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# taz.de -- Wölfe in Brandenburg: Übers Ziel hinaus geschossen?
> Brandenburg ist das Bundesland mit den meisten Wölfen. Sogenannte
> Problemwölfe sollen künftig einfacher getötet werden können.
Bild: Unterwegs in der Schorfheide in Brandenburg
Berlin/Potsdam taz | Die Meldung war tagelang durch die Medien gegangen.
„Wölfe in Brandenburg sollen künftig einfacher getötet werden dürfen.“ …
so ist es nicht. Das erklärt auch, warum es bisher kaum Reaktionen
geschweige denn Proteste von Naturschutzverbänden gab. Keineswegs sei ein
Freifahrtschein für Wolfsabschüsse beschlossen worden, stellt Marie Neuwald
klar. Beim Nabu-Bundesverband ist Neuwald die Wolfsexpertin. So wie bisher
handele es sich bei Wolfsabschüssen um genehmigungspflichtige Einzelfälle.
Brandenburg ist in Deutschland das Bundesland mit den meisten Wölfen. Beim
letzten Monitoring zwischen Mai 2019 und April 2020 wurden laut Bundesamt
für Naturschutz 47 Wolfsrudel gezählt. Die Population wird auf 400 bis 600
Tiere geschätzt. Die Zahlen sind steigend. Manchmal kommt es vor, dass ein
Wolf in ein Gehege eindringt und Schafe oder Ziegen reißt. Wie mit Wölfen,
die das tun, umzugehen ist, ist in Paragraf 45a des
Bundesnaturschutzgesetzes geregelt.
Der Wolf steht europaweit unter strengem Schutz. Die Regeln des
Bundesnaturschutzgesetzes sind für alle Bundesländer bindend. Brandenburg
passt seine seit 2018 bestehende Wolfsverordnung nun an das Bundesgesetz
an. Dadurch wird es einfacher, sogenannte Problemwölfe zu töten.
Vor einer Woche, am 28. Januar, hatte die rot-schwarz-grüne
Regierungskoalition im brandenburgischen Landtag Umweltminister Axel Vogel
(Grüne) beauftragt, die bestehende Wolfsverordnung zu ändern. Vogel selbst
hatte die Änderung bei der Plenarsitzung mit deutlichen Worten befürwortet:
Wenn sich Wolfsübergriffe auf Weidetiere trotz Schutzmaßnahmen
wiederholten, „wird dieser Wolf auch entnommen werden“. Entnehmen bedeutet
töten. Wenn „die Übergriffe“ danach nicht aufhörten, so Vogel weiter, �…
auch der zweite und der dritte und vierte entnommen werden“. Für einen
Grünen sind das drastische Sätze. Man könnte sie durchaus so verstehen,
dass es den Rudeln in Brandenburg nun an den Kragen geht.
## Brandenburg ist voreilig
Das sei aber nicht so, sagt Nabu-Wolfsexpertin Neuwald. Sie habe die Rede
des Ministers verfolgt. Vogel habe klargestellt, dass es um Einzelfälle
gehe. „Für jeden Abschuss muss, so wie auch jetzt schon, eine
Ausnahmegenehmigung eingeholt werden.“ Es gebe Fälle, wo auch der Nabu
einen Abschuss für gerechtfertigt halte.
Aber Neuwald sagt auch: Über die im Sommer 2020 in Kraft getretene Reform
des Bundesnaturschutzgesetzes sei sehr heftig und kontrovers diskutiert
worden. Es sei fraglich, ob die nicht mehr auf einen konkreten Problemwolf
bezogene Regelung mit EU-Recht übereinstimme. Überprüft worden sei das noch
nicht. Deshalb, meint Neuwald, wäre es besser gewesen, wenn Brandenburg mit
der Reform seiner Wolfsverordnung bis dahin gewartet hätte. Im
Bundesnaturschutzgesetz, auch das betont Neuwald, stehe aber kein Wort
davon, dass Problemwölfe einfach so abgeschossen werden können. „Oberste
Prämisse ist und bleibt ein ordentlicher Herdenschutz.“
Herdenschutz bedeutet, dass ein Viehhalter mit geeigneten Maßnahmen, wie
Zäunen, versuchen muss, den Wolf von der Herde fernzuhalten. Nur wenn das
der Fall sei und der Wolf zuvor wiederholt den Zaun überwunden und Tiere
gerissen habe, so Neuwald, dürfe er abgeschossen werden. Wenn nicht sicher
sei, dass der getötete Wolf der Reißer war, müsse zunächst abgewartet
werden, ob die Risse weitergingen. „Das ist kein Automatismus, wie das zum
Teil von den Medien dargestellt wurde.“ Man dürfe sich das nicht so
vorstellen, dass innerhalb von wenigen Tagen ein ganzes Rudel abgeschossen
werden dürfe. Es seien Einzelfallentscheidungen, und für jeden Abschuss
müsse die zuständige Behörde zuvor eine Ausnahmegenehmigung erteilen.
## Beim Wolfsmanagement führend
In Sachen Wolfsmanagement gilt Brandenburg in der Bundesrepublik als
führend. Bei den Beratungen über das Wolfsmanagement habe das
Umweltministerium alle relevanten Gruppen an einen Tisch geholt, so
Neuwald.
Kein Bundesland tue so viel für den Herdenschutz wie Brandenburg, sagt auch
Eckhard Fuhr, Wolfsexperte des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV). Der ÖJV ist
unter den Jagdverbänden der Fortschrittliche. Das Land trage die vollen
Kosten für den Herdenschutz. Selbst das Futter für Herdenschutzhunde werde
vom Land Brandenburg übernommen. Von der Neuregelung der an das
Bundesnaturschutzgesetz angepassten Wolfsverordnung verspreche er sich mehr
Rechtssicherheit für die Viehhalter und die Jäger, sagt Fuhr. Momentan sei
es so, dass die Naturschutzverbände immer, wenn der Abschuss eines Wolfs im
Raum stehe, „reflexhaft“ die Gerichte anriefen. „Wenn es konkret wird, wi…
um jedes Wolfsleben gekämpft“. Das müsse aufhören.
Im Unterschied zum Nabu hat der BUND grundlegende Bedenken gegen die
geplante Reform der Wolfsverordnung geäußert. Aber wirklich protestiert hat
auch der BUND nicht. Man wolle abwarten, wie die Neufassung im Detail
aussehe. „Bis jetzt gibt es nur einen Landtagsabschluss“, sagt Axel
Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg zur taz. Das eigentliche
Problem sei Paragraf 45a des Bundesnaturschutzgesetzes. „Der ist
europarechtswidrig.“
Für den Nabu kündigte Marie Neuwald an, dass der Verband die Ausführung der
Verordnung genau verfolgen werde. Wenn sich abzeichnen sollte, dass die
Verordnung zum vermehrten Abschuss von Wölfen missbraucht werde, werde man
sofort intervenieren. Bislang sei es in Brandenburg aber noch nie der Fall
gewesen, dass ein Problemwolf abgeschossen wurde.
5 Feb 2021
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Brandenburg
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Tiere
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Tierschutz
Wolfsberater
Lesestück Recherche und Reportage
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