# taz.de -- Linke über „Querdenken“-Demo in Leipzig: „Keine Konsequenzen… | |
> Am Samstag demonstrieren schon wieder selbsternannte „Querdenker“ in | |
> Leipzig. Haben die Behörden versagt? Ja, meint Kerstin Köditz, | |
> Linken-Abgeordnete in Sachsen. | |
Bild: Unmaskiert: Der Polizei wird vorgeworfen, bei der Demo keinen Mund-Nase-S… | |
Frau Köditz, für diesen Samstag hat „Querdenken“ wieder eine Demonstration | |
in Leipzig angemeldet. Hat Sachsen die richtigen Konsequenzen aus der | |
desaströsen Demo vor zwei Wochen gezogen und ist gut gerüstet? | |
Kerstin Köditz: Mir sind keine Konsequenzen bekannt. Roland Wöller ist noch | |
immer Innenminister und nach allem, was in der Sondersitzung formuliert | |
wurde, glaube ich auch nicht, dass es ein Umdenken beim polizeilichen | |
Agieren gibt. Berlin hat aber gezeigt, dass es möglich und notwendig ist. | |
N ach den Ereignissen rund um die Demonstration in Leipzig am 7. November | |
hat ihre Fraktion eine Sondersitzung im Innenausschuss des sächsischen | |
Landtags beantragt. Wo hatten Sie Klärungsbedarf? | |
Für uns war der [1][Einsatz der Behörden an dem Samstag] eine Katastrophe. | |
Mund-Nase-Schutz und Abstand wurde nicht durchgesetzt, man hat die Leute | |
über den Ring laufen lassen, obwohl derzeit nur stationäre Kundgebungen | |
erlaubt sind. Uns ging es bei dem Antrag auch darum, zu fragen, was aus den | |
Ereignissen in Dresden eine Woche zuvor gelernt wurde. Uns war nicht | |
nachvollziehbar, wie im Vorfeld mit Informationen umgegangen wurden ist. Im | |
Netz wurde seitens der extremen Rechten definitiv vorab mobilisiert, auch | |
bei rechten Hooligans. Es gab bis hin zu namentlichen Ankündigungen | |
Bedrohungen gegen Journalisten und Journalistinnen. Das war im Grunde ein | |
Versagen mit Ansage. | |
Die Akteure schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Wer hat | |
versagt? | |
Die sächsischen Behörden. Ich will nicht die Schiedsrichterin zwischen | |
Gericht, Stadt Leipzig und Polizei sein. Aber ich sehe eine | |
Hauptverantwortung beim Innenminister. Er ist für den Inlandsgeheimdienst | |
verantwortlich. Schon vor dem Datum gab es Berichte, bei denen vor Gewalt | |
gewarnt wurde. Auch in Dresden und Aue gab es solche Demonstrationen | |
vorher. Das scheint er nicht ernst genommen zu haben. Man kann doch | |
niemandem erklären, dass man keine kleine private Feier machen, aber bei | |
einer Polonäse mit Bier in der Hand unter den Augen der Polizei durch die | |
Leipziger Innenstadt torkeln darf. | |
Ob die Kritik an Polizeieinsätzen in Chemnitz 2018 oder Connewitz 2019, | |
[2][Pannen beim Verfassungsschutz] im Kontext des mutmaßlich islamistischen | |
Mordes in Dresden oder jetzt die Querdenken-Demonstration: Immer wieder | |
wird Innenminister Roland Wöller (CDU) eine Führungsschwäche vorgeworfen. | |
Würden Sie sagen, dass er seiner Verantwortung nicht gerecht werden kann? | |
Wir haben klipp und klar formuliert, dass wir vom Ministerpräsidenten | |
erwarten, dass er diesen Innenminister endlich abberuft. Wir können uns an | |
den Fakten abarbeiten, aber wenn wir noch seinen Umgang mit Medien und der | |
Öffentlichkeit dazu nehmen, ist sein Verhalten eine Katastrophe. | |
Zum Beispiel? | |
Am Sonntag nach der Querdenken-Demonstration hat Wöller zu einer | |
Pressekonferenz geladen. Letztlich war das aber nur ein Pressebriefing, die | |
Journalistinnen und Journalisten durften keine Fragen stellen. Was ist das | |
bitte für ein Krisenmanagement? Es gibt die großen Skandale, aber was sich | |
auch durchzieht ist die Kommunikationsunfähigkeit dieses Innenministers. | |
Auch aus den Reihen der Koalitionspartner:innen kamen Forderungen nach | |
Wöllers Rücktritt. Ministerpräsident Kretschmer und seine CDU stehen fest | |
zu Wöller. Kriselt es in der Kenia-Koalition in Sachsen? | |
Es ist zwar kein schönes Klima für eine Koalition, sie reißen sich aber im | |
Endeffekt immer wieder zusammen, weil sie diese Koalition halten wollen. | |
SPD und Grüne müssen sich an dieser Stelle fragen lassen, inwiefern durch | |
Wöller Ansätze von Dingen, die sie ihren Wählerinnen und Wählern | |
versprochen haben, mit Füßen getreten werden. Zum Beispiel die | |
Pressefreiheit, aber auch der Gesundheitsschutz. Die Sozialministerin Petra | |
Köpping (SPD) versucht, den Umgang mit Corona zu organisieren und | |
währenddessen lässt der Innenminister eine Corona-Party durch Leipzig | |
ziehen. Hier ist die Frage, ob die Koalitionsparteien SPD und Grüne | |
konsequent geschlossen auftreten, oder die Forderung, dass Wöller gehen | |
muss, auf ihre Jugendorganisationen und Innenpolitiker abwälzen. Das bringt | |
dann nämlich nichts. | |
Was muss sich aus Ihrer Sicht innenpolitisch in Sachsen ändern? | |
Sachsen braucht eine moderne Innenpolitik, die endlich aufhört, | |
„Extremismus“ im Vordergrund zu sehen und sich auch mal mit Inhalten | |
beschäftigt. Man sollte sich lieber mal anhören, welche Sprüche und | |
Transparente bei Querdenken dabei sind, als zu sagen, Rechtsextremisten | |
würden das unterwandern. Ich sehe dort eine Menge rechtsextremes | |
Gedankengut, bei Leuten die als solche nicht gelabelt sind. Wenn ich aber | |
nicht gewillt bin, mich inhaltlich auseinanderzusetzen, kommen wir hier | |
nicht vorwärts. | |
21 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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