# taz.de -- Rechte Angriffe auf Kirchen: Gottesdienst mit Störfaktor | |
> „Zoombombing“ nennt man das Stören von Onlineformaten. Kirchen kämpfen … | |
> digitalen und realen Raum gegen Angriffe von Rechtsextremen. | |
Bild: Weihnachten 2020: Gottesdienste finden vielerorts coronakonform statt | |
BERLIN taz | Evangelische Kirchen in Berlin und Brandenburg und ihre | |
Angebote werden Opfer von rechten Angriffen. So kam es bereits Ende | |
November zu massiven Störungen eines Online-Gottesdienstes des | |
Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg. Das bestätigt Michael Raddatz, | |
Superintendent des Kirchenkreises, der taz. Der Gottesdienst zum Thema | |
„Brot und Liebe“ war unter der [1][Videoplattform Zoom] für jedermann frei | |
zugänglich. „Wir haben die Störungen zur Anzeige gebracht“, sagt Raddatz. | |
Anja Dierschke, Sprecherin der Berliner Polizei bezeichnet diese Störungen | |
als „ laute und überlagerte englischsprachige Audioeinspielungen sowie das | |
digitale Beschmieren des Zentralbildschirms mit Hakenkreuzen und Penissen.“ | |
In englischer Sprache war zum Töten Andersgläubiger aufgerufen worden. | |
Bei den Online-Gottesdiensten kann die Kirchengemeinde der Predigt des | |
vertrauten Pfarrers oder Pfarrerin lauschen und zusammen mit der Gemeinde | |
singen, so dass [2][trotz der räumlichen Distanz eine Nähe] da ist. Solche | |
Angebote werden über den Gemeindebrief oder die Webseite der Gemeinde | |
veröffentlicht und erreichen damit Menschen, die normalerweise in die | |
Kirche zum Gottesdienst gehen würden, das in der Pandemie aber nicht tun | |
möchten, sagt [3][Landesonlinepfarrer Andreas Erdmann] der taz. Der Job des | |
Onlinepfarrers wurde erst mit der Coronapandemie geschaffen. | |
Wie es scheint, kann die unter Mitgliederschwund leidende Evangelische | |
Kirche durch ihre Onlineangebote auch Menschen erreichen, die sonst nicht | |
in die Kirchen gehen – wie durch Videospiele, die die Landeskirche | |
entwickelt hat. Hier können Nutzer eine Kirche aufbauen, in der sie einen | |
Gottesdienst feiern können. Laut Onlinepfarrer Erdmann spricht das vor | |
allem Menschen unter 35 Jahren an, die eher nicht aus dem kirchlichen | |
Spektrum stammen. | |
## Vor allem in Gemeinden, die sich gegen rechts engagieren | |
Um rechte Angriffe abzuwehren, empfiehlt Erdmann den Kirchengemeinden, dass | |
nur Menschen an den Onlinegottesdiensten teilnehmen dürfen, die die | |
Gemeinde kennt oder die sich zumindest mit ihrer E-Mail-Adresse | |
registrieren, sagt Erdmann. „Das ist aber ein Abwägprozess, denn damit | |
schließt man nicht nur rechtsextreme Störer aus, sondern auch Menschen, die | |
wir eigentlich erreichen wollen.“ | |
Mit Angriffen von Rechtsextremen sind einzelne Kirchengemeinden aber auch | |
im realen Leben konfrontiert. Die Landeskirche führt dazu keine Listen. Wie | |
die taz erfuhr, betrifft das vor allem Gemeinden, die sich gegen Rechts | |
oder für Flüchtlinge engagieren oder die Gottesdienste [4][zur Erinnerung | |
an NS-Opfer] begehen wie beispielsweise die Evangelische Kirchengemeinde in | |
Rudow. Deren Gebäude stehen nach mehreren Übergriffen inzwischen unter dem | |
Schutz des polizeilichen Staatsschutzes. Pfarrerin Beate Dirschauer zur | |
taz: „Es gab schon Schmierereien wie „Ausländer raus“ und Hakenkreuze an | |
der Küsterei. Ein Banner des Kirchenkreises Neukölln mit der Aufschrift | |
„Gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wurde | |
zerstochen, ein anderes entwendet.“ Auch wurden die Autoreifen der | |
Pfarrerin schon zerstochen. | |
Anfang Dezember wurde des Nachts der Gemeindebriefkasten in Brand gesetzt. | |
Die Polizei geht auch hier von einem rechten Hintergrund aus, der Pfarrerin | |
zufolge passe diese Tat aber eher nicht in die Serie, sie kann sich in | |
diesem auch andere Motivationen vorstellen. | |
## Flut von Hassmails | |
Ähnliche Erfahrungen hat ihre Kollegin Mechthild Falk im Brandenburger | |
Jüterbog gemacht, deren Gemeinde sich für Flüchtlinge engagiert. Die | |
Gemeinde bekam eine Flut von Hassmails, sie selbst einen Brief, in dem ihr | |
eine Vergewaltigung gewünscht wurde, sagt sie der taz. 2015, in der Nacht | |
nach einer NPD-Demo vor Ort, wurden eine kirchliche Begegnungsstätte | |
zerstört und Gegenstände angezündet. 2017 habe der AfD-Nachwuchs unter | |
Missachtung des Hausrechts der Kirche beide Kirchtürme besetzt und dort ein | |
Banner entrollt, so die inzwischen pensionierte Pfarrerin. | |
Auch Pfarrerin Josephine Furian aus Eisenhüttenstadt berichtet als | |
bekennende Feministin von Anfeindungen gegen sie. In einem Brief hätte es | |
geheißen, wer so feministisch predige, dürfe keine Pfarrerin sein. | |
23 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Zoom-und-die-Corona-Krise/!5674593 | |
[2] /Lockdown-in-der-Vorweihnachtszeit/!5733957 | |
[3] https://www.ekbo.de/themen/kirche-im-digitalen-raum/landesonlinepfarrer.html | |
[4] /Online-Konferenzen-gestoert/!5678178 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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