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# taz.de -- Hafenfirma erschwert Teilzeitarbeit: Verhaftet im System
> Eine Hafenarbeiterin und Mutter beim Hamburger Umschlagsbetrieb Eurokai
> kämpft um Teilzeitarbeit zur Kinderbetreuung. Firma fürchtet
> „Systembruch“.
Bild: Arbeitsplatz mit Aussicht: Fahrerkabine eines Van-Carriers zur Containeru…
Hamburg taz | Die Chefinnen der Gewerkschaft Ver.di fühlen sich in die
Vergangenheit zurückversetzt: Obwohl es seit 2001 einen gesetzlichen
[1][Anspruch auf Teilzeit] gibt, verwehrt der Hamburger
Container-Hafenbetrieb Eurokai seiner Van-Carrier-Fahrerin Heike R. das
[2][Recht auf Teilzeitarbeit]. „Was Heike R. bisher durchstehen musste, ist
für Ver.di-Hamburg ein empörendes, schikanöses Vorgehen, mit dem die
Kollegin vielleicht sogar zur Kündigung ihres Jobs als Van-Carrier-Fahrerin
veranlasst werden soll“, empört sich Ver.di-Vize-Landesleiterin Sieglinde
Frieß. Das Landesarbeitsgericht hat nun das Wort.
Heike R. arbeitet seit 2006 als Hafenarbeiterin bei Eurokai, der zur
[3][Bremer Eurogate-Gruppe] gehört und bislang unmittelbarer Konkurrent der
Hamburger Hafen und Lagerhausgesellschaft (HHLA) war. „Nach zwei Monaten
saß ich schon auf dem Van-Carrier“, erinnert sich Heike R. an ihren
Einstand auf dem Ungetüm.
Jahrelang beförderte sie im Drei-Schichtsystem – Früh-, Spät- und
Nachtschicht – mit ihren speziellen Portalhubwagen Container auf den
Kaianlagen, bis sie 2012 Mutter wurde und sich vorübergehend in die
Elternzeit verabschiedete. Auch danach war die Schichtarbeit zunächst
insofern kein Problem, als ihr Lebenspartner, der ebenfalls bei Eurogate
arbeitet, nach einem Unfall arbeitsunfähig war und die Kinderbetreuung
weitgehend übernehmen konnte.
Das änderte 2017 sich nach seiner Genesung, woraufhin Heike R. einen Antrag
auf Teilzeit in Form einer 24-Stundenwoche stellte. Ihre Arbeitszeit wollte
sie fortan in der Woche in vier Tagesschichten à sechs Stunden ableisten.
Doch das Unternehmen lehnte den Antrag ab, da es sich für Eurokai um einen
„Systembruch“ handele. Seither gibt es mit kurzzeitigen Unterbrechungen ein
ständiges Hin und Her.
## Gericht gab der Beschäftigten Recht
Im Juli vergangenen Jahres entschied das Arbeitsgericht, dass Eurokai
zuzumuten sei, R.s Antrag auf Teilzeitarbeit stattzugeben. Dem steht
allerdings eine Änderungskündigung von Eurogate entgegen, nach der Heike R.
ihre verkürzte Arbeitszeit im regulären Schichtdienst zu absolvieren habe.
Eurokai weist Vorwürfe der Gewerkschaft Ver.di zurück, wonach die
gesetzliche verankerte Teilzeit und das Gleichbehandlungsgebot missachtet
werde. „Eurogate gewährt allen Mitarbeiter*innen im Rahmen der
gesetzlichen Regelungen Teilzeit. Zwischen den Geschlechtern wird hierbei
nicht differenziert“, beteuert Unternehmenssprecher Steffen Leuthold.
In allen Bereichen, auch im Schichtbetrieb, in dem die
Van-Carrier-FahrerInnen arbeiten, werde viel Teilzeit von allen
Geschlechtern in Anspruch genommen. „Selbstverständlich kann auch Frau R.
ihre Arbeitszeit reduzieren, dem hat Eurogate auch zugestimmt und mehrere
Angebote unterbreitet“, sagt Leuthold.
In der Tat bot Eurokai Heike R. an, dass sie und ihr Partner bei Eurokai in
zeitlich entgegengesetzten Schichten arbeiten könnten, um so die
Kinderbetreuung zu gewährleisten. Das lehnte R. jedoch ab, da getrennte
Schichten bedeutet hätten, dass überhaupt kein Familienleben mehr hätte
stattfinden können.
