# taz.de -- Höchstes Holzhaus Deutschlands: Der ganze Kiez in einem Haus | |
> Am Anhalter Bahnhof entsteht das fast 100 Meter hohe WoHo. Das Vorhaben | |
> des Investors UTB ist auch ein städtebauliches und soziales Pilotprojekt. | |
Bild: Der Sockelbereich des WoHa in der Schöneberger Straße in Berlin-Kreuzbe… | |
BERLIN taz | Der ganze Kiez in einem Hochhaus, die Kreuzberger Mischung auf | |
vertikal gestellt: Was lange Zeit unmöglich schien, könnte unweit des | |
Anhalter Bahnhofs bald Wirklichkeit werden. Mit knapp hundert Metern Höhe | |
soll in der Schöneberger Straße das sogenannte WoHo entstehen, Deutschlands | |
größtes Wohnhochhaus aus Holz. | |
Seit Freitag steht fest, wie das Projekt der Superlative aussehen wird. Aus | |
einem Architekturwettbewerb ging das norwegische Büro [1][Mad arkitekter] | |
als Sieger hervor. Der 98 Meter hohe Turm mit 29 Geschossen ist mit seinen | |
Vorsprüngen ein echter Hingucker. Entsprechend erfreut zeigte sich | |
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher: „Ich bin glücklich, dass wir nach | |
langen und sehr intensiven Diskussionen zu einem so guten Ergebnis gekommen | |
sind.“ | |
Doch das WoHo ist nicht nur ein architektonisches, sondern auch ein | |
städtebauliches und soziales Ereignis. So ist im vier Meter hohen | |
Erdgeschoss nicht nur Platz für Bäcker, Cafés, Spätkauf und Werkstätten. | |
„In den weiteren Geschossen des Sockelbereichs sind Flächen für soziale und | |
öffentliche Funktionen untergebracht“, heißt es beim Bauträger UTB, | |
„darunter eine Kita und Hort mit Außenflächen auf den Dächern, Kiezkantine, | |
Jugendeinrichtungen, Indoor-Spielplatz, Ateliers sowie große | |
Familienwohnungen.“ Das Dachgeschoss des Turms soll öffentlich zugänglich | |
sein. | |
UTB-Geschäftsführer Thomas Bestgen hatte sein Projekt schon im Herbst 2019 | |
einmal scherzhaft den „Anti-Amazon“-Turm genannt, da sein Unternehmen nicht | |
auf den schnellen Profit schielt, sondern nachhaltig bauen will. | |
Tatsächlich sind von 18.000 Quadratmetern Nutzfläche 15 Prozent für die | |
soziale Infrastruktur vorgesehen, 25 Prozent für gewerbliche Einrichtungen | |
und 60 Prozent für das Wohnen. | |
Von den Wohnflächen wiederum entfallen ein Drittel auf mietpreisgebundene | |
Wohnungen, ein Drittel auf genossenschaftliches Wohnen und das letzte | |
Drittel auf privat finanzierte Eigentumswohnungen. | |
Doch wie ist das möglich? „Mit den Eigentumswohnungen werden die Sozial- | |
und Genossenschaftswohnungen querfinanziert“, erklärt UTB-Geschäftsführer | |
Bestgen der taz sein Finanzierungsmodell. Hinzu kommen die niedrigen | |
Zinsen. „Anders als konventionelle Investoren geben wir die niedrigen | |
Zinsen ohne Kapitalaufschläge direkt in die Projektfinanzierung“, so | |
Bestgen. | |
Ungewöhnlich ist auch die Verteilung der verschiedenen Wohnanteile. Während | |
andere Investoren gern die Sozialwohnungen in den unteren Geschossen und | |
die Eigentumswohnungen ganz oben ansiedeln, soll es im WoHo eine | |
Durchmischung „auch auf Etagenebene“ geben. Dazu gehören auch Wohnformen | |
für soziale Träger wie betreutes Wohnen von Jugendlichen und | |
Demenzerkrankten, aber auch Studentenstudios. | |
Der vertikale Kiez mit bezahlbaren Wohnungen und sozialen Projekten hat | |
auch den oft als investorenkritischen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg | |
überzeugt. „Das WoHo hat durch seinen Nutzungsmix das Potenzial, sozialen | |
Zusammenhalt und urbane Produktivität zu befördern“, freut sich der grüne | |
Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt. Schmidt spricht von einem „Pilotprojekt | |
mit Leuchtturmcharakter, das weit über Berlin hinaus ein Zeichen setzt, | |
dass der Umbau der Stadt hin zu einem sozialen und ökologischen | |
Paradigmenwechsel möglich ist“. | |
Um diesen „Leuchtturmcharakter“ zu realisieren, blieb der UTB allerdings | |
nur ein Weg – der in die Höhe. Normalerweise gelten Wohnhochhäuser nur bis | |
zu einer Höhe von 60 Meter als rentabel. Das weiß auch Bestgen. Der taz | |
sagt er: „Richtig ist, dass ab 60 Meter verschärfte Bauvorschriften | |
greifen, die erhöhte Baukosten nach sich ziehen.“ Für das WoHo gelte | |
deshalb: „Je höher, desto effizienter.“ Ein nur 70 Meter hohes Haus, so | |
Bestgen, „hätten wir nicht gebaut.“ | |
Für die Anwohner bedeutet das teilweise Verschattung. Die | |
Landschaftsarchitektin Sibylle Lacheta wohnt mit ihrem Mann im ehemaligen | |
IBA-Block gegenüber dem geplanten WoHa. „Wir haben immer wieder versucht, | |
unser Anliegen vorzubringen“, kritisiert Lacheta. „Doch der Investor | |
verwies auf den Bezirk, und beim Bezirk tat sich nichts.“ Erst im März 2020 | |
habe es eine Veranstaltung mit UTB-Chef Bestgen und Baustadtrat Schmidt | |
gegeben – ohne Ergebnis. „Seitdem der Senat seine Hochhausleitlinien | |
verabschiedet hat, können überall in der Stadt solche Türme gebaut werden“, | |
sagt Lacheta. Sie will nun auf der Sitzung der BVV am 10.2. noch einmal | |
auf die Schattenseiten des Vorhabens hinweisen, auch wenn sie weiß: | |
„Bestgen gilt überall als guter Investor.“ Es überwiegt aber die positive | |
Resonanz. Zu den Gratulanten an Mad arkitekter gehört der grüne | |
Baupolitiker Andreas Otto: „Mit dem WoHo bekommt Berlin ein herausragendes | |
Projekt nachhaltiger Architektur und ein Modellprojekt für Bauen im | |
Klimawandel“, freut er sich. Das Projekt sei aber ein Meilenstein für das | |
Bauen mit Holz. „Dieses Leuchtturmprojekt wird allen Bauherrinnen in Berlin | |
und darüber hinaus zeigen, wie Klimaschutz und Neubau zusammenpassen.“ | |
Mit dem Entwurf des norwegischen Architektenbüros ist nun die Grundlage für | |
die Schaffung von Baurecht gelegt. Allerdings wird es noch etwa zwei Jahre | |
dauern, bis der Bebauungsplan tatsächlich festgelegt ist, mahnt Baustadtrat | |
Florian Schmidt zur Geduld. | |
31 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://utb-berlin.de/mad-arkitekter-gewinnt-den-realisierungswettbewerb-fu… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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