Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kenia-Koalition in Magdeburg bröckelt: Triumph des Starrsinns
> Was gerade im Magdeburger Landtag passiert, ist keine Provinzaffäre. Es
> kann die politische Achse der Republik nach rechts verschieben.
Bild: Ministerpräsident Reiner Haseloff (3. v. l.) bei der CDU-Fraktionssitzun…
Die Kenia-Koalition ist fast am Ende. Gleich zwei ergebnislose
Koalitionsschüsse an einem Tag gab es wohl noch nie. Stundenlang haben die
PolitikerInnen im Streit über eine [1][Erhöhung des Rundfunkbeitrags]
verhandelt, um sich mühsam darauf zu einigen, dass man weiter verhandelt.
Wie eine Lösung aussehen kann, ist unklar. Der übliche Weg – man entsorgt
Unlösbares in Formelkompromissen und verschiebt die Entscheidung –
funktioniert nicht, weil 15 andere Bundesländer involviert sind. Die
Situation hat etwas Paradoxes. Denn eigentlich wollen Grüne, SPD und die
Mehrheit der CDU die Regierung nicht zerstören. Und doch gibt es kaum einen
Ausweg.
Schuld daran ist die CDU-Fraktion. Sie sagt Nein zur [2][Gebührenerhöhung
der Rundfunkanstalten] – und verweist mit grimmigem Stolz darauf, dass sie
schon immer dagegen war. Diese Treue zu eigenen Grundsätzen will tapfer
wirken. Doch sie ist mit dem nahen Ende der Regierung und einer Aufwertung
der AfD zu teuer erkauft. Denn dieses Nein der CDU zahlt direkt bei der
Hetze der AfD gegen „[3][die Systemmedien]“ ein. So schlägt Eigensinn in
politischen Starrsinn um, der blind für die Folgen ist. Ist es nicht
Hybris, dass die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt allen anderen Bundesländern
und auch allen Unionsfraktionen, die in der Republik für die Erhöhung um 86
Cent im Monat gestimmt haben, jetzt ihren Willen aufzwingt?
Die tragische Figur der Affäre ist CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Er hat Eskalationsdynamik und Komplexität des Problems unterschätzt. Er
hätte in der CDU-Fraktion mit Druck und Deals früh eine Mehrheit für das Ja
organisieren müssen. Dann wäre die CDU-Fraktion in der Gebührenfrage
unerfreulicherweise zwar gespalten gewesen. Aber das wäre nur ein
Blechschaden gewesen. Jetzt gibt es einen Unfall mit vielen Verletzten.
Denn nun ist aus einer eher nebensächlichen eine fundamentale Frage
geworden. Wer hat in der CDU in Sachsen-Anhalt das Sagen? Die Pragmatiker,
die bislang meist die Mehrheit hatten, oder der rechte Flügel, der lieber
mit der AfD als mit den Grünen regieren will? Die Kräfte in der Union in
Sachsen-Anhalt, die die politische Quarantäne der AfD beenden wollen, haben
Aufwind.
SPD und Grüne wollen die Regierung unbedingt retten. SPD und Grüne sind in
der Kenia-Koalition schon mehrfach bis an die Grenze ihrer Selbstachtung
gegangen. Mal stimmten Teile der CDU mit der AfD ab oder attackierten
rot-grüne MinisterInnen der eigenen Regierung. Diese Duldsamkeit hat einen
einleuchtenden Grund: Es gab keine bessere Alternative. Und das ist noch
immer so. Es gibt keinen Plan B für die Zeit nach Kenia. Eine Mehrheit für
eine Mitte-links-Regierung nach der Wahl 2021 ist sehr, sehr fern. Nach
Kenia kommt wahrscheinlich wieder Kenia.
Die CDU spielt in Magdeburg mit der von Rechtsextremen durchsetzten AfD
politisch über Bande. Das ist keine Provinzposse. Hier wird die politische
Achse der Republik nach rechts verschoben. Dabei verlieren derzeit fast
alle. Haseloff, der die AfD für antidemokratisch hält, schien immer der
Garant zu sein, dass die starke rechte Minderheit in der Union bei der
Stange bleibt. Jetzt muss man wohl sagen: Er war der Garant.
Für SPD und Grüne rückt näher, was sie mit bangem Blick in die Zukunft
immer verhindern wollten – die Regierung verlassen. Und auch die
Mitte-Politiker in der CDU-Fraktion in Magdeburg, die nun glauben,
standfest einen Sieg gegen einen diffusen linksliberalen Mainstream zu
erringen, gehören zu den Verlierern – sie ganz besonders. Sie haben die Tür
für eine Zusammenarbeit mit der AfD weit aufgestoßen und einen politischen
Raum geöffnet, den sie selbst nie betreten wollten. Der einzige Gewinner
ist die AfD.
2 Dec 2020
## LINKS
[1] /Streit-um-Fernsehgebuehren-eskaliert/!5728894
[2] /Erhoehung-der-Rundfunkbeitraege/!5734702
[3] /Artikel-mit-Systemmedien/!s=Systemmedien
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Rundfunkgebühren
Serie Medien und Rechtspopulismus
Sachsen-Anhalt
Kenia-Koalition
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sachsen-Anhalts CDU in der Krise: Kein zur Ruhe kommen
Der Streit um den Rundfunkbeitrag eskaliert in Magdeburg weiter. Der
entlassene CDU-Innenminister Stahlknecht tritt nun auch vom Parteivorsitz
zurück.
Regierungskrise in Sachsen-Anhalt: Haseloff feuert den Innenminister
Der Krach um den Rundfunkbeitrag in Sachsen-Anhalt eskaliert.
Ministerpräsident Haseloff entlässt Innenminister Stahlknecht nach einem
Interview.
Regierungskrise in Sachsen-Anhalt: Die AfD lacht sich ins Fäustchen
Die Krise der Keniakoalition in Sachsen-Anhalt gefällt den radikal Rechten.
Die CDU ist jetzt dort, wo die AfD sie am liebsten hat: in der Klemme.
Streit um Fernsehgebühren eskaliert: Keniakoalition am Abgrund
CDU, SPD und Grüne in Sachsen-Anhalt können sich nicht einigen über die
Rundfunkgebühren. Die Christdemokraten lehnen eine Erhöhung weiter ab.
Linken-Politikerin über Rundfunkbeitrag in Sachsen-Anhalt: „Niederlage für …
Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt will mit der AfD die neuen
Rundfunkgebühren ablehnen. Die Linke Eva von Angern fürchtet einen „Triumph
der AfD“.
Erhöhung der Rundfunkgebühren: Vertrauen für 86 Cent
Die Erhöhung der Rundfunkgebühren um 86 Cent ist eine gute und preiswerte
Investition in Qualitätsmedien – und in den gesellschaftlichen
Zusammenhalt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.