# taz.de -- Schulden durch Coronakrise: Gegensätzliche Erzählungen | |
> Die Haushaltsdebatte im Bundestag steht an. Rechtfertigt Corona die hohen | |
> Schulden – und was passiert finanzpolitisch danach? | |
Bild: Finanzminister Scholz schließt seine Tasche im Bundestag | |
BERLIN taz | Für Peter Boehringer (AfD), den Vorsitzenden des | |
Haushaltsausschusses, ist das, was augenblicklich passiert, eine von vielen | |
Krisen, die Deutschland durchstehen musste und muss. Corona stellte er am | |
Dienstag im Bundestag in eine Reihe mit dem Hungerwinter 1946 oder der | |
globalen Finanzkrise ab 2008. Stellvertretend für die Regierungskoalition | |
setzte der mecklenburgische CDU-Politiker Eckardt Rehberg den Gegenpunkt: | |
„Neben der Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs ist das die größte | |
Herausforderung, die wir im vereinten Deutschland erlebt haben.“ | |
Die ganze Woche steht im Zeichen des Etats für 2021, der am Freitag | |
beschlossen wird. Er hat es in sich: Mit [1][fast 500 Milliarden Euro] | |
liegen die geplanten Ausgaben etwa 40 Prozent über denen eines normalen | |
Jahres. Und 180 Milliarden – fast 40 Prozent des Gesamtetats – sollen aus | |
neuen Schulden kommen. | |
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schoss in Boehringers Richtung: | |
„Ihre Erzählung wird jeden Tag auf den Intensivstationen widerlegt.“ Am | |
Montag waren über 400 Personen an Corona gestorben. „Wir müssen jeden Tag | |
die Gesundheitskrise bekämpfen“, sagte der Finanzminister, außerdem die | |
daraus entstehende wirtschaftliche und soziale Not. Scholz hält sowohl die | |
außergewöhnlich hohen Ausgaben für nötig als auch die Rekordverschuldung | |
für handhabbar. Das gesamtstaatliche Schuldenniveau steigt nach Scholz’ | |
Einschätzung auf gut 70 Prozent der Wirtschaftsleistung – weniger als nach | |
der Finanzkrise. | |
Die zweite wichtige Frage debattierten Unions-Fraktionsvize Alexander Jung | |
und Sven-Christian Kindler, der Haushaltssprecher der Grünen. Wie halten | |
wir es künftig mit der Schuldenbremse? Damit nahmen sie möglicherweise | |
einen Teil der Koalitionsverhandlungen im Herbst vorweg. | |
## „Rauswachsen“ aus den Schulden | |
„Geld gibt es nicht [2][wie Sand am Meer]“, erklärte Jung. Die Union wolle | |
die 2020 und 2021 außer Kraft gesetzte Schuldenbremse baldmöglichst wieder | |
anziehen. Außerdem, so Jung, würden die Coronaschulden „in dieser | |
Generation zurückgezahlt“. Ab 2026 werden dafür jährlich etwa 16 Milliarden | |
Euro fällig, was den Spielraum im Bundeshaushalt schmälert. | |
Kindler und seine Fraktion mögen diese Aussicht nicht. Sie machen sich für | |
„deutlich längere Tilgungsfristen“ stark. Das heißt, die Rückzahlung soll | |
über Jahrzehnte gestreckt werden. Zudem verlangen die Grünen ein | |
langfristiges Investitionsprogramm, das nicht auf die Schuldenregel | |
angerechnet werden soll. | |
Zu Recht sah Jung darin eine deutliche Entschärfung der Schuldenbremse. | |
Einen Kompromiss zwischen beiden Positionen bot Scholz an. Seine Vision | |
besteht im „Rauswachsen“ aus den Schulden wie nach der Finanzkrise. Bei | |
gutem Wirtschaftswachstum und niedrigen Zinsen hätte die Regierung | |
gleichzeitig genug Geld, um die Schuldenbremse einzuhalten und hohe | |
Investitionen zu finanzieren. | |
8 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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