# taz.de -- Letzter freier Radiosender Klubrádió: Verstummt in Ungarn | |
> Der ungarische Radiosender Klubrádió verliert seine Lizenz, das bestätigt | |
> das Gericht am Dienstag. Es zeigt, wie die Regierung Medien kontrolliert. | |
Bild: András Arató, Intendant und Verwaltungsratschef des ungarische Radiosen… | |
Eine der letzten unabhängigen Stimmen in Ungarn, [1][der Sender Klubrádió], | |
wird Ende dieser Woche verstummen. Am Dienstag lehnte ein Gericht in der | |
Hauptstadt Budapest eine Verlängerung der Lizenz ab. Zur Begründung hieß | |
es, dass der Sender gegen zwei Strafen nicht in Berufung gegangen sei und | |
diese daher Rechtskraft erlangt hätten. Einige Beobachter kommentierten die | |
Entscheidung kurz und knapp: lächerlich. Dem Sender bleibt nun vorerst | |
nichts anderes übrig, als sein Programm ausschließlich im Internet | |
abzuspielen. | |
Klubrádió wurde 1999 und damit während der ersten Fidezs-Regierung unter | |
[2][Viktor Orbán] (1998–2002) gegründet. Bei der Parlamentswahl 2010 löste | |
Orbán die Sozialisten an der Regierung ab. Zu seinen ersten Amtshandlungen | |
gehörte auch die Verabschiedung neuer Mediengesetze, die unter anderem die | |
Schaffung eines „Medienrats“ vorsehen. Dieses fünfköpfige Gremium ist | |
ausschließlich mit Fidesz-Anhängern besetzt und unter anderem auch für die | |
Vergabe von Sendelizenzen zuständig. | |
Kurz darauf geriet auch Klubrádió ins Visier. Neben den üblichen Schikanen | |
wie Ausschluss von Pressekonferenzen, Boykott durch Regierungsstellen und | |
dem Verlust lokaler Lizenzen kam es zu mehreren Gerichtsverfahren. Obwohl | |
die Entscheidungen zugunsten von Klubrádió ausfielen, weigerte sich der | |
Medienrat, die im Februar 2011 ausgelaufene Lizenz um zwei weitere Jahre zu | |
verlängern. Nachdem Tausende Hörer*innen eine Unterstützerkampagne | |
gestartet hatten, wurde die Lizenz 2013 schließlich um weitere sieben Jahre | |
verlängert. | |
Doch im vergangenen September lehnte der Medienrat eine Verlängerung der | |
Lizenz erneut ab. Zur Begründung hieß es, Klubrádió habe sich mehrere | |
Verstöße gegen das Mediengesetz zuschulden kommen lassen, da es | |
Einschaltquoten zu spät gemeldet habe. | |
## Bieten mit Bibel und Regierung | |
Stattdessen wurde ein Bieterwettbewerb für die Lizenz eröffnet, um die sich | |
außer Klubrádió noch zwei Kandidaten bewarben – darunter ein Bibelradio. | |
Die beiden Mitkonkurrenten scheiterten jedoch an Formfehlern, aber einer | |
von ihnen, die regierungsnahe LBK (Medienanbieter 2020 GmbH) ging gegen die | |
Medienbehörde in Berufung. | |
Das aber könnte die Lizenzvergabe auf Jahre blockieren. Denn seit einer | |
Gesetzesänderung im vergangenen Jahr, die die Mehrheit der | |
Fidesz-Abgeordneten absegnete, können keine Lizenzen vergeben werden, | |
solange ein Bieterverfahren läuft. Versuche der Opposition, dieses Gesetz | |
zu kippen, scheiterten. Am vergangenen Donnerstag lehnte ein Budapester | |
Bezirksgericht es ab, Klubrádió zumindest vorläufig die Lizenz zu | |
verlängern. Für Orbán und seine Mannschaft hat das den schönen Nebeneffekt, | |
dass der aufsässige Sender bis nach der Parlamentswahl im April kommenden | |
Jahres kaltgestellt ist. | |
Die Causa Klubrádió ist nur ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, dass | |
der Aktionsradius für die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien in | |
Ungarn immer weiter eingeschränkt wird. 2018 wurden, unter tatkräftiger | |
Mithilfe von Orbán-freundlichen Oligarchen, rund 500 Medien in einer neu | |
geschaffenen Mitteleuropäischen Presse- und Medienstiftung (Kesma) | |
vereinigt. Deren Loyalität wird unter anderem mit Anzeigen der Regierung | |
erkauft. Kritische Medien werden finanziell ausgetrocknet, da potenzielle | |
Anzeigenkunden zu Techt Sanktionen befürchten müssen. | |
[3][„Reporter ohne Grenzen“ führt Ungarn auf ihrem Index für | |
Pressefreiheit] derzeit auf Platz 89 von 180. Schon Ende 2019 hatte die NGO | |
festgestellt, dass es in Ungarn einen Grad an Kontrolle der Regierung über | |
die Medien gebe, die in einem EU-Mitgliedsstaat beispiellos sei. Die | |
Organisation Media Freedom Rapid Response, die sich um die Belange von | |
Journalist*innen in EU-Ländern und Kandidatenländern kümmert, hat jetzt | |
die Europäische Kommission dazu aufgefordert, mit Ungarns Regierung eine | |
Lösung für Klubrádió zu suchen und den Sendebetrieb solange | |
sicherzustellen, bis über das Bieterverfahren juristisch entschieden ist. | |
Diese Forderung dürfte wohl folgenlos bleiben. | |
9 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Oppositionssender-in-Ungarn-abgeschaltet/!5104841 | |
[2] /Viktor-Orban/!t5010201 | |
[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglist… | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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