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# taz.de -- Städte in Zeiten der Pandemie: Lang lebe die Stadt
> Nach der Pest wurden in den Städten bessere Abwassersysteme installiert.
> Doch was könnten eigentlich die Konsequenzen aus dieser Pandemie sein?
Bild: Dieser Kneipe hilft auch der Name nicht, die ganze Stadt schläft
New York ist die Stadt, die niemals schläft. Natürlich trifft [1][das nicht
nur auf New York] zu. Berlin, das habe ich letztens in einer Doku gehört,
ist eine Stadt, in der man niemals schlafen gehen muss. Manche Leute finden
das attraktiv. Kleinen Kindern von müden Eltern möchte ich sagen, dass das
eine Lüge ist.
Dass Städte niemals schlafen, finde ich reizvoll – aber nicht, weil ich
unbedingt wach bleiben und all die Möglichkeiten auskosten will. Ich liebe
schlafen. Ich liebe aber auch die Idee, dass der Rhythmus der Stadt nicht
überall so ist wie meiner. Jetzt geht alles auf der Stelle, Tag und Nacht.
Seit Monaten vermisse ich die Stadt, in der ich mich aufhalte.
Ich gehe verschiedenförmige Runden um meine Straße herum, manchmal kaufe
ich mir Schnittblumen mit geschlossenen Knospen, weil ich mag, dass sich
später in meiner Wohnung etwas öffnet. Hauptsächlich stehe ich auf, lege
mich hin, koche, esse, trinke, weine und schreibe. Ich bin so viel mit
meinen Gedanken allein, dass es schwierig wird, Sätze nicht mit „ich“ zu
beginnen. Das ist lästig. Ich erlebe nichts außer mir selbst. [2][Ich bin
mir zu viel], weil die Stadt so wenig geworden ist.
Ich habe mal Städte studiert. Ein Vorteil daran ist, dass ich gerade nicht
nur Sehnsucht habe, sondern auch Neugier. Ich überlege, [3][was
Stadtforscher:innen herausziehen] aus dieser Zeit. Welchen Namen sie
der Großstadt im Pandemiemodus geben würden? Vielleicht Tired, Longing,
oder Rebooting City. Vielleicht schreibt jemand darüber, dass wir im
analogen öffentlichen Raum nicht mehr so performen können wie früher und
wir deshalb unsere Performances noch stärker ins Digitale verlegen.
## Wann kommt die Fair City?
Menschen leben aus unterschiedlichen Gründen in Großstädten. Einige, weil
sie dort hineingeboren wurden. Manche, weil sie woanders eingehen würden.
Viele, weil sie hier arbeiten müssen. Ein paar, weil sie es mögen, wenn die
eigene Welt sich mit anderen Welten überschneidet. „Es fühlt sich an, als
wäre die Stadt tot“, sagt jemand am Telefon. „Die Stadt ist weg, obwohl sie
noch da ist“, sage ich zurück.
Mit Sicherheit wird längst erforscht, was wir aus der Geschichte über
Pandemien und Städte lernen können. Frühere Plagen wie die Pest haben
vielerorts für Abwassersysteme gesorgt, die das Stadtleben besser und
sicherer machten.
Weil man aus den Erfahrungen mit der Pest Konsequenzen zog, haben wir jetzt
Rohrsysteme, durch die wir unsere Scheiße spülen können. Das ist gut, so
funktioniert Fortschritt. Was wir heute am dringendsten brauchen, ist ein
[4][fortschrittliches System für ein gutes Stadtleben] für alle. Ich
vermisse die Stadt.
Wahr ist aber auch, dass ich in der ungerechten Stadt ein gutes Leben
gefunden habe, während andere mit Überleben beschäftigt sind. Die Stadt,
die ich am meisten vermisse, hatten wir so noch nicht. Vielleicht würde man
sie Fair City nennen? Unsere Städte sind irgendwie eingeschlafen, wir
bleiben wach und grübeln. Die Stadt ist nicht tot, lang lebe die Stadt.
20 Jan 2021
## LINKS
[1] /Moynihan-Train-Hall-in-New-York-City/!5741799
[2] /Flanieren-durch-Berlin/!5701115
[3] /Wohnen-in-der-Zukunft/!5660029
[4] /Wie-schlau-ist-Berlin/!5711070
## AUTOREN
Lin Hierse
## TAGS
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Digitalisierung
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Städtebau
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