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# taz.de -- Streaming und die Zukunft des Kinos: Alles durch die Pipeline schic…
> Während die Kinos geschlossen bleiben, gewinnen Streamingdienste an
> Publikum. In der Akademie der Künste in Berlin wurde über die Folgen
> diskutiert.
Bild: Damals wurden Festivals noch in und vor den Kinos gefeiert: Eröffnung de…
Friseur müsste man dieser Tage sein. Für deren Geschäfte gibt es immerhin
die Aussicht, im März wieder öffnen zu können. Bei den Kinos sieht es
anders aus. Die Hoffnungen der Branche richten sich aktuell auf Ostern als
Ende der Zwangsschließungen. Zumindest zeigte sich Christine Berg,
Vorstandsvorsitzende des Hauptverbands Deutscher Filmtheater (HDF) Kino,
beim Akademiegespräch der Akademie der Künste in Berlin am Dienstag
vorsichtig optimistisch.
„Über Kinolandschaften und Streamingwelten“ lautete der Titel der
Podiumsrunde, die in Gestalt einer Videokonferenz online gestreamt wurde.
Allein die Präsidentin der Akademie, Jeanine Meerapfel, und der Moderator,
FAZ-Redakteur Andreas Kilb, saßen dabei am Pariser Platz im selben Raum.
Um sie herum gruppiert, waren die Köpfe der übrigen Beteiligten zu sehen.
Anblicke, die inzwischen längst normal wirken, obwohl sie es eben gerade
nicht sind.
Andreas Kilb erinnerte eingangs daran, dass die Streamingdienste, allen
voran Netflix, starken Zulauf haben, seit die Kinos schließen mussten. Zur
Verdeutlichung: Netflix verzeichnete im letzten Quartal 2020 mehr als 200
Millionen Nutzer, der Umsatz stieg auf 21 Milliarden Euro. Auch kleinere
Anbieter können sich über großes Interesse freuen. Darunter die Schweizer
Stiftung trigon-film, die als Verleih, DVD-Label und Onlineplattform vor
allem Produktionen aus Asien, Afrika und Lateinamerika betreut, Filme,
die es im Kino schon vor der Pandemie oft schwer hatten. Die aus der
Schweiz zugeschaltete Geschäftsführerin Meret Ruggle berichtete, der Server
ihrer Plattform sei nach den ersten Tagen des Lockdowns wegen Überlastung
vorübergehend zusammengebrochen.
Dass Filme und Serien derzeit durch Streamingdienste überhaupt ihr Publikum
finden, sah die Mehrheit des Podiums durchaus positiv. Die Autorin [1][Anna
Winger, die für ihre Serie „Unorthodox“ mit Netflix] zusammenarbeitete,
lobte das Unternehmen als guten Partner; es sei eine „Pipeline“ für
Inhalte. Selbst eine Serie in einer „Sprache ohne Land“ – „Unorthodox�…
zum Teil auf Jiddisch – könne so von Leuten auf der ganzen Welt gesehen
werden.
## Netflix ist nicht der Feind
Streaming eröffne auch Filmfestivals neue Möglichkeiten, so Christoph
Terhechte, der langjährige Leiter der Sektion Forum der Berlinale. Dass
deren Start pandemiehalber verschoben wurde, blieb in der Runde unerwähnt.
Letzten Herbst war Terhechte zum ersten Mal als Intendant für das
[2][Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig verantwortlich, das online
abgehalten] wurde. Den Festivals biete Streaming die Chance, Menschen an
anderen Orten zu erreichen, sofern dies nicht durch „Geoblocking“, die
regionale Begrenzung von Online-Inhalten, verhindert werde. Terhechte
warnte andererseits, dass die Coronapandemie eine ernste Gefahr für Kinos
und damit für Filmfestivals rund um die Welt darstelle. Denn wenn Kinos
pleitegingen, fehle den Festivals ihr Ort.
Der Staat habe daher die Aufgabe, die Kinos zu retten. Filmfestivals
ihrerseits müssten eng mit den Kinos am Ort zusammenarbeiten. Für die
Zukunft entwarf Terhechte die Idee von staatlichen Kulturhäusern mit Kinos,
die in der Lage seien, analoge 35-mm-Filme vorzuführen. Musealisierung als
Chance.
Den Staat sah auch Jeanine Meerapfel in der Pflicht. Es sei nicht zu
verstehen, warum Theater öffentlich subventioniert würden, Kinos aber
nicht. Zwar müssten größere Kinos stärker auf die Bedürfnisse junger
Menschen eingehen – welche, ließ sie offen –, für Arthouse-Kinos sei eine
Förderung zum Erhalt aber nötig. Wobei die Runde keinesfalls einen elitären
Kinobegriff vertrat. Zumal Blockbuster für die Kinos nötig sind, um zu
überleben, wie Jon Barrenechea vom Arthouse-Streamingdienst Mubi
erinnerte.
Als großen Gegner der Kinos sah die Streamingdienste in der gegenwärtigen
Lage im Übrigen niemand, vielmehr die Pandemie mit den damit einhergehenden
Restriktionen. Auch die soziale Rolle der Kinos sei in Gefahr, warnte Meret
Ruggle. Ohnehin hätten junge Menschen einen völlig anderen Begriff von
Kino; für sie seien Netflix und Kino dasselbe. Hingegen war Anna Winger
zuversichtlich, dass Menschen, die gern Filme streamen, ebenso gern ins
Kino gehen und das auch wieder tun würden, sobald sie wieder könnten. Ob
das für die nachwachsenden Generationen immer noch gilt, bleibt abzuwarten.
10 Feb 2021
## LINKS
[1] /Serie-Unorthodox-auf-Netflix/!5670815
[2] /Filmfestival-Dok-Leipzig/!5722682
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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