Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gas- und Ölförderung in Niedersachsen: Aus der Tiefe geschützter…
> Niedersachsen will mehr Beteiligung und Umweltschutz bei Erdgas- und
> Erdölbohrungen. Dem Naturschutzverband BUND geht die Initiative nicht
> weit genug.
Bild: Protest in Emlichheim: Mit Kreuzen gegen Erdölförderung
Hamburg taz | In Niedersachsen dürfen Unternehmen munter Erdöl und Erdgas
in Wasserschutzgebieten fördern. Umweltverbände fordern seit Jahren ein
Verbot. Am heutigen Freitag will das Land eine Bundesratsinitiative
einbringen, um den Umweltschutz zu stärken. Bei genauem Hinsehen drängt
sich allerdings der Eindruck auf, dass mit dem Vorstoß Kritiker*innen
besänftigt werden sollen.
Ein tatsächliches Verbot soll es nämlich nicht geben. Der
Naturschutzverband BUND sieht in der angestrebten Reform des
Bundesbergrechts daher höchstens einen Mini-Schritt in die richtige
Richtung – die Grünen gar gebrochene Versprechen der SPD.
2017, als in Niedersachsen nach dem Koalitionsbruch von SPD und Grünen
Wahlkampf herrschte, hatten die Sozialdemokrat*innen eine klare Ansage
gemacht: „Wir lehnen die Förderung von Erdgas innerhalb von
Wasserschutzgebieten jeder Art ab“, hieß es im Wahlprogramm. Nun, nachdem
sie in einer Koalition mit der CDU stecken, ist von dieser Überzeugung
wenig geblieben.
„Weiterhin steht das Interesse der Industrie vor dem Interesse der
Bevölkerung“, sagt Imke Byl, umwelt- und energiepolitische Sprecherin der
Grünen-Fraktion im Landtag. „Die einstigen Wahlversprechen der SPD für
Wasserschutzgebiete sind damit gebrochen.“
## Landesweit herrscht Angst
Nicht erst, seitdem voriges Jahr herauskam, dass in Emlichheim in der
Graftschaft Bentheim jahrelang giftiges Wasser aus einer Ölbohranlage
ausgetreten war, [1][herrscht landesweit – ob in Celle, Rotenburg (Wümme)
oder Vechta – Angst] vor vergiftetem Trinkwasser. Denn im Schnitt ein Mal
pro Monat gab es in den vergangenen zehn Jahren einen Störfall bei der
Förderung von Gas oder Öl im Land.
„Das können ganz kleine Vorfälle sein, bei denen ein paar Liter Öl
ausfließen, aber eben auch sehr große Störfälle wie in Emlichheim“, sagt
Axel Ebeler, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND in
Niedersachsen.
In Emlichheim sind über einige Jahre hinweg [2][bis zu 220.000 Kubikmeter
des sogenannten Lagerstättenwassers ausgetreten.] Eine Beeinträchtigung des
Trinkwassers verneint das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie
(LBEG) allerdings. Laut BUND würden aufgrund der langen Fließzeiten im
Grundwasser aber Verunreinigungen teils Jahre später erst messbar.
## Ölförderung noch notwendig?
In Niedersachsen gibt es laut Wirtschaftsministerium rund 120 aktive
Bohrungen der Erdöl- und Erdgasindustrie in Wasserschutzgebieten. Wie groß
die dort geförderte Menge ist und welchen Anteil sie damit im Vergleich zu
Bohrungen außerhalb von Wasserschutzgebieten haben, ist unklar. „Die
Förderunternehmen verraten uns das nicht“, sagt Ebeler.
Angesichts der fortschreitenden Energiewende ist ohnehin fraglich, wie
wichtig die Förderung vor allem des heimischen Öls für die
Versorgungssicherheit ist. „Die Ölförderung ist für die Energieproduktion
nicht mehr wichtig“, meint etwa Ebeler. Der Großteil werde nur noch für die
Verarbeitung in der Industrie benötigt.
Dabei ist Niedersachsen bundesweit das wohl wichtigste Land, was die
Förderung angeht. 95 Prozent des Erdgases wird dort aus der Erde geholt.
[3][Beim Erdöl sind es immerhin mehr als ein Drittel.]
