| # taz.de -- Forschungsprojekt „Die obsolete Stadt“: Wie viel Piazza verträ… | |
| > Die Pandemie beschleunigt den Wandel der Städte enorm. | |
| > Wissenschaftler*innen untersuchen, wie sich die Veränderungen | |
| > steuern lassen. | |
| Bild: Ladenzeile in der Altstadt von Hannover: Wie viel Zukunft hat die Shoppin… | |
| Hannover taz | Das nennt man dann wohl Forscher*innenglück: Corona war | |
| noch gar nicht in Sicht, da fanden sich neun Forscher*innen aus ganz | |
| verschiedenen Disziplinen zum Projekt „Die obsolete Stadt“ zusammen. Sie | |
| folgten einem Aufruf der Robert-Bosch-Stiftung. | |
| „Eigentlich wollten wir uns ja erst einmal mit sogenannten Megatrends | |
| befassen – Digitalisierung, Mobilitätswende, religiöser Wandel – und dami… | |
| wie sie sich in Städten auswirken“, sagt Constantin Alexander, der als | |
| Ökonom und Politikwissenschaftler an dem Projekt beteiligt ist und aus | |
| Hannover kommt. | |
| Dann kam Corona. Und plötzlich gewann das Thema eine ganz andere | |
| Dringlichkeit. Ob das für die Städte nun ein Glück ist oder ein Pech, müsse | |
| sich erst noch herausstellen, sagt Alexander. Einerseits verstärken sich | |
| durch Corona Entwicklungen, die sich vorher lange abzeichneten – | |
| möglicherweise setzt das Energien frei, die sich vorher unter verkrusteten | |
| Strukturen verbargen. | |
| Andrerseits überstürzt sich jetzt auch vieles – und die große Frage ist, ob | |
| die Politik oder die Gesellschaft da noch mitkommt, ob sie die Prozesse | |
| überhaupt noch steuern kann. Dass sie das soll, steht für Alexander nicht | |
| infrage. Ein wesentlicher Teil der Arbeit besteht für ihn genau darin: den | |
| Kommunen Mittel an die Hand zu geben, damit sie reagieren können. | |
| ## So neu ist das Phänomen historisch nicht | |
| Dazu gehört aber eben erst einmal die präzise Analyse. Den Begriff der | |
| Obsoleszenz – die Alterung, das Überflüssig- oder Unbrauchbarwerden – hab… | |
| sie aus dem Produktdesign geborgt. | |
| Das Phänomen, sagt der Nachhaltigkeitsexperte, sei aber auch für Städte | |
| nicht sonderlich neu: Man denke nur an die alten militärischen | |
| Einrichtungen – die Wallanlagen, Gräben und Kasernen, die irgendwann einer | |
| anderen Nutzung zugeführt werden mussten. Oder die Fabrikgebäude und | |
| Werksgelände, die vor allem in den 60er- und 70er-Jahren frei wurden, weil | |
| die Produktion nach draußen, auf die grüne Wiese verdrängt wurde. | |
| Nun trifft es also die Handelsflächen, Verkehrsflächen, Kirchen und | |
| Friedhöfe. Und Alexander und seine Mitstreiter*innen versuchen zunächst | |
| einmal, Methoden zu entwickeln, die die Risiken bezifferbar und | |
| kalkulierbar machen. Sodass am Ende nicht nur Preis, Rendite, Wertschöpfung | |
| in die politische Entscheidungsfindung einfließen, sondern auch | |
| Schadschöpfung, Obsoleszenzrisiko, Kipppunkte Berücksichtigung finden – in | |
| Form eines „Gemeinwohl-Kompasses“. | |
| Eine Vision, wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte, ist damit noch | |
| nicht verbunden. Es werde um mehr gehen müssen als darum, mit Subventionen | |
| und auf Steuerzahlerkosten Probleme zu lösen, die die Privatwirtschaft | |
| kreiert hat, sagt der Forscher. „Es wird um einen radikalen Wandel gehen, | |
