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# taz.de -- Infektionen beim Versandhändler: Corona-Hotspot Amazon
> Im Logistikzentrum von Amazon in Garbsen haben sich 250 Mitarbeiter*innen
> mit dem Coronavirus infiziert. Wo sie sich angesteckt haben, ist unklar.
Bild: Da war noch kein Hygienekonzept nötig: Amazon-Angestellte in Garbsen vor…
Hannover/Garbsen taz | Im Zweifel sind die Arbeitnehmer*innen natürlich
selbst schuld. Amazon erklärt jedenfalls, am eigenen Hygienekonzept könne
es nicht gelegen haben und das Gesundheitsamt der Region bestätigt das.
[1][Trotzdem sind oder waren im Verteilzentrum des Onlineversandhändlers in
Garbsen] bei Hannover 250 Mitarbeiter*innen mit dem Coronavirus infiziert.
Etwa die Hälfte von ihnen hat die Quarantäne schon wieder verlassen und
gilt als genesen. 125 Menschen gelten als akut infiziert.
[2][Die beunruhigenden Zahlen haben Reihentestungen des Gesundheitsamtes]
zu Tage gefördert, die wiederum wegen der Häufungen in den Wochen zuvor
angeordnet wurden. Alle – in der Weihnachtszeit bis zu 900 – Mitarbeitenden
mussten sich in der vergangenen Woche zweimal testen lassen, ohne negatives
Testergebnis darf bis zum Ende des Jahres niemand mehr aufs Gelände.
Allerdings sollen rund zehn Prozent der Beschäftigten den Test verweigert
haben, aus welchen Gründen ist unbekannt. Das gerade in der Hochsaison
viele Leiharbeiter*innen beschäftigt werden, macht die Lage zusätzlich
unübersichtlich.
Nun gibt es das große Rätselraten um den oder die Infektionsherde. Amazon
betont stets, dass die hauseigenen Hygienekonzepte sogar über die
Anforderungen des Landes hinausgehen. So würden zum Beispiel an allen
Arbeitsplätzen zwei Meter statt 1,50 Meter Abstand eingehalten.
## Schwachstellen sind die Raucherbereiche und die Anfahrt
Das Gesundheitsamt der Region Hannover bestätigt das und lobt den Betrieb
für seine Umsicht und Kooperationsbereitschaft. Überprüft hat man das
Konzept im Frühjahr, noch in der ersten Welle. Bei einer erneuten
Überprüfung in der vergangenen Woche hat man dann allerdings doch noch zwei
Schwachstellen ausgemacht: Die Bereiche zum Rauchen und die Anfahrt.
Die Arbeiter*innen werden mit Shuttlebussen von der Straßenbahnhaltestelle
zum Werk und zurück gefahren, hier soll es zu Gedrängel und Überbelegungen
gekommen sein, [3][berichtete ein Reporter der Hannoverschen Allgemeinen
Zeitung (HAZ)], der sich vor Ort umgesehen hatte.
Amazon hat daraufhin den Einsatz von mehr Bussen und einem
Sicherheitsdienst zugesagt – obwohl die Haltestellen außerhalb des
Werkgeländes liegen und damit eigentlich auch außerhalb des
Zuständigkeitsbereiches des Konzerns.
So ganz überzeugt davon, dass der Transport die Ursache für den Ausbruch
ist, ist man allerdings nicht. Wenn dem so wäre, müsste es ja einen
Schwerpunkt bei einer Schicht geben, sagte ein Amazon-Sprecher zur HAZ. Die
Infektionen verteilen sich aber gleichmäßig über alle drei Schichten.
## Unter den Betroffenen sind viele Geflüchtete
Der Konzern verortet das Problem eher im „privaten Bereich“. Unter den
Infizierten befinden sich auch etliche Geflüchtete, die in zwei
Sammelunterkünften in der Umgebung leben.
Das wiederum erinnert an einen ähnlichen Ausbruch beim Paketdienstleister
UPS im nahe gelegenen Langenhagen. Auch hier waren die Bewohner*innen von
zwei Flüchtlingsunterkünften überproportional betroffen. In der Folge gab
es dann auch Infektionen in Kitas und einer Schule, die von Kindern aus den
Unterkünften besucht wurden.
Der Flüchtlingsrat kritisiert schon lange die Unterbringung in
Sammelunterkünften als gesundheitsgefährdend. Zumal sich Gesundheitsämter
in vielen Fällen bisher nicht anders zu helfen wussten, als umfassende
Quarantänen zu verhängen und damit jedes Mal hunderte Personen, auch
Familien mit Kindern, einfach einzusperren. Die Impfempfehlung der
Ständigen Impfkommission verortet die Bewohner*innen von
Gemeinschaftsunterkünften daher auch in der Priorisierungsgruppe 3 – noch
vor Lehrern*innen und Erzieher*innen.
Wie das Gesundheitsamt in diesem Fall mit den Unterkünften oder auch den
Testverweigerern umgeht, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu
bringen.
## Zu den Infektionen kommen auch noch die Streiks
Die Lage in dem Ort vor den Toren Hannovers ist angespannt, weil es auch in
zwei Altenheimen schon Ausbrüche gegeben hat. Die Sieben-Tages-Inzidenz pro
100.000 Einwohner*innen lag in Garbsen am Dienstag bei 331, in der Region
insgesamt bei 162,9. Viele Einwohner*innen fragen sich, ob der öffentliche
Nahverkehr hier nun nicht vielleicht doch zur Gefahrenquelle wird.
Immerhin sollte es ein Heraustragen der Infektion etwa durch Paketboten
nicht geben: Aus dem Verteilzentrum in Garbsen wird nichts direkt
geliefert, hier wird vorsortiert und umgepackt für die eigentlichen
Auslieferungslager. Und auch die Arbeitsbereiche der LKW-Fahrer*innen und
Amazon-Mitarbeiter*innen sollen hinreichend voneinander isoliert sein,
heißt es.
Geschäftlich erwischt der Ausbruch Amazon allerdings ungünstig: Der zweite
Lockdown hat noch einmal für einen Anstieg bei den Bestellungen gesorgt,
gleichzeitig hat Ver.di [4][in mehreren anderen Amazon-Werken bis
Weihnachten zum Streik aufgerufen], um endlich eine Bezahlung nach Tarif
durchzusetzen.
26 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/100…
[2] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Corona-Ausbruch-bei-Amazon-in-Gar…
[3] https://www.haz.de/Umland/Garbsen/Corona-bei-Amazon-in-Garbsen-Sind-ueberfu…
[4] /Arbeitskampf-bei-Onlineversandhaendler/!5735262
## AUTOREN
Nadine Conti
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