In ihrer Initiative ist für die Landesregierung eine künftig verpflichtende
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zentral, ehe Gas oder Öl gefördert
werden. Damit sollen alle relevanten Auswirkungen für die Umwelt zuvor
geprüft und in der Öffentlichkeit erörtert werden. „Durch eine UVP und der
damit verbundenen Öffentlichkeitsbeteiligung kann ein verbindlicher Rahmen
für einen solchen informationsbasierten Dialog geschaffen werden“, heißt es
aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover.
## Widerstände verzögern Vorhaben
Tatsächlich lässt sich dem Reformentwurf entnehmen, dass es der
Landesregierung kaum um ein Ende der Bohrungen in Wasserschutzgebieten
geht. Viel eher scheint der örtliche Widerstand in den Förderregionen die
Regierung zu stören. „Örtlich entwickeln sich teils massive Widerstände,
welche die Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas und Erdöl zum
Teil deutlich erschweren oder verzögern“, heißt es in einer Analyse der
Landesregierung.
Eine UVP würde zur „Akzeptanz dieser Vorhaben führen und damit letztlich
auch zu deren reibungsloseren Umsetzung beitragen“. Gleichwohl betont die
Landesregierung, dass sie bereits Ende letzten Jahres eine Verordnung
beschlossen hat, nach der künftige Genehmigungen für Bohrungen in
Wasserschutzgebieten „erheblich erschwert“ worden seien.
Ebeler glaubt dennoch nicht, dass künftig das Untersagen einer Bohrung in
Betracht kommt. „Die Verordnungen und Prüfungen klingen zwar toll, aber sie
werden die Bohrung nicht verhindern.“
## Bergrecht ist Bundesrecht
Das Land Niedersachsen sieht für striktere Regelungen nur den Weg über die
Bundesratsinitiative. Das zu ändernde Recht ist in diesem Fall das
Bundesbergrecht. „Die Regelungskompetenz der Länder ist hier stark
eingeschränkt“, heißt es aus dem Ministerium.
Eberle jedoch sieht durchaus Spielräume für das Land: „Wir streiten uns
derzeit, ob nicht auch über das Wassergesetz des Landes etwas getan werden
könnte.“ Außerdem gebe es auch noch die Möglichkeit zu freiwilligen
Vereinbarungen mit den Förderunternehmen. „Es müssen nicht immer
langwierige Ge- oder Verbote versucht werden“, sagt Ebeler.
Tatsächlich hat die Bundesratsinitiative Niedersachsens kaum Aussicht auf
Erfolg: Der federführende Wirtschaftsausschuss im Bundesrat hat bereits
seine Empfehlung abgegeben: Die Länder sollten den Entwurf nicht in den
Bundestag einbringen. Dass die anderen Landesvertretungen anders
entscheiden, ist unwahrscheinlich.
9 Oct 2020
## LINKS
[1] /Erdgasfoerderung-in-Niedersachsen/!5649996
[2] /Undichte-Oelbohranlage-in-Niedersachsen/!5614731
[3] /Oelbohrplaene-im-Wattenmeer/!5633413
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Niedersachsen
Umweltschutz
Erdöl
Trinkwasser
Erdgas
Niedersachsen
Erdbeben
Erdbeben
Energieversorgung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Weniger Förderabgabe für Erdgas und -öl: Rechtswidrige Milliardenrabatte?
Die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen will die Förderabgabe
bei Erdgas und -öl senken. Kritiker sprechen von Irreführung und Untreue.
Erdgasförderung in Niedersachsen: Druck von unten
Als das Erdgasfeld in Völkersen entdeckt wird, wird der Gas- und Ölkonzern
Dea mit offenen Armen empfangen – bis die Erbe plötzlich bebt.
Erdgasförderung in Groningen: Es bleibt ein Zittern
Die Erdgasförderung in Groningen wird nach langen Protesten gegen diese
Fördertechnik gestoppt. Doch das Problem hat sich damit nicht erledigt.
Leukämie-Häufung in Rotenburg: Klingbeil will Erdgas-Bohrstopp
Wegen der Häufung von Krebsfällen im niedersächsischen Rotenburg fordert
der SPD-Politiker Klingbeil, Projekte zur Gasförderung auszusetzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.