| nicht nur darum, überall hübsche kulturelle Zwischennutzungen reinzuholen.“ | |
| Aber da – sagt Alexander – ist sich die Gruppe auch nicht ganz einig. Der | |
| Frage, wie viele hübsche italienische Piazze mit Cafés, Konzerten, | |
| Ausstellungen und sonstigem Bella Vita so eine Stadt eigentlich vertrage, | |
| dürfe man aber nicht ausweichen. | |
| ## Hannover ist als „Autostadt“ interessant | |
| Hamburg und Hannover werden sie sich genauer ansehen. Hannover vor allem, | |
| weil dort das Thema Mobilität so virulent ist – wo selbst | |
| Automobilindustrie und Zulieferer das Experimentieren anfangen, weil sie | |
| ahnen, dass der motorisierte Individualverkehr nicht mehr das A und O ist. | |
| Mit dem politisch-juristischen Rahmen oder besser Korsett, in dem sich die | |
| Kommunen bewegen, wird man sich noch näher befassen. Denn darum geht es ja | |
| letztlich: Welche Möglichkeiten haben sie überhaupt, Einfluss zu nehmen? | |
| Über bodenrechtliche Instrumente, eigene Flächennutzung, Erbpacht, die | |
| Ausweisung von Sonderentwicklungszonen? | |
| Und welche Interessen stehen dem entgegen, haben überhaupt dafür gesorgt, | |
| dass sich Innenstädte zu diesen kränkelnden Monokulturen entwickelt haben, | |
| sodass es immer nur darum geht, welche Straße jetzt noch autofrei werden | |
| soll und warum sich leer stehende Bürogebäude tatsächlich rechnen? Darüber | |
| wollen die Forscher*innen zunächst einmal mit den „Stakeholdern“ ins | |
| Gespräch kommen. | |
| Wobei man sich in Hannover ja auch mit dem Scheitern von städtebaulichen | |
| Visionen vom Reißbrett ganz gut auskennt: 1959 pries ein Spiegel-Titel „Das | |
| Wunder von Hannover“ – damals galt die aus Bombentrümmern neu errichtete | |
| City als Musterbeispiel für die moderne, „autogerechte Stadt“ – heute gi… | |
| sie als Problemfall. Dabei, sagt Alexander, habe Hannover nach dem Krieg | |
| den Fußgängern das Stadtzentrum ja überhaupt erst wiedergegeben. Vorher | |
| mussten sie es sich mit Straßenbahnen und Autos teilen. | |
| 21 Feb 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
| ## TAGS | |
| Stadtentwicklung | |
| Hannover | |
| Innenstadt | |
| Konsum | |
| Verkehrswende | |
| Hamburg | |
| Eimsbüttel | |
| Stadtplanung | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Initiative macht Pläne für Eimsbüttel: Spielen statt Parken | |
| Die Initiative Kurs Fahrradstadt möchte Teile des Hamburger Stadtteils | |
| Eimsbüttel fahrrad- und menschenfreundlicher machen. Vorbild ist Barcelona. | |
| Corona und die Stadt der Zukunft: Holt euch die Stadt zurück! | |
| Die Geschäfte in den Innenstädten haben Probleme: Gut so. Denn der Lockdown | |
| ermöglicht, darüber nachzudenken, was die City in Zukunft ausmachen soll. | |
| Wirtschaftshistoriker über Coronafolgen: „Die Konsumwelt wird flexibler“ | |
| Werden unsere Gewohnheiten durch die Pandemie nachhaltiger? Frank Trentmann | |
| bezweifelt das, sieht aber auch positive Entwicklungsmöglichkeiten. | |
| Metropolen und die Coronakrise: Was bleibt von der Stadt? | |
| In der Krise könnte man Stadtplanungsfehler korrigieren. Doch neue Ideen | |
| bringen mehr Segregation. Und Abo-Modelle könnten sich offline ausweiten. |