung zu impfen.
Kolumbien, zu Beginn der Pandemie noch [3][Musterschüler], ist heute
Sorgenkind. Über 58.000 Todesopfer, das prominenteste war im Januar
Verteidigungsminister Carlos Holmes Trujillo; [4][2,2 Millionen
Infizierte]. Bei der Sterblichkeit liegt Kolumbien sogar vor Brasilien, das
die weltweit zweitmeisten Covid-19-Toten nach den USA betrauern muss.
## Galgenhumor auf Twitter
Doch selbst das krisengebeutelte Nachbarland [5][Venezuela] bekam die
ersten 100.000 Dosen Sputnik-V-Impfstoff vom befreundeten Russland noch
[6][zwei Tage eher]. „Die Regierung hat ihre Versprechen nicht gehalten“,
sagt Ärztepräsidentin Carolina Corcho. „Erst hieß es, im Februar würden
850.000 Dosen kommen, dann 337.000 – nun sind es 50.000. Wir verstehen,
dass der Impfstoff knapp ist und die Länder des globalen Nordens
Hamsterkäufe betreiben“, sagt Corcho.
Aber die Regierung habe nur auf Impfstoffe aus den USA und der EU gesetzt,
statt auch mit China, Indien oder Russland zu verhandeln. „Auch mangelt es
in Kolumbien an Transparenz – niemand kennt die Verträge.“
Apropos Transparenz: Presse war nicht erlaubt. Alle Fotos und Videos in den
Medien stammen von der Regierung. Wohl selten hat der Logistikkonzern DHL
so ein professionelles Werbevideo spendiert bekommen. Das gelbe Flugzeug
dominiert auch am folgenden Tag die Zeitungstitel. Die wurden ungewohnt
deutlich. „0,08 Prozent der Impfungen sind da!“, rechnet das Skandalblatt
Q’Hubo in Medellín vor. „Und es fehlen 99,92 Prozent!“. El Espectador
titelt über eine „Minimaldosis“.
Auf Twitter malen sich Kolumbianer*innen mit Galgenhumor aus, wie es
weitergeht: Mit Titelstorys über Erstgeimpfte aus entlegenen Dörfern wie
der von „[7][Don Emiro Rodríguez, einem Señor, der jeden Tag um 3 Uhr
aufsteht, um Maisfladen und Kaffee für seine 15 Enkel und 4 Eselinnen zu
kochen]“, und vom ersten [8][Vakzin-Baby], „getauft auf den Namen Pfizer
Steven, oder besser gesagt Faizer Estiven“.
Oberschwester Verónica Luz Machado aus einem Krankenhaus in Sincelejo im
Karibik-Departamento Sucre ist am Mittwoch die erste Geimpfte,
[9][Fototermin mit Präsident Duque inklusive]. „Ginge es nach der
Sterblichkeit, hätte man am Amazonas beginnen müssen“, sagt Carolina
Corcho. Der Impfstart in Sincelejo habe vermutlich politische Gründe. „In
Kolumbien beginnt der Wahlkampf, und der hat mehr Gewicht als ein seriöses
Krisenmanagement.“
Aber die Oberschwester durchkreuzt die Propaganda. Kurz nach ihrer Impfung
erzählt die neue Nationalheldin der Presse, dass das öffentliche
Krankenhaus ihr [10][zwei Monate Gehalt] schulde.
Im ganzen Land schwärmen Politiker*innen aus, um bei Impfstarts dabei
zu sein. In Cali musste das Klinikpersonal vier Stunden auf die Impfung
warten, weil [11][Justizminister Wilson Ruiz sich verspätete]. Da mahnte
selbst der Bürgermeister, er wolle, dass endlich mit dieser „exzessiven
Show Schluss ist, damit wir uns um die wichtigen Dinge kümmern können“.
20 Feb 2021
## LINKS
[1] /Neuer-Praesident-in-Kolumbien/!5513668
[2] https://noticias.caracoltv.com/salud/llegada-de-vacunas-covid-a-colombia
[3] https://www.riffreporter.de/de/international/coronavirus-kolumbien-peru
[4] https://coronavirus.jhu.edu/map.html
[5] /Corona-in-Venezuela/!5672057
[6] https://elpais.com/sociedad/2021-02-16/100000-vacunas-sin-plan-de-inmunizac…
[7] https://twitter.com/Colorbermejo/status/1361292480478601216?s=20
[8] https://twitter.com/elorla/status/1361348168923967489?s=20
[9] https://www.dw.com/es/colombia-comienza-la-vacunaci%C3%B3n-contra-el-covid-…
[10] https://www.pulzo.com/nacion/primera-mujer-vacunada-colombia-debian-su-sal…
[11] https://www.vanguardia.com/colombia/aplazaron-vacunacion-en-cali-cuatro-ho…
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
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