# taz.de -- Innenministerkonferenz zu Querdenkern: Neue Härte | |
> Die Landesinnenminister wollen diskutieren, härter gegen Querdenker | |
> vorzugehen. In Baden-Württemberg ist der Verfassungsschutz bereits aktiv. | |
Bild: Dem Coronaprotest wird auf die Pelle gerückt: hier PolizistInnen vor Dem… | |
BERLIN taz | Seit Monaten gehen sie auf die Straße, zuletzt mit immer | |
[1][rauerem Ton und eingereihten Rechtsextremen]. Nun könnte es für die | |
Coronaprotestierernden ungemütlich werden. Vor der Innenministerkonferenz | |
(IMK) fordern mehrere Innenminister der Länder, dass der Verfassungsschutz | |
die Demonstrierenden genauer ins Visier nimmt. | |
Das Landesamt in Baden-Württemberg macht nun den Anfang. Nach | |
übereinstimmenden Medienberichten stufte dieses die Stuttgarter Gruppe | |
„Querdenken 711“ als Beobachtungsobjekt ein. Die Initiative ist eine der | |
bundesweiten Hauptorganisatoren des Protests. Das Landesamt hatte schon | |
zuvor gewarnt, dass in Baden-Württemberg RechtsextremistInnen nicht nur den | |
Protest zu beeinflussen versuchten, sondern unter den | |
„Querdenken“-OrganisatorInnen selbst ExtremistInnen tätig seien. Ihr | |
Protest verknüpfe Verschwörungsmythen teils mit Aufrufen zum Umsturz, der | |
Staat werde „als Diktatur diffamiert“, PolitikerInnen würden | |
„verunglimpft“. Es bestehe eine Radikalisierungsgefahr. | |
Auch auf der halbjährlichen Innenministerkonferenz, die am Donnerstag | |
startet, diesmal virtuell, wird der Coronaprotest eines der Top-Themen | |
sein. Für Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), Vorsitzender der IMK, | |
gelten inzwischen ein Drittel der dortigen Protestierenden als | |
rechtsextrem. „Das merkt man an Symbolen und Fahnen“, so Maier auf Anfrage. | |
Die letzten Wochen hätten „überdeutlich gezeigt, wie rechte Ideologen | |
Versammlungen unterwandern“. Der Verfassungsschutz müsse die Bewegung | |
überprüfen. | |
Auch Bayern, Niedersachsen oder Berlin fordern eine Überprüfung durch den | |
Verfassungsschutz, jüngst auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey | |
(SPD). Auf der Innenministerkonferenz soll dies nach taz-Informationen | |
forciert werden. | |
## „Radikalisierungstendenz hin zu neuem Extremismus“ | |
In einer internen Beschlussvorlage heißt es zu den Coronaprotesten, dass es | |
für die „durch Extremisten genutzten Verschwörungstheorien weiterhin einer | |
besonderen Beobachtung durch den Verfassungsschutz bedarf“. Dies gelte | |
„nicht nur im realen Raum, sondern gerade auch im Internet“. Es bestehe die | |
Gefahr, dass sich in der Bewegung eine „Radikalisierungstendenz hin zu | |
einem neuen Extremismus entwickeln könnte“. Die Bekämpfung sei aber ebenso | |
eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. | |
Die Diskussion auf der IMK und der finale Beschluss der MinisterInnen | |
bleibt abzuwarten. Tatsächlich prüft der Verfassungsschutz aber bereits | |
jetzt, wie er mit dem Coronaprotest umgeht. Bundesinnenminister Horst | |
Seehofer (CSU) gab sich bisher zurückhaltend, verwies auf das „äußerst | |
heterogene“ Bild der Protestierenden. | |
Auch sein Sprecher betont, „Pauschalisierungen“ seien nicht hilfreich. Denn | |
bei einer Einstufung würde jede Person als AnhängerIn des Extremismus | |
gewertet. Gerichte könnten dies kippen. Der Sprecher betonte aber auch, | |
dass sich bei den Protesten durchaus „Extremisten, Reichsbürger und | |
Personen mit ähnlicher verfassungsfeindlicher Gesinnung“ versammelten. „Die | |
Sicherheitsbehörden haben das Phänomen sehr genau im Blick.“ | |
Der Verfassungsschutz legte der IMK eigens ein Lagebild zu den | |
Coronaprotesten vor. Titel: „Gezielte Falschmeldungen, | |
Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen“. Auch dort wird laut | |
ARD von einem „heterogenen Protestfeld“ gesprochen, an dem sich aber | |
zunehmend ExtremistInnen beteiligten. Eine Abgrenzung zu diesen finde kaum | |
statt, deren Aussagen würden „verleugnet oder als unproblematisch“ | |
bewertet. Durch die Vermischung verschiedener Ideologien könne ein neuer | |
Extremismus „sui generis“ entstehen. | |
## Verfassungsschutz warnt vor Umsturzaufrufen | |
Einzelne Landesämter plädieren bereits öffentlich für eine Einstufung. „D… | |
Coronaprotest radikalisiert sich immer weiter“, erklärte jüngst [2][der | |
Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes Stephan Kramer der taz]. | |
Den Protest durchzögen „antisemitische Verschwörungstheorien, eine | |
staatsfeindliche Rhetorik und Widerstandsaufrufe“. Es sei zu prüfen, ob die | |
Bewegung nicht „in Gänze verfassungsfeindlich ist“. | |
Kommt es zu einer Einstufung, könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz | |
nicht einzelne „Querdenken“-Gruppen ins Visier nehmen, sondern die | |
Coronabewegung in Gänze – ähnlich wie zuletzt die ReichsbürgerInnen. Auch | |
dort ist das Bild diffus, dennoch machte der Geheimdienst ein verbindendes | |
Element aus: die Ablehnung der bestehenden Rechtsordnung. | |
## Treffen mit Reichsbürgern | |
Ähnlich könnte man bei den „Querdenkern“ argumentieren. Umso mehr, da | |
einige Hauptaktive zuletzt die Nähe zu Reichsbürgern suchten und sich mit | |
dem selbsternannten „König“ Peter Fitzek in Thüringen trafen. An den | |
Coronaprotesten nehmen zudem immer wieder [3][Vertreter der NPD, der | |
rechtsextremen Splitterparteien „Die Rechte“ und „III. Weg“] oder rechte | |
Hooligans teil. Auch häufen sich Straftaten aus dem Spektrum. Die | |
Sicherheitsbehörden fürchten auch Angriffe auf die bald eröffneten | |
Impfzentren. | |
Michael Ballweg von den Stuttgarter „Querdenkern“ betont dagegen, dass | |
seine Bewegung friedlich sei. Extremismus habe dort keinen Platz. Bei einer | |
Kundgebung in Düsseldorf am Sonntag beauftragten die Organisatoren erstmals | |
die Polizei, rechtsextreme Teilnehmer auszuschließen. | |
Thüringens Innenminister Georg Maier sieht die Bewegung „am Scheideweg“. | |
Diese müsse endlich „konsequent“ Extremisten ausschließen und [4][Hetze in | |
ihren Chatforen] unterbinden. „Sie muss jetzt deutlich machen, dass es sich | |
um eine demokratisch gesinnte Bewegung handelt.“ | |
9 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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