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# taz.de -- BGH-Urteil Demente im Pflegeheim: Immer mit Fenstersturz rechnen
> Demente Menschen handeln oft unkalkulierbar. Sie dürfen daher nicht in
> Zimmern mit leicht zu öffnenden Fenstern untergebracht werden, so der
> BGH.
Bild: Demente BewohnerInnen dürfen nicht in Zimmern mit leicht zu öffnenden F…
Karlsruhe taz | Pflegeheime müssen demente BewohnerInnen mit
Selbstgefährdungsneigung davor bewahren, dass sie aus dem Fenster steigen.
Dies stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) fest. Die Witwe eines
dementen Mannes, der nach einem Fenstersturz starb, kann jetzt auf
Schmerzensgeld hoffen.
Im konkreten Fall war ein 1950 geborener Mann seit Februar 2014 in einem
[1][Pflegeheim] in Nordrhein-Westfalen untergebracht. Sein Zimmer lag im 3.
Obergeschoss. Nach fünf Monaten stieg er durch ein nicht gesichertes
Dachfenster, stürzte ab und starb an den Verletzungen.
Seine Witwe verlangte von dem Heim 50.000 Euro Schmerzensgeld. Der demente
Mann, der unter Unruhezuständen, Lauftendenz und Desorientierung litt,
hätte viel besser geschützt werden müssen, argumentierte sie. Die Gefahr
eines Fenstersturzes habe sich aufgedrängt, weil man über einen Heizkörper
und eine Fensterbank geradezu stufenartig zur Fensteröffnung kommen konnte.
Bei den Gerichten in Nordrhein-Westfalen hatte die Frau keinen Erfolg. Das
Heim habe keine Pflicht gehabt, die Fenster besonders zu sichern, entschied
das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im November 2019. Da der unruhige Mann das
Zimmer über die Tür jederzeit verlassen konnte, musste das Heim nicht damit
rechnen, dass er aus dem Fenster klettern werde. Der Fenstersturz gehöre
daher zur alltäglichen Risikosphäre des Bewohners. Es habe vorab keine
Hinweise auf diese Gefahr gegeben.
## Goodbye offene Fenster?
Beim BGH hatte die Frau nun aber mehr Erfolg. Zwar müsse die Würde und die
Selbstbestimmung der Heimbewohner gewahrt bleiben, dennoch hätte das Heim
mehr tun müssen, die Bewohner vor Gefahren zu schützen, die sie nicht
beherrschen, so die Karlsruher RichterInnen. Der demente Mann sei zum
Beispiel erstaunlich beweglich gewesen und immer wieder aus seinem Gehwagen
herausgeklettert.
Was ein Heim konkret tun muss, hänge von den Umständen des jeweiligen
Einzelfalls ab, betonte der Vorsitzende BGH-Richter Ulrich Herrmann.
Allerdings habe der Heimträger auch Sicherungspflichten gegen Gefahren,
deren Verwirklichung zwar nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders
schweren Folgen führen kann. Dies habe das OLG Hamm übersehen, kritisierte
nun der BGH.
Ein Mensch mit [2][Demenz], bei dem unkontrollierte und unkalkulierbare
Handlungen jederzeit möglich scheinen, dürfe nicht in einem
Obergeschoss-Wohnraum mit einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht
werden, so der BGH.
Das OLG Hamm muss nun erneut über den Fall entscheiden. Seine bisherige
Abwägung sei unvollständig und damit fehlerhaft gewesen, kritisierte der
BGH. Das Karlsruher Urteil wird nun vermutlich dazu führen, dass
vorsichtige Heimbetreiber das Öffnen von Fenstern in Pflegeheimen generell
verhindern.
14 Jan 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Alten- und Pflegeheime
Demenz
Gerichtsurteil
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Alzheimer
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