# taz.de -- Clubs und Festivals in Niedersachsen: Alles nur Spaß? | |
> Clubs und Festivals sind rechtlich gesehen lediglich Vergnügungsstätten. | |
> Niedersachsens Grüne wollen das ändern – aber ihr Antrag dazu ist | |
> chancenlos. | |
Bild: Aus heutiger Sicht visionär: Besucherin des Hildesheimer M'era Luna-Fest… | |
Osnabrück taz | Wenn Niedersachsens Club- und Festivalszene derzeit Zahlen | |
schreibt, sind viele von ihnen rot. Auch schon vor Corona hatte sie es | |
schwer. Aber die Pandemie, die alles lähmt, bringt sie an den Rand des Aus. | |
Existenzangst geht um. | |
Sinnvoll also, dass die Grünen am Donnerstag im niedersächsischen Landtag | |
für diese leidende Branche den Hut in den Ring werfen und den [1][Antrag | |
„Förderung der Club- und Festivalkultur – nicht nur unter Corona“] | |
einbringen. Aber: Dieser Antrag hat keine Chance. Bereits Ende November | |
haben SPD und CDU im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur dagegen votiert, | |
im Plenum werden sie dieses Sperrfeuer wiederholen. „Oppositionsarbeit“, | |
sagt Eva Viehoff bitter, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion | |
der Grünen, „ist manchmal ganz schön frustrierend.“ | |
Viehoffs Antrag fordert den Landtag in Hannover auf, Mittel für eine | |
„direkte und unbürokratische Förderung“ bereitzustellen. Lärmschutzfonds | |
sollen Clubs bei der energetischen sowie akustischen Sanierung | |
unterstützen. Die Kernforderung: Clubs sollen künftig „rechtlich als | |
Kulturstätten anerkannt“ werden, wie Schauspielhäuser etwa oder wie | |
Programmkinos. | |
Auch auf Bundestagsebene ist das ein Thema, dem sich die Grünen angenommen | |
haben. Das Problem: Als „Vergnügungsstätten“ stehen Clubs derzeit noch | |
immer auf einer Stufe mit Pornokinos, Spielhallen, Wettbüros und Bordellen. | |
Dass sie aber ein „Motor für die Genese neuer Kunst und Kultur“ sind, so | |
steht es in Viehoffs Antrag, bleibt unberücksichtigt. Eine Einstufung als | |
Kulturstätte würde mehr Schutz bedeuten, wenn sich Bebauungspläne ändern, | |
würde Genehmigungen erleichtern und beispielsweise auch einer Verdrängung | |
in Gewerbegebiets-Randlagen entgegenwirken. Geschehe nichts, könne es „in | |
Niedersachsen sehr still werden“. | |
## Clubs bloß „Vergnügungsstätten“ | |
Viehoff hat solche Warnungen schon oft im Landtag vorgetragen. Das letzte | |
Mal Mitte November, in ihrer sehr emotionalen Rede zum [2][Grünen-Antrag | |
„Kunst und Kultur sind kein Sahnehäubchen – Kulturfördergesetz jetzt!“]. | |
Niedersachsen gebe der Kultur keine Perspektive, hat sie da gesagt, „nicht | |
eine einzige“. Ihr Fazit, ziemlich zornig: „Wir werden am Ende dieser | |
Pandemie vielleicht kein Kulturfördergesetz mehr brauchen, weil wir in | |
Niedersachsen gar keine Kultur mehr haben.“ | |
Statt des Grünen-Antrags wird aber heute im niedersächsischen Landtag der | |
[3][Antrag „Nachhaltige Hilfen für die Kultur- und Kreativbranche“] der | |
Großen Koalition durchgehen, in dem die Landesregierung sich erst mal | |
selbst lobt. Was dann folgt, klingt teils ziemlich vage. „Das zeigt, wie | |
gespalten die Groko da ist“, sagt Viehoff. „Das sind die einzigen | |
Kompromisse, zu denen sie fähig war.“ | |
## Antrag folgt auf Antrag | |
Viehoff ärgert vor allem, dass Monat um Monat ins Land geht, ohne dass sich | |
für die Betreiber*inner von Clubs etwas ändert. „Seit Beginn der Pandemie | |
stellen wir in Sachen Kultur Einzelantrag auf Einzelantrag“, sagt sie. | |
„Aber das dauert und dauert.“ Ihr Antrag „Förderung der Club- und | |
Festivalkultur“ ist beispielsweise schon von Mitte Juni. Der [4][Antrag | |
„Sonderfonds Kultur Jetzt – Niedersachsens lebendige Kulturszene retten“], | |
auch er von den Grünen, ist sogar schon von Ende April. Auch dieser Antrag | |
steht heute zur Entscheidung an. Auch bei ihm ziehen SPD und CDU nicht mit. | |
Stattdessen wortreiche Absichtserklärungen, die nicht nach schnellem, | |
effizientem Handeln klingen. | |
Aufgeben wird Eva Viehoff nicht. Sie weiß: Viele Kulturschaffende fallen | |
derweil durchs Raster, melden Ansprüche gar nicht erst an, weil sie an den | |
bürokratischen Hürden der Coronaprogramme verzweifeln. Und sie weiß auch: | |
Das Problem ist nicht nur Corona – es ist der Missstand, dass die Kultur | |
für die Kommunen keine Pflichtaufgabe ist. Ist das Geld knapp, steht sie | |
daher oft als Allererstes auf der Einsparungsliste. Viehoff sieht die | |
Kultur dadurch marginalisiert: „Ich kann mir denken, was passiert, wenn in | |
den Kommunen nach der Pandemie überall die freiwilligen Leistungen | |
gestrichen werden.“ | |
## „Naturkatastrophe in Zeitlupe“ | |
Der Landtagsantrag der Grünem ist im Schulterschluss mit dem Hannoveraner | |
[5][Verein „KlubNetz“] entstanden, dem Verband der niedersächsischen | |
Konzertkulturschaffenden. „Die Coronakrise wurde schon als | |
‚Naturkatastrophe in Zeitlupe‘ bezeichnet“, sagt Klubnetz-Vorsitzender | |
Gunnar Geßner. „Ganz ähnlich fühlt es sich für die Club- und Festivalkult… | |
an.“ | |
10 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_07500/06501… | |
[2] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/07501… | |
[3] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/07501… | |
[4] https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_07500/06001… | |
[5] http://klubnetz.pixelplanungsbuero.de/index.php?id=160&L=0 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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