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# taz.de -- Freigang der Stadtkatzen: Sperrt die Kittys ein
> Auch in Berlin soll eine Kastrationsverordnung für Katzen gelten. Ein
> nicht ausreichender Schritt. Besser wäre es, den Freigang zu untersagen.
Bild: Katzenüberweg in Berlin-Karlshorst? Ein Witz von AnwohnerInnen
In Berlin dauert ja alles ein bisschen länger. Nun will aber auch die
Hauptstadt endlich eine Katzenschutzverordnung erlassen, wie sie etwa 700
Städte in Deutschland längst haben. „Katzenschutzverordnung“ klingt
erheblich schnurriger als Kastrationsverordnung, obwohl dasselbe gemeint
ist: Katzen, die älter als fünf Monate sind, [1][sollen kastriert und mit
einem Chip gekennzeichnet werden], sonst dürfen sie nicht nach draußen.
[2][Tierschützer] fordern das schon lange.
Um die zehntausend Katzen streunen nach Schätzungen allein in der
Hauptstadt durch Hinterhöfe und Stadtparks, um die zwei bis drei Millionen
sollen es bundesweit sein. Hinzu kommt die temporäre Verstärkung aus
Wohnungen und Einfamilienhäusern. Die Stadt ist ein einziger Kitkatclub,
aber ohne Verhütungsmittel. Die Folgen: schlechter Ernährungszustand,
Krankheiten, Stress mit Artgenossen und Autos. Gleichzeitig landen
ungewollte Kittys im Tierheim. So gesehen sind Verordnungen, wie die in
Berlin geplante, sehr zu begrüßen.
Einzig: Sie gehen längst nicht weit genug. Wer unter Tierschutz mehr
versteht als den Schutz von Kuscheltieren, kann über solch gefühlige
Maunz-Verordnungen statt sachgerechter Gesetze nur den Kopf schütteln. Denn
Katzen wollen draußen nicht nur vögeln, sondern auch Vögel. Zudem
Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien. Die fangen sie sich, egal ob sie
kastriert sind oder nicht. Natürlich gibt es viele Argumente, die die
Katzen in Schutz nehmen. Was die Debatte vereinfacht: Sie sind alle
Quatsch.
„Fressen und gefressen werden, so ist eben die Natur.“ – Richtig, aber
Hauskatzen sind ein Produkt des Menschen wie Synthetikwolle oder
Kunstleder. Sie erreichen absurd hohe Populationsdichten, weil sie in ihrer
Homebase gefüttert und tiermedizinisch betreut werden.
„Aber früher gab es hier auch Wildkatzen!“ – Allerdings hatten die kein
Whiskas und keinen Tierarzt. Die durchschnittliche Populationsdichte liegt
bei etwa 0,5 Wildkatzen pro Quadratkilometer, und das auch nur in besonders
günstigen Lebensräumen. Das würde bedeuten, dass im gesamten Land Berlin
445 Katzen leben dürften. Darauf könnte man sich vielleicht einigen. Zudem
sind Hauskatzen eine Hauptgefährdungsursache für die Wildkatze, da beide
Arten untereinander fruchtbar sind und der Genpool der Wildkatzen so nach
und nach weggepaart wird.
„Meine Katze hat noch nie einen Vogel getötet! Die tut so was nicht!“–
Sicherlich, und Donald Trump hat die Wahl mit großem Abstand gewonnen. Doch
es ist nun einmal so: Jeder killt für sich allein. Katzen erst recht. Sie
bringen, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil der Beute mit nach Hause. Den
Rest fressen sie oder lassen ihn irgendwo liegen, wenn das Spielzeug kaputt
ist. In Studien haben Katzen mit „Kitty-Cams“ selbst gefilmt, was sie
draußen so anstellen.
„Meine Katze hat ein Glöckchen um!“ – Schön. Dann hören die Jungvögel,
Eidechsen und Ringelnattern noch die Totenglocken läuten, bevor sie erlegt
werden. Katzen sind hocheffiziente Räuber. Am Ende werden sie Erfolg haben.
„Jetzt ausgerechnet auf Katzen zu zeigen! Industrielle Landwirtschaft,
Naturzerstörung, Umweltgifte – anderes ist viel schlimmer!“ – Stimmt. G�…
es das andere nicht, wären Katzen kein Problem, [3][weil die paar
Milliarden Todesopfer] dann nicht ins Gewicht fielen. Aber: Es gibt nun mal
industrielle Landwirtschaft, Naturzerstörung und Umweltgifte. Bei ohnehin
dramatisch geschrumpften Wildtierbeständen fallen die zusätzlichen Opfer
doppelt ins Gewicht.
Hinzu kommt, dass Freigängerkatzen unter schlechterer Gesundheit leiden und
Toxoplasmose auf Menschen übertragen. Eine echte Katzenschutzverordnung
wäre also eine, die den Freigang von Katzen generell untersagt.
Freilaufende Hunde werden ja auch nicht geduldet. Denn ist die Katze im
Haus, freut sich der Spatz. Um die verbleibenden streunenden Bestände
müssen sich am Ende dann eben Tierfänger kümmern. Oder Jäger.
13 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.morgenpost.de/berlin/article231302974/Senat-will-Kastrationspfl…
[2] https://www.tierschutzbund.de/aktion/mitmachen/protestieren/katzenschutzver…
[3] /Insektensterben/!t5441430
## AUTOREN
Heiko Werning
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