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# taz.de -- Debüt von Poptalent Zoe Wees: Die Qual mit der Angst
> Alarm auf Tiktok, Youtube und Instagram: Die Hamburger Künstlerin Zoe
> Wees veröffentlicht ihr balladeskes Debüt „Golden Wings“.
Bild: Steht über den Dingen: Zoe Wees
Während die Coronakrise für viele Musiker:innen eine Phase der
Existenzängste war, markiert sie für das 18-jährige Talent Zoe Wees
ausgerechnet den Zeitpunkt seines Durchbruchs. Die gebürtige Hamburgerin
wurde mit nur einer Single weltberühmt. Pünktlich zum ersten Lockdown in
Deutschland veröffentlichte Zoe Wees „Control“, einen Song, der allein bei
Spotify über 150 Millionen Mal gestreamt und in sieben Ländern Goldstatus
erhielt.
Es folgten Auftritte in US-Latenight-TV-Shows wie der von Jimmy Kimmel. Als
von [1][Spotify] ausgewählte „Künstlerin des Monats“ flackert ihr Bild
momentan über die Reklametafeln am New Yorker Times Square. Natürlich in
ihrem charakteristischen Look mit langen geflochtenen Zöpfen und in
sportlichen Oversize-Klamotten. Während die Coronamaßnahmen allmählich
runtergefahren werden, scheinen Konzerte in naher Zukunft wieder
realistisch zu sein; und nun veröffentlicht die junge Hanseatin auch noch
ihr Debüt.
Auf „Golden Wings“ sind fünf Popballaden zu hören, die sich in ihrer
Klangsignatur ähneln. Stets begleitet von Klavier und Gitarre, setzt
pünktlich zum Refrain der Beat ein, der aus den düsteren Stücken doch noch
tanzbare Hits formt. Man darf ruhig sagen, dass Zoe Wees ganz genau weiß,
wie Hymnen funktionieren.
## Tiefe, rauchige Stimme
Den Auftakt bestreitet ihr Über-Hit „Control“. Eine Klavierballade, in der
die Künstlerin mit tiefer und rauchiger Stimme in akzentfreiem Englisch von
ihrer Angst singt. Eine Angst, die sich im Brustkorb festkrallt, und bei
der die Vortragende fürchtet, die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren.
„Tryin’ to breathe in and out but the air gets caught“.
In ihrer Kindheit musste sich Wees mit der [2][„Rolando-Epilepsie“]
herumschlagen, einer Erkrankung, die Taubheitsgefühle im Gesicht
verursacht, Verkrampfungen und Zuckungen auslöst. Die Epilepsie hat Wees
mittlerweile überwunden – doch Angst vor einer möglichen nächsten Attacke
ist ihr geblieben. Darüber zu texten und zu singen stellt für die
Künstlerin laut eigener Aussage eine Art Therapie dar – und das hört man
ihrer Musik auch an. Sie klingt in ihren Songs kraftvoll und entschlossen.
## Tochter alleinerziehender Mutter in Hamburg-Dulsberg
Aufgewachsen bei einer alleinerziehenden Mutter in [3][Hamburg-Dulsberg],
hat sie schon als 14-Jährige an der Sat1-Show „Voice of Kids“ teilgenommen.
Obwohl Gast-Juror Ed Sheeran von ihr begeistert war, musste Wees nach der
dritten Casting-Runde gehen. Im Nachhinein vielleicht sogar ein Segen:
Berühmt werden durch Castingshows, das funktioniert in Deutschland in der
Regel nicht.
Zoe Wees wurde bekannt, wie junge Menschen heute eben bekannt werden, durch
Tiktok, Youtube und Instagram. Dort veröffentlichte sie zuerst
Coverversionen von Billie-Eilish- und Leonard-Cohen-Songs. Ihre erste
Eigenkomposition wurde vor allem bei Tiktok gefeiert und katapultierte sie
auf die Playlists der großen Streamingdienste.
In ihren Songs gibt Wees dann allerdings zu erkennen, dass soziale Medien
für sie nicht nur Mittel zum Ruhm sind, sondern auch eine Qual. Umgeben von
Perfektion und noch immer geltendenen Schönheitsnormen, üben Instagram und
Co gefährlichen Druck gerade für Teenager aus. In ihrer zweiten Single,
„Girls Like Us“, will die Schwarze Nachwuchskünstlerin jungen Frauen diese
Sorge nehmen und singt von ihren eigenen Zweifeln: „Mirror, mirror on the
wall, I don’t see beautiful“. Lyrics, die an US-Popstar Lizzo erinnern,
obwohl musikalisch nicht viele Überschneidungen festzustellen sind.
Balladen schienen in den letzten Jahren fast komplett aus den Charts
verschwunden zu sein, Zoe Wees bringt sie jetzt wieder zurück – in einer
düsteren Fassung. Gerade in die Songs „Hold Me Like You Used To“ und
„Ghost“ kratzt die Musik mit ihren emotionalen Themen und
Streicherarrangements im Hintergrund manchmal gefährlich am Kitsch. Doch
Wees fängt das nicht nur mit ihrer markanten Stimme und einsetzenden Beats
wieder auf, sondern auch mit ihrer Glaubwürdigkeit.
Denn die 18-Jährige zeigt sich in ihren Songs immer verletzlich. Neben
ihrer Krankheit und ihrem Körper, der ihr nicht gefällt, singt Wees von dem
Gefühl, nicht dazuzugehören, von Verlust- und Bindungsängsten. Typische
Coming-of-Age-Narrative, die sie an Menschen richten möchte, die nicht
dazugehören. Außenseiter:innen, Einsame und chronisch Kranke – und wird
damit am Ende zu einer Musikerin für alle. Ob sich dieses Gefühl auch auf
die großen Bühnen übertragen lässt, werden hoffentlich die kommenden Monate
zeigen.
28 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
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