| # taz.de -- HipHop-Label von und für Frauen: Mehr Flair, weniger Slot | |
| > Lina Burghausen leitet 365XX, das erste HipHop-Label, das ausschließlich | |
| > Künstlerinnen herausbringt. Das Debüt von Die P klingt vielversprechend. | |
| Bild: Lina Burghausen im Berliner Plattenladen HHV | |
| Eigentlich will Lina Burghausen gar nicht über biologische Geschlechter | |
| reden. Dabei spielt das Geschlecht die entscheidende Rolle in ihrem Job. | |
| Schließlich hat die 30-Jährige mit 365XX das erste All-female-HipHop-Label | |
| der Welt gegründet – als Sublabel des unabhängigen Hamburger Vertriebs Play | |
| It Again Sam (PIAS). „Ich würde gerne in einer Welt leben, in der wir über | |
| Gender nicht mehr reden müssen und in der klar ist, dass Gender nicht | |
| männlich-weiblich ist, sondern dass es da unendlich viele Variablen und | |
| Definitionen gibt“, sagt Burghausen. | |
| Auch Transpersonen und nichtbinäre Menschen sollen auf ihrem Label | |
| veröffentlichen. Bis dahin dauert es aber noch. „Ich will gerne einen | |
| Anteil dazu leisten, dass dieser Weg gegangen wird. Und dass Wandel eben | |
| von innerhalb der Musikindustrie ausgeht.“ | |
| Burghausen promotet mit ihrer PR-Agentur Mona Lina seit 2013 Künstlerinnen | |
| und Künstler im HipHop-Genre. Viel Aufmerksamkeit bekam die Leipzigerin | |
| auch für ihren Blog [1][365FemaleMCs], auf dem sie jeweils täglich eine | |
| Rapperin und Produzentinnen vorstellte, inzwischen sind fast 700 | |
| Künstlerinnen porträtiert. | |
| ## Beef mit Fler | |
| Die Idee dazu kam ihr nach einem Zwiegespräch mit dem Berliner Rapper Fler | |
| beim Reeperbahnfestival in Hamburg, als der Star die Meinung vertrat, es | |
| gebe deswegen so wenige Rapperinnen, weil [2][Frauen halt nicht so gut | |
| rappen könnten]. Dem musste Burghausen heftig widersprechen. Sie erklärte, | |
| dass der Mangel an Rapperinnen an strukturellen Problemen liegt. | |
| Um die Vielfalt an Rapperinnen auch jenseits von USA und Europa zu zeigen, | |
| rief sie ihren Blog ins Leben, der weitaus mehr Interesse weckte, als sie | |
| erwartet hatte – die Kunde drang bis zum Hamburger Vertrieb PIAS vor, der | |
| nun mit ihr zusammenarbeitet. Das erste Signing auf 365XX ist die Bonner | |
| Künstlerin Die P. Die afrodeutsche Rapperin klingt nach den [3][wilden | |
| Beats der Neunziger], aus jener Ära wurde sie von Eminem und dem | |
| Wu-Tang-Clan inspiriert. In ihrem eigenen Stil trägt Die P selbstbewusste | |
| Texte vor, den gelegentlichen Diss und Gesellschaftskritik inbegriffen: | |
| „Die P ist krasser als die meisten Rapper, die du kennst.“ Ihre EP „Tape�… | |
| erschienen im vergangenen Mai, war auch die allererste Veröffentlichung auf | |
| 365XX, ihr Debütalbum „3,14“ erscheint in wenigen Wochen, Mitte März. | |
| Dass man eine Frau sein muss oder zumindest kein Mann sein darf, um auf | |
| 365XX Musik zu veröffentlichen, wird in der HipHopszene auch kritisiert: | |
| Dieses Alleinstellungsmerkmal separiere, anstatt dafür zu sorgen, dass | |
| Musikerinnen selbstverständlich in einem männlich dominierten Musikmarkt | |
| stattfinden, sagen manche. | |
| ## Fehlende Entfaltungsmöglichkeiten | |
| „Ich kann diese Kritik ein Stück weit verstehen“, erklärt Burghausen, „… | |
| das Problem ist, dass viele Rapperinnen, die bei einem HipHop-Label unter | |
| Vertrag stehen, nicht die Entfaltungsmöglichkeiten erleben, wie ich sie mir | |
| wünsche.“ Zahlreiche Rapperinen hätten ihr immer wieder erzählt, dass sie | |
| von Labels und Bookingagenturen hören mussten: Wir haben schon eine | |
| Künstlerin. „Der Slot Frau sei schon besetzt“, beschreibt Burghausen diese | |
| Haltung. | |
| Außerdem werde von Rapperinnen erwartet, sich auf eine bestimmte, | |
| stereotype Weise zu präsentieren, nicht nur musikalisch, sondern auch | |
| optisch. „Das erleben Männer in meiner Wahrnehmung nicht so stark“, meint | |
| Burghausen, „wenngleich an [4][Rapper] auch gewisse Erwartungen | |
| herangetragen werden.“ Bei ihrem Label spielt nach dem | |
| Einstellungskriterium das Geschlecht keine Rolle mehr, sondern nur noch die | |
| Musik zählt. | |
| „Sobald ich mit Musikerinnen arbeite, ist es völlig egal, dass sie Frauen | |
| sind“, sagt Burghausen, „dann geht es darum, ihre Musik und ihre Vision | |
| cool umzusetzen.“ Rapperin Die P zum Beispiel hat gar keine Lust, über ihr | |
| Geschlecht zu reden. Wenn jemand mit ihr über die Rolle der Frau im HipHop | |
| sprechen will, sagt sie: Ich will über meine Musik reden. | |
| ## Mehr Sichtbarkeit, mehr Solidarität | |
| In den letzten Jahren hat sich durchaus etwas getan in Sachen Emanzipation | |
| in der Musikbranche und selbst im HipHop, der oft noch ein bisschen toxisch | |
| männlicher anmutet als andere Genres: Es gibt mehr Sichtbarkeit für | |
| Rapperinnen, mehr Aufmerksamkeit für das Thema Gleichberechtigung und auch | |
| mehr Awareness dafür, dass es die Rapperinnen auch auf die (hoffentlich | |
| bald wieder zugänglichen) Bühnen schaffen. „Ich erlebe auch mehr | |
| Zusammenarbeit“, sagt Burghausen. Mehr Kollaborationen, mehr Features, mehr | |
| Solidarität untereinander. | |
| Dafür ist Lina Burghausens Label 365XX explizit da. Seine Arbeit steht zwar | |
| noch ganz am Anfang und durch die Pandemie ist es im Zeitplan etwas | |
| zurückgeworfen worden, aber es geht langsam los: Ende Januar will sie ihre | |
| zweite Künstlerin bekanntgeben. „Deren Musik und Stil werden auf jeden Fall | |
| ganz anders sein als das, was Die P macht“, verspricht sie. Und dann dürfte | |
| sie ihrem Ziel Schritt für Schritt näherkommen: „Ich möchte gerne die | |
| Musikindustrie von innen heraus verändern.“ | |
| 10 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.365femalemcs.com/ | |
| [2] /Neues-Album-Influencer-von-Haiyti/!5734271 | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=Hgculw2gTas | |
| [4] /Portraet-des-Rappers-Mach-Hommy/!5648733 | |
| ## AUTOREN | |
| Juliane Streich | |
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