# taz.de -- Weniger Förderabgabe für Erdgas und -öl: Rechtswidrige Milliarde… | |
> Die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen will die Förderabgabe | |
> bei Erdgas und -öl senken. Kritiker sprechen von Irreführung und Untreue. | |
Bild: Für Nordstream-2-Gas aus Russland bestimmt: Im Bau befindliche Eugal-Pip… | |
HANNOVER taz | Hat der niedersächsische Landtag rechtswidrig | |
Millionenrabatte für die Erdgas- und Erdölindustrie beschlossen? Das will | |
[1][die Bürgerinitiative NoMoorGas] jetzt mittels einer Beschwerde bei der | |
EU-Kommission prüfen lassen. [2][Sie glaubt, dass die Rabatte eine | |
Wettbewerbsverzerrung im Energiesektor darstellen.] | |
2019 wurden in Deutschland 6,1 Milliarden Kubikmeter Erdgas und 1,9 | |
Millionen Tonnen Erdöl produziert. 97 Prozent des heimischen Erdgases | |
stammen aus Niedersachsen. Allerdings sind die Fördermengen rückläufig und | |
decken nur einen Bruchteil des Bedarfs; mehr als 85 Prozent des in | |
Deutschland verbrauchten Erdgases wird aus dem Ausland importiert. Beim | |
Erdöl sieht es ähnlich aus. Hier sorgt Niedersachsen für knapp 35 Prozent | |
der inländischen Erdölproduktion. | |
Um die radikale Senkung der Förderabgabe, die immer fällig wird, wenn | |
jemand Erdgas oder Erdöl aus dem Boden holt, herrscht schon länger heftiger | |
Streit. Hintergrund sind unterschiedlichen Einschätzungen der Rechtslage: | |
2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Erhöhung der Förderabgabe in | |
Mecklenburg-Vorpommern kassiert. Das Land hatte eine drastische Erhöhung | |
ausschließlich mit der Haushaltslage begründet. Das, sagten die Gerichte, | |
sei nicht zulässig. | |
Grundsätzlich geregelt wird die Abgabe im Bundesbergbaugesetz, mindestens | |
10 Prozent des Marktpreises sollen danach für die Ausbeutung der | |
Bodenschätze verlangt werden. Die Länder können auf 40 Prozent erhöhen, in | |
Niedersachsen lag sie bisher bei 18 Prozent für Erdöl und bis zu 27 Prozent | |
bei Erdgas – wobei es zahlreiche Sonderregelungen und Ausnahmen gab. Die | |
Bundesländer müssen ihre Aufschläge allerdings begründen – mit der | |
Marktentwicklung oder der Steuerung der Fördermengen etwa. | |
## Gigantisches Prozessrisiko | |
Das hat wohl auch in Niedersachsen nicht immer in ausreichendem Maße | |
stattgefunden. Mehrere Förderunternehmen sollen deshalb die noch nicht | |
rechtskräftigen Bescheide ab 2013 angefochten haben. Dem Land drohte – so | |
stellt es CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann dar – ein gigantisches | |
Prozessrisiko von geschätzt 1 Milliarde Euro. | |
Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss – die Förderabgabe des vergangenen | |
Jahres wird zurückgezahlt, für das laufende Jahr auf 5 Prozent und die | |
kommenden Jahre auf 10 Prozent nach unten korrigiert – verzichtet das Land | |
auf rund eine Viertelmilliarde in den Jahren von 2020 bis 2030. Weil damit | |
sowohl 2020 als auch 2021 sogar die bundesgesetzlich vorgeschriebenen 10 | |
Prozent unterlaufen werden, wittern die Beschwerdeführer von NoMoorGas | |
einen Verstoß gegen das EU-Beihilferecht. | |
Bei den Oppositionsparteien sorgt für Misstrauen, dass die rot-schwarze | |
Landesregierung sich – auch in vertraulichen Ausschusssitzungen – weigert | |
zu sagen, welche Unternehmen mit Klagen gedroht haben und wer am Ende | |
profitieren würde. Außerdem wollen die Grünen massive Fehler in den Zahlen | |
der Ministerien entdeckt haben. Aus ihrer Sicht kam auch die Kehrtwende der | |
Landesregierung relativ überraschend: Noch im Mai des vergangenen Jahres | |
hatte die Koalition im Landtag verkündet, das Prozessrisiko sei gering. Im | |
Januar wurde der ausgehandelte Kompromiss dann im Eilverfahren | |
durchgepeitscht. | |
Das sei der Verhandlungstaktik geschuldet gewesen, ließ Althusmann | |
durchblicken. Möglicherweise haben die Förderunternehmen angesichts der | |
dramatischen Einbrüche der Marktpreise durch die Coronakrise aber auch | |
noch einmal den Druck erhöht. | |
Während die Bürgerinitiativen in einigen Teilen des Landes nun befürchten, | |
dass die Ausbeutung von Erdgasfeldern in Erwägung gezogen wird, die aus | |
Rentabilitätsgründen schon als abgeschrieben galten, verschärfen die Grünen | |
noch einmal die Tonart. Von „rechts- und sittenwidrigen Verträgen“, einer | |
mangelhaften und irreführenden Unterrichtung des Landtags, ja sogar von | |
Untreue, spricht Ex-Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen. | |
25 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nomoorgas.de/ | |
[2] /Streit-um-Foerderabgabe-in-Niedersachsen/!5743406 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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