| # taz.de -- Einfluss von Finanzlobbyisten: Banken bekommen, was sie wollen | |
| > Eine Untersuchung zeigt den Einfluss von Finanzlobbyisten auf die | |
| > Politik. Verbraucherorganisationen können nicht mithalten. | |
| Bild: Bankmetropole: City von Frankfurt am Main | |
| Berlin taz | Bereiten die Abgeordneten des Bundestages Gesetze vor, lassen | |
| sie sich von Fachleuten und Interessenvertreter:innen beraten. Welchen | |
| Einfluss diese ausüben, kann man meist nur vermuten, denn | |
| Veröffentlichungspflichten fehlen bisher weitgehend. Einen detaillierten | |
| Überblick zum Lobbyismus durch Verbände der Finanzwirtschaft hat nun die | |
| Organisation Finanzwende vorgelegt. „Wenn die Interessen weniger so | |
| überrepräsentiert sind, dann stellt dies eine immense Gefahr für unsere | |
| demokratische Gesellschaft dar“, erklärte Finanzwende-Vorstand [1][Gerhard | |
| Schick] am Mittwoch. | |
| Laut der Studie „Ungleiches Terrain“ beschäftigen Verbände und Unternehmen | |
| der Finanzbranche – Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter, Makler und | |
| andere – mindestens 1.500 Personen, die sich um politische Einflussnahme in | |
| erster Linie auf die Bundespolitik kümmern. Das jährliche Budget dieser | |
| Organisationen betrage mindestens 200 Millionen Euro, wobei alleine der | |
| Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) etwa 60 Millionen | |
| Euro pro Jahr aufwende, sagte Schick. | |
| Dabei handele es sich um eine vorsichtige Schätzung eher am unteren Rand. | |
| Finanzwende hat „knapp 290 Organisationen“ ausgemacht, „die in Deutschland | |
| an einer industriefreundlichen Finanzmarktpolitik arbeiten“. Die meisten | |
| würden nur bruchstückhafte Informationen über ihre Mittel, die Anzahl der | |
| Mitarbeiter:innen und genaue Tätigkeiten mitteilen. Die Rechercheure von | |
| Finanzwende haben sich geholfen, indem sie die zur Verfügung stehenden | |
| Personalzahlen mit 120.000 Euro pro Kopf für Gehalt und sonstige Ausgaben | |
| multiplizierten. So kamen sie auf die Größenordnung von 200 Millionen Euro | |
| pro Jahr. „Vermutlich ist es aber viel mehr“, so Schick. | |
| Er und seine Leute haben 33 Gesetzgebungsverfahren zwischen 2014 und 2020 | |
| untersucht. Dabei intervenierten die Vertreter:innen der Finanzwirtschaft | |
| in 378 Fällen. Dagegen seien Organisationen der Zivilgesellschaft, etwa | |
| Verbraucherverbände, nur auf 41 Lobbykontakte gekommen, so Finanzwende. Das | |
| Verhältnis zugunsten der Unternehmen betrage 9 zu 1. „Die Interessen der | |
| Bürgerinnen und Bürger werden in der Finanzmarktpolitik vernachlässigt“, | |
| resümierte Schick. Wie viel Geld und Personal die | |
| Nichtregierungsorganisationen dem Finanzsektor entgegensetzen können, wurde | |
| nicht untersucht. | |
| ## Forderung nach Lobbyregister | |
| Finanzwende versteht sich als gemeinnützige Kontrollinstanz im Interesse | |
| der Allgemeinheit. Gründer Schick war zuvor Abgeordneter im Bundestag, | |
| unter anderem als finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Mit der Studie | |
| beklagt er mittelbar auch mangelnden eigenen Einfluss. | |
| Als Beispiel für die Durchschlagskraft der Finanzlobby wurde der | |
| [2][Cum-Ex-Skandal] genannt. Durch falsche Beratung des | |
| Bundesfinanzministeriums habe der Bundesverband Deutscher Banken (BdB) eine | |
| milliardenteure Steuerhinterziehung zulasten des Staates erst ermöglicht, | |
| lautet der Vorwurf von Finanzwende. Auch die Riesterrente diene vor allem | |
| den Unternehmen. | |
| Zur Kritik am Lobbyismus des Versicherungsverbandes GDV sagte dessen | |
| Geschäftsführer Jörg Asmussen: „Interessenvertretung ist legal und legitim, | |
| muss aber transparent sein.“ Deshalb plädiere man grundsätzlich für die | |
| [3][Einführung eines Lobbyregisters]. „Das muss dann aber für alle gelten, | |
| also etwa auch Anwälte und PR-Agenturen“, so Asmussen, der früher als | |
| Staatssekretär im Bundesfinanzministerium tätig war. | |
| Gerhard Schick leitete aus der Studie ebenfalls die Forderung nach einem | |
| Lobbyregister ab, wie es auf europäischer Ebene bereits existiert. Union | |
| und SPD haben sich auf diese Regelung zur Veröffentlichung von | |
| Lobbyaktivitäten grundsätzlich geeinigt, können sich aber über Einzelheiten | |
| nicht verständigen. | |
| 9 Dec 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Finanzskandale-in-Deutschland/!5712940 | |
| [2] /Experte-kritisiert-Laschet-wegen-Cum-Ex/!5726267 | |
| [3] /Ruestungsindustrie-und-Politik/!5720384 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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