Eurogate hingegen beharrt darauf, dass Teilzeit grundsätzlich zum
Schichtsystem passen müsse. Es sei zwar möglich, weniger ganze Schichten zu
arbeiten, eine Arbeit in Teilschichten komme jedoch nicht infrage, da dies
für Eurokai einem Systembruch und für Heike R. einer Bevorzugung
gleichkäme.
„Die Frühschicht ist die beliebteste Schicht“, sagt Leuthold. Ganze
Schichten seien für viele andere in Teilzeit arbeitende
Schichtarbeiter*innen bei Eurokai auch kein Problem, argumentiert der
Pressesprecher. „Hätte Eurogate einem individuellen Teilzeitantrag in
Teilschichten stattgegeben, müssten andere Kolleg*innen, die auch Eltern
sind, mehr Spät-, Nacht- und Wochenendschichten arbeiten, da im konkreten
Fall Teilschichten auch nur vormittags unter der Woche abgeleistet werden
sollten“, sagt Leuthold.
Ver.di kontert, es sei ein wichtiges Gut, dass nach vielen Jahren der
Auseinandersetzung endlich der [4][gesetzliche Anspruch auf Teilzeit]
erreicht wurde. Dieser Anspruch auf Teilzeitarbeit müsse ohne Wenn und Aber
in allen betrieblichen Bereichen umgesetzt werden – auch im gewerblichen.
„Es kann nicht sein, dass sich große Betriebe wie Eurogate dem entziehen
und damit immer noch das ‚alte Modell‘ des männlichen Ernährers
voraussetzen,“ kritisiert Frieß. Teilzeit und die damit verbundene
Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei auch in diesen Bereichen
realisierbar und möglich, „die Geschäftsführung sollte sich das
Gleichbehandlungsgesetz in Zukunft unter das Kopfkissen legen“, schimpft
Frieß. „Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen zur diskriminierungsfreien
Gestaltung der Arbeit – das gelte auch für Eurokai.“
## Sie sieht ihr Kind wochenlang nur kurz vor der Schule
Aufgrund des Änderungskündigung ist Heike R. zurzeit dazu verdonnert, eine
Woche in der Frühschicht und zwei Wochen lang in der Spätschicht zu
arbeiten, da sie aufgrund gesetzlicher Vorgaben als Mutter von der
Nachtschicht ausgenommen ist. „Das bedeutet, dass ich zwei Wochen lang
nicht vor 24 Uhr zu Hause bin und das Kind bestenfalls morgens eine Stunde
vor der Schule sehe“, berichtet sie.
Dass Eurogate auf 8,5 Stunden pro Schicht beharre, könne sie notfalls
akzeptieren, sagt R. Aber die ständige Spätarbeit sei mit der Erziehung
ihres Kindes nicht zu vereinbaren. Darüber muss nun das
Landesarbeitsgericht am 15. März in der Berufungsverhandlung gegen Eurokai
entscheiden.
„Schluss mit der Schikane gegen die Kollegin Heike R. und die sofortige
Rücknahme der Änderungskündigung“, fordert auch der Landesfrauenrat der
Gewerkschaft Ver.di in einer Resolution. „Das Recht auf Teilzeitarbeit im
Hafen würde nicht nur der Kollegin nützen, sondern auch Vätern, die im
Hafen arbeiten und sich für ihre Kinder verantwortlich fühlen“, sagt die
Frauenrats-Vorsitzende Karin Schönewolf.
„Das Beispiel Heike R. zeigt, wie tief die [5][strukturelle Diskriminierung
von Frauen und Eltern] trotz aller guten Vorsätze und gesetzlichen
Regelungen noch immer unsere Gesellschaft prägt“, konstatiert die
stellvertretende Ver.di-Landesbezirksleiterin Sandra Goldschmidt. „Deshalb
ist es um so wichtiger, dass wir solidarisch hinter jedem Einzelfall
stellen.“
15 Feb 2021
## LINKS
[1] /Mangel-an-Pflegekraeften-behebbar/!5745075
[2] https://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/arbeitsrecht/teilzeitarbeits…
[3] http://www.eurogate.de/
[4] https://www.verdi.de/service/fragen-antworten/++co++e41ad074-ab97-11e0-652e…
[5] /Optionszeiten-fuer-Arbeitnehmerinnen/!5676404
## AUTOREN
Kai von Appen
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