# taz.de -- Linke Online-Zeitung wird eingestellt: Die Faust zum Abschiedsgruße | |
> Die Online-Zeitung „Trend-Info-Partisan“ versammelte 25 Jahre lang so | |
> konträre wie disparate linke Positionen. Nun wird sie eingestellt. | |
Bild: Alte Symbolik, immer noch aktuell: der Arbeitergruß | |
Berlin taz | Zum Markenzeichen der Online-Zeitung Trend-Info-Partisan | |
gehört es, dass dort seit 25 Jahren Texte und Diskussionsbeiträge | |
nebeneinanderstehen können, die in anderen Foren zu heftigen | |
Auseinandersetzungen geführt hätten: Da finden sich parteikommunistische | |
neben anarchistischen Positionen, israelsolidarische Beiträge neben | |
antizionistischen Texten. Leser*innen finden eine Meldung aus dem | |
libertären A-Info neben Dokumentationen aus der Roten Fahne und dem Roten | |
Morgen – zwei Publikationen, die bis heute wenig [1][Abstand zu Stalin] | |
pflegen. In der aktuellen Ausgabe von Trend-Info-Partisan sind diese so | |
unterschiedlichen Medien gemeinsam unter der Rubrik „Blick in die linken | |
Medien“ einsortiert. | |
Ab Februar 2021 wird diese Onlinezeitung mit den so desperaten linken | |
Positionen Geschichte sein. Karl-Heinz Schubert, der die Online-Zeitung vor | |
25 Jahres mitbegründete, macht nicht mehr weiter – und mit ihm stirbt auch | |
das Projekt. | |
Entstanden ist Trend-Info-Partisan durch eine Handvoll Kreuzberger | |
Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die in der | |
68er-Bewegung aktiv waren. Sie hatten zunächst unter dem Titel Trend ein | |
gedrucktes Heft herausgegeben, das im Stil vieler linker Publikationen | |
jener Jahre layoutet wurde. Weil sich die Trend-Macher*innen ihre | |
politische Linie nicht vom Vorstand der Gewerkschaft vorschreiben lassen | |
wollten, ließ der Kreuzberger GEW-Vorstand eine Ausgabe einstampfen und | |
strich der Redaktion die finanziellen Mittel. | |
Doch die Autor*nnen erkannten schon damals das Potenzial des Internets: | |
Sie wollten weiter ein linkes Magazin machen und schlossen sich „dem großen | |
Treck in den Cyberspace an“, beschrieb der Medientheoretiker Tilman | |
Baumgärtel einmal die Entscheidung der vier Westberliner GEW-Mitglieder im | |
Online-Magazin Telepolis. | |
## Wichtig für Westberliner Linke | |
Vorbilder für die kleine Gruppe waren zwei Medien, die in der | |
außerparlamentarischen Linken Westberlins eine wichtige Rolle spielen: die | |
libertäre 883, vollständig im Trend-Archiv dokumentiert, und die | |
kommunistisch orientierte Rote Pressekonferenz (RPF). | |
25 Jahre später ist von den Trend-Gründer*innen der ersten Stunde nur noch | |
Karl-Heinz Schubert übrig geblieben. Der mittlerweile pensionierte | |
Berufsschullehrer Schubert hatte in den letzten Jahren nicht nur die | |
regelmäßig aktualisierte Online-Zeitung verantwortet. Immer wieder startete | |
er auch Diskussionsforen wie die Trend-Nachtgespräche, in denen die | |
politisch so konträren linken Positionen vorgestellt und diskutiert wurden. | |
Er fand damit in unterschiedlichen politischen Spektren Unterstützung. | |
„1996 schaffte ich mir erstmals einen Computer an, und die erste linke | |
Internetseite, die ich entdeckte, war die Trend-Onlinezeitung. Das klang | |
ziemlich marxistisch und ich hatte meine Vorbehalte aus der DDR“, erinnert | |
sich die langjährige Aktivistin Anne Seeck gegenüber der taz. | |
Auf einem Anarchiekongress bekam sie den Tipp, bei Trend-Online Artikel zu | |
veröffentlichen. Seeck publizierte mehrere Jahre regelmäßig für die | |
Online-Plattform. Auch heute noch hält sie das Trend-Archiv für eine | |
wichtige Fundgrube, aus der sie sich als DDR-sozialisierte Linke über die | |
Geschichte der außerparlamentarischen Opposition informieren kann. „Nicht | |
nur als AutorIn, sondern auch als LeserIn habe ich Trend geschätzt“, sagt | |
auch die feministische Bloggerin Detlef Georgia Schulze gegenüber der taz. | |
Ein Grund für den hohen „Gebrauchswert“ von Trend sieht Schulze in den von | |
der Redaktion zusammengestellten Schwerpunkten zu aktuellen Ereignissen und | |
Debatten, in denen die Stellungnahmen von unterschiedlichen Gruppen und | |
Spektren umfassend gesammelt und dokumentiert wurden. Zudem hat Schubert | |
auch einen Fundus historischer Dokumente über die [2][Linke nach 1968] | |
digitalisiert und auf die Domain Partisan.net gestellt. | |
Ab Februar 2021 wird die Trend-Onlinezeitung gemeinsam mit der Domain | |
Infopartisan und ihren Archiven unter den Titel „Archive für linke Politik“ | |
weiter bestehen. Alle bisherigen URLs blieben erhalten, kündigte Schubert | |
an. Freuen wird das auch manche Forscher*innen der linken Geschichte. In | |
zahlreichen Büchern der letzten Jahre, die sich aus soziologischer oder | |
historischer Perspektive mit der Geschichte der Linken ab 1968 befassen, | |
ist partisan.net schon längst zu einer wichtigen Quelle geworden | |
„Vielleicht gibt es Menschen, die einen neuen Trend herausgeben, der dann | |
mehr die Lesegewohnheiten der jüngeren Generation anspricht“, verabschiedet | |
sich Schubert durchaus hoffnungsvoll von seinem langjährigen Projekt. | |
21 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Nadeschda-Mandelstams-Erinnerungen/!5730864 | |
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## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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