# taz.de -- Streit um Rohstoffförderung: Erdöl günstig zu haben | |
> Niedersachsens Landesregierung will die Förderabgaben für Öl und Erdgas | |
> stark senken. Linke und Grüne sprechen von Kniefall vor den | |
> Energiekonzernen. | |
Bild: Darf's ein bisschen mehr Erdöl sein: Exxon-Fördersonde in Niedersachsen | |
Hamburg taz | Für Exxon, Shell und andere klingt es gut: Die [1][Abgaben, | |
die Energiekonzerne für die Förderung von Öl und Gas in Niedersachsen | |
bezahlen müssen], sollen um die Hälfte bis zwei Drittel sinken. Einer | |
entsprechenden [2][Vorlage der Landesregierung] hat jetzt der | |
Haushaltsausschuss mit den Stimmen von CDU und SPD zugestimmt. Sie wollen | |
damit verhindern, dass das Land einen Prozess gegen die Energiekonzerne | |
verliert, was viel Geld kosten könnte. Die oppositionellen Grünen und | |
Linken kritisierten den Beschluss scharf. | |
Im Feuer stehen bei dem Streit Hunderte Millionen Euro. Die Senkung der | |
Abgabe könnte für die Jahre 2020 bis 2030 Mindereinnahmen von bis zu 250 | |
Millionen Euro im Landeshaushalt bedeuten, warnen die Grünen. „Statt die | |
Energiewende voranzutreiben, plant die Große Koalition neue | |
Millionensubventionen für Exxon, Shell und einen Öl-Trust“, schimpft die | |
[3][Landtagsabgeordnete Imke Byl]. Dass der Förderzins mal eben auf | |
Dumping-Niveau abgesenkt werden solle, konterkariere jedes vollmundige | |
Klimaschutzversprechen der schwarz-roten Koalition. | |
Mit Dumping-Niveau meint Byl den Förderzins von 10 Prozent auf den | |
Marktwert, der im [4][Bundesberggesetz] vorgesehen ist. Die Länder können | |
davon unter [5][bestimmten Voraussetzungen] abweichen, etwa zur | |
Verbesserung der Ausnutzung von Lagerstätten oder zum Schutz sonstiger | |
volkswirtschaftlicher Belange. | |
„Rein fiskalische Zwecke, die allein auf die mit der Erhebung einer Abgabe | |
ohnehin verbundene Steigerung der staatlichen Einnahmen abzielen“, fielen | |
darunter nicht, hat das [6][Bundesverwaltungsgericht Ende 2018 geurteilt]. | |
Das Gericht bestätigte damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts | |
Mecklenburg-Vorpommern gegen die Aufschläge der dortigen Landesregierung | |
auf die im Bundesberggesetz vorgesehen zehn Prozent. | |
## Regierung fürchtet Rechtsstreit | |
Angesichts dieses Urteils sah sich die niedersächsische Landesregierung | |
Mitte vergangenen Jahres mit „mehreren, aber noch nicht konkret begründeten | |
Klagen, Widersprüchen und Abänderungsanträgen“ konfrontiert. In einer | |
Antwort an den FDP-Abgeordneten Christian Grascha verteidigte sie ihre | |
[7][Förderabgabenverordnung] jedoch als rechtens. | |
Inzwischen sind die Zweifel aber so groß, dass sie sich zu einem Vergleich | |
mit der Förderindustrie entschlossen hat. Dieser sieht vor, dass die | |
Unternehmen auf etwaige Rückzahlungsansprüche aus den Jahren 2013 bis 2018 | |
verzichten. Im Gegenzug verzichtet die Landesregierung 2020 ganz auf | |
Einnahmen, gibt 2021 einen Rabatt und garantiert, bis 2030 nur zehn Prozent | |
oder weniger zu fordern. | |
Der Vergleich tue nicht not und diene bloß dazu, „noch den letzten Tropfen | |
der fossilen Rohstoffe aus dem Boden zu pressen“, kritisiert Byl von den | |
Grünen. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe klargestellt, dass | |
Mecklenburg-Vorpommern seine Abweichungen zu schlecht begründet habe. „Das | |
Urteil ist keineswegs auf Niedersachsen übertragbar“, sagt Byl. | |
Die Landesregierung habe sich juristisch beraten lassen und sei zu dem | |
Schluss gekommen, dass das Risiko, es auf einen Prozess ankommen zu lassen, | |
zu hoch sei, sagt Christos Pantazis, der stellvertretende | |
SPD-Fraktionsvorsitzende. Sollte das Land gegen die Energiekonzerne | |
verlieren, könnten rund eine Milliarde Euro an Rückzahlungen fällig werden | |
– wesentlich mehr als die bis zu 250 Millionen Euro, auf die das Land in | |
den kommenden zehn Jahren verzichte. „Aus Sicht des Landes ist diese | |
Einigung zweckmäßig und wirtschaftlich“, findet Pantazis. | |
Tatsächlich enthält auch die [8][niedersächsische Verordnung] nur Angaben | |
über die Höhe des Förderzinses – 18 Prozent beim Erdöl, 27 Prozent beim | |
Erdgas –, die Bemessungsgrundlage und Ausnahmen. Sie begründet aber nicht, | |
warum das Land vom Prozentsatz des Bundesberggesetzes abweicht. | |
20 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Erhoehter-Foerderzins/!5017354 | |
[2] https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/index.php?id=3178&rid=t_15… | |
[3] https://imke-byl.de/presse/meldung/imke-byl-fuer-den-klimaschutz-muss-der-e… | |
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/bbergg/ | |
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/bbergg/__32.html | |
[6] https://www.bverwg.de/211218B7BN3.18.0 | |
[7] http://www.voris.niedersachsen.de/jportal/portal/t/10ix/page/bsvorisprod.ps… | |
[8] http://xn--Niederschsische%20Verordnung%20ber%20die%20Feldes-%20und%20die%2… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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