# taz.de -- Corona und Korruption in Kolumbien: Perfekter Verdunkelungsmechanis… | |
> Kolumbiens Regierung hat nahezu alle Coronamaßnahmen an eine | |
> Katastrophenschutz-Einheit ausgelagert – eine Blackbox der Korruption. | |
Bild: Kolumbien: Vorbereitungen für den Impfstart in einem Krankenhaus in Bogo… | |
Bogotá taz | Eine Einrichtung, die Millionen von Dollar verteilt und | |
niemandem Rechenschaft ablegen muss – das klingt nach der perfekten | |
[1][Korruptionsmaschine]. Die kolumbianische Regierung hat für die | |
Coronapandemie so eine Blackbox geschaffen. | |
Für das Management der Pandemie nutzt die Regierung eine Einrichtung, die | |
es schon seit 2013 gibt: die Unidad Nacional para la Gestión del Riesgo de | |
Desastre (wörtlich: Nationale Einheit zum Risiko-Management von | |
Katastrophen). Die hat eigentlich die Aufgabe, das Land gegen Natur- und | |
andere Katastrophen zu wappnen und im Krisenfall die Hilfe zu managen. Doch | |
seit der Pandemie ist das anders. | |
Die Katastrophenschutz-Einheit ist nicht nur für alle mit der Pandemie | |
verbundenen staatlichen medizinischen Einkäufe verantwortlich – von | |
Handschuhen, Spritzen, Mund-Nasen-Schutz bis zu den heiß umkämpften | |
Beatmungsgeräten und jetzt den [2][Impfungen]. Sie managt auch die | |
Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen mit Lebensmitteln. | |
„Ich kenne in ganz Lateinamerika keinen zweiten Fall, wo ein Exekutivorgan | |
solche Aufgaben auf eine Einrichtung überträgt“, sagt Esteban Salazar, | |
Leiter des Forschungsschwerpunkts Demokratie und Staatsführung bei der | |
renommierten Stiftung [3][Paz y Reconciliación] (Pares). „Das hätte das | |
Gesundheitsministerium leisten müssen.“ | |
## Keinerlei Transparenz bei der Auftragsvergabe | |
Das Besondere: „Die Katastrophenschutz-Einheit vergibt Aufträge nach dem | |
Privatrecht“, sagt Salazar. Schließlich soll es in Katastrophenfällen | |
schnell gehen. Das Gesundheitsministerium hingegen muss alles öffentlich | |
ausschreiben und die Auftragsvergabe transparent machen. | |
„Unsere Hypothese ist, dass die Regierung einen Verdunkelungsmechanismus | |
geschaffen hat“, sagt Salazar. Nach Recherchen von Pares hat die | |
Katastrophenschutz-Einheit letztlich aus zwei neu geschaffenen Geldtöpfen | |
insgesamt rund 1,5 Billionen Peso (400 Millionen Euro) zur Verfügung | |
bekommen. Denn sie hat die Hoheit über den Fonds zur Linderung von | |
Notfällen und dessen Covid-19-Unterkonto. | |
Zudem schloss das Gesundheitsministerium mit der Einheit im Mai 2020 eine | |
Vereinbarung, die eine Vertraulichkeitsklausel beinhaltet. Diese verbietet, | |
über den Inhalt der Auftragsvergabe gegenüber Dritten zu sprechen. „Das | |
geht klar gegen das Gesetz zur öffentlichen Transparenz“, erklärt Salazar. | |
Dieses erlaubt Geheimhaltung nur in zwei Fällen: Wenn es um die nationale | |
Sicherheit geht und Patente betroffen sind. Letzteres schiebe die Regierung | |
vor. „Die Patente der Impfungen interessieren uns aber nicht“, sagt | |
Salazar. „Wir wollen wissen, was die Dosis gekostet hat, welche Studien | |
herangezogen wurden, was der Transport des Impfstoffs gekostet hat sowie | |
alle laufenden Kosten.“ Und: „In der Vereinbarung steht auch, dass die | |
Katastrophenschutz-Einheit die Verträge schließt, aber das Ministerium ihr | |
sagt, mit wem“, sagt Salazar. | |
## Etliche Festnahmen auf Gemeindeebene | |
Die Folge: „Niemand weiß, was mit dem Geld passiert ist, was mit wem und | |
wie vertraglich vereinbart wurde“, sagt Salazar. Zumindest konnte die | |
Stiftung herausfinden, dass einige der Geschäftspartner der | |
Katastrophenschutz-Einheit Firmen sind, die seit Jahren mit dubiosen | |
Praktiken in Verbindung gebracht werden – zum Beispiel wegen illegaler | |
Preisabsprachen bei Programmen zur Schulspeisung, der Versorgung von | |
Gefängnissen oder der Armee. Und dass die Einheit mindestens eine Million | |
überteuerte Lebensmittelpakete eingekauft hat – für 117.000 Pesos das | |
Stück statt maximal 80.000 Peso. | |
Die Stiftung hat seit Beginn der Pandemie mehrere Recherchen zur Verwendung | |
öffentlicher Gelder veröffentlicht. In einer ersten ging es um Verträge der | |
Gemeinden und Departamentos. Neben überteuerten Lebensmittelpaketen | |
entdeckte die Stiftung auch Tricksereien mit fachfremden Firmen mit | |
politischen oder familiären Beziehungen, die Aufträge zur | |
Pandemiebekämpfung zugeschustert bekamen. „Nach unseren Veröffentlichungen | |
kam es zu etwa einem Dutzend Festnahmen“, sagt Salazar. | |
Anders bei den Recherchen zu den zweifelhaften Praktiken der | |
Nationalregierung. „Was die Regierung betrifft, gab es keine Reaktion“, | |
sagt Salazar. Für ihn nicht verwunderlich: Generalstaatsanwaltschaft, | |
Bundesrechnungshof oder die Aufsichtsbehörde für Staatsbedienstete werden | |
inzwischen allesamt von regierungsnahen bzw. früher zur Duque-Regierung | |
gehörenden Personen geleitet. | |
24 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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