Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Förderabgabe in Niedersachsen: „Dreckiger Deal“ mit …
> Grüne und FDP werfen der niedersächsischen Regierung vor, sich von der
> Öl- und Gasförderindustrie über den Tisch ziehen zu lassen.
Bild: Vor dem Landtag gab es Proteste gegen die Senkung der Abgabe
Hannover taz | Wenn selbst der Ex-Wirtschaftsminister von der FDP, Jörg
Bode, von einem „dreckigen Deal“ spricht, sollte man wohl hellhörig werden.
Seit mehr als einer Woche [1][laufen die Grünen], Fridays for Future und
die Bürgerinitiative „NoMoorGas“ Sturm gegen Pläne der niedersächsischen
Landesregierung. Die will die Förderabgabe für Erdöl und Erdgas radikal
kürzen. Und das stört nun eben auch die FDP.
Auf rund eine Viertelmilliarde Euro will das Land bis 2030 verzichten –
wenn man die eher niedrig angesetzten Kalkulationen des
Wirtschaftsministeriums zugrunde legt. Tatsächlich dürfte es noch sehr viel
mehr sein, behauptet Bode. Von einem Kniefall, einem Geschenk für die Öl-
und Gasindustrie spricht die empörte Grünen-Fraktion. Völlig unzeitgemäß
angesichts der Klimakrise, sagen die Aktivist*innen von Fridays for
Future.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 2018, das
sich mit einem Urteil aus Mecklenburg-Vorpommern zu befassen hatte. Dort
klagte eine Ölbohrfirma, nachdem das Land die Abgabe verdoppelt hatte, und
bekam recht: Mecklenburg-Vorpommern hätte die Erhöhung nicht mit einer rein
fiskalischen Begründung ansetzen dürfen.
Das Bundesbergbaugesetz legt eine Mindestabgabe von zehn Prozent des
Marktpreises fest, gibt den Ländern aber die Möglichkeit, bis zu 40 Prozent
zu fordern – wenn dieser Forderung substanzielle volkswirtschaftliche
Abwägungen zugrunde liegen und nicht bloß die Tatsache, dass man halt mehr
Geld im Haushalt braucht. Solch ein Grund könnte etwa sein, dass man über
den Preis die Fördermenge beeinflussen möchte.
## Regierung fürchtet Klagen und hohe Rückzahlungen
Nun haben aber wohl auch in Niedersachsen die Geldnöte des jeweiligen
Finanzministers bei der jährlichen Festsetzung und Begründung der
Förderabgabe auch immer eine Rolle gespielt – in welchem Umfang ist
allerdings strittig.
Die Landesregierung befürchtet deshalb, dass die Klagen, mit denen die
Bohrfirmen schon länger drohen, Aussicht auf Erfolg haben und das Land dann
auf einen Schlag Rückzahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro leisten
muss.
Um dieses Unheil abzuwenden, habe man diesen Vergleich mit den betreffenden
Unternehmen ausgehandelt, erläutert der Wirtschaftsminister Bernd
Althusmann (CDU) in der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde am
Mittwoch im niedersächsischen Landtag.
Die Opposition aus Grünen und FDP glaubt allerdings, dass sich die
Landesregierung bei diesem Kompromiss gewaltig über den Tisch hat ziehen
lassen. Und sie stört das Tempo, mit dem die Entscheidung nun durchgedrückt
werden soll.
## Eine wirkliche Erklärung für den Zeitdruck gibt es nicht
Erst vor zwei Wochen hatte die Landesregierung den Entwurf überhaupt
vorgelegt, in der Diskussion im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss seien
wesentliche Fragen nicht beantwortet worden. Das vorgelegte, aber
vertrauliche Rechtsgutachten sei fehlerhaft und nicht umfangreich genug –
so lauten nur einige der Vorwürfe.
Auch der Zeitdruck erschließt sich den Abgeordneten nicht. Selbst wenn es
zu Klagen kommen sollte, wäre dann im Zuge der erwartbar langen
Gerichtsverfahren doch immer noch Zeit für eine Einigung, sagt Stefan
Wenzel (Grüne), der sich als Ex-Umweltminister genauso wie FDP-Mann Bode
nicht zum ersten Mal mit diesem Thema befasst. Bevor er einer Entscheidung
von solcher Tragweite zustimme, wolle er doch zumindest einmal wissen,
welche Unternehmen da überhaupt mit Klagen drohten.
Wirtschaftsminister Althusmann (CDU) führte zur Begründung lediglich an,
man wolle so schnell wie möglich Rechtssicherheit für die betreffenden
Unternehmen schaffen. Immerhin habe man aufgrund der unklaren
Entscheidungsgrundlage bestimmte Entscheidungen zur Abgabenhöhe
aufgeschoben. Dass hier ein gewisses Maß an Vertraulichkeit herrschen
müsse, sei angesichts der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die von der
Entscheidung berührt werden, absolut üblich und kein Zeichen von
Intransparenz.
Die Opposition unterstellt ihm aber weiterhin, nicht alle
Verhandlungsspielräume ausgeschöpft zu haben und außerdem eine viel zu
weitreichende Festlegung zu treffen. Der ausgehandelte Vergleich gilt für
zehn Jahre, bindet also auch künftigen Landesregierungen die Hände. Für
Änderungen, auch wenn sie auf EU- oder Bundesebene stattfinden, sind sogar
Kompensationszahlungen vorgesehen.
## Opposition will nicht aufgeben
Grüne und FDP wollten die Entscheidung deshalb von der Tagesordnung nehmen
und erst noch einmal im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Doch die
Regierungsparteien boxten den Entschluss mit ihrer Stimmenmehrheit durch.
Die Debatte ist damit aber nicht zu Ende, mahnte Bode noch. „Die Debatte
fängt gerade erst an!“ Grüne und FDP haben erst einmal eine umfassende
Akteneinsicht beantragt.
Die Entscheidung dürfte andere Länder nicht unberührt lassen:
Schleswig-Holstein etwa fordert mit den maximal möglichen 40 Prozent vom
Marktpreis eine sehr viel höhere Abgabe als Niedersachsen. Hier waren es
zuletzt 29 Prozent für Erdgas und 18 Prozent für Erdöl.
27 Jan 2021
## LINKS
[1] /Streit-um-Rohstofffoerderung/!5741954
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Niedersachsen
Erdöl
Erdgas
Niedersachsen
fossile Energien
Niedersachsen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Weniger Förderabgabe für Erdgas und -öl: Rechtswidrige Milliardenrabatte?
Die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen will die Förderabgabe
bei Erdgas und -öl senken. Kritiker sprechen von Irreführung und Untreue.
Streit um Rohstoffförderung: Erdöl günstig zu haben
Niedersachsens Landesregierung will die Förderabgaben für Öl und Erdgas
stark senken. Linke und Grüne sprechen von Kniefall vor den
Energiekonzernen.
Giftiger Bohrschlamm: NRW will nicht länger Müllkippe sein
Bei der Suche nach Erdgas und Erdöl wurden jahrzehntelang Millionen Tonnen
hochgiftiger Bohrschlämme in den Boden gekippt. Geeignete Deponien fehlen.
Förderabgabe für Braunkohle: Grüne gegen „Alte Rechte“
Ausgerechnet der klimaschädlichste Energieträger ist von Förderabgaben
befreit. Den Tagebau-Ländern gehen damit Millioneneinnahmen verloren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.