# taz.de -- Koalition streitet über Leipzig-Krawalle: „Schwere Vertrauenskri… | |
> Auch nach sechs Stunden Ausschuss-Sondersitzung überwiegen die | |
> Differenzen zu den „Querdenken“-Protesten in Leipzig. In der Koalition | |
> kriselt es. | |
Bild: Demonstranten stehen vor einer Polizeikette und skandieren Sprechchöre, … | |
DRESDEN taz | Keine Spur von Burgfrieden in der sächsischen Kenia-Koalition | |
nach dem Leipziger Eklat der Coronaleugner*innen vom vergangenen | |
Wochenende. Nach sechs Stunden gemeinsamer Sitzung des Innen- und | |
Rechtsausschusses am Donnerstag fanden nicht einmal die Partner*innen von | |
CDU, Grünen und SPD zu einer gemeinsamen Bewertung. | |
[1][Am vergangenen Samstag] demonstrierten in Leizpzig Zehntausende gegen | |
die Coronamaßnahmen – unter ihnen etliche AnhängerInnen von | |
Verschwörungsmythen und gewalttätige Rechtsextreme. [2][In ersten | |
Reaktionen] waren bereits am vergangenen Sonntag Rücktrittsforderungen | |
gegenüber Innenminister Roland Wöller laut geworden. Diese | |
„unqualifizierten Forderungen“ seien vom Tisch, erklärte CDU-Innenpolitiker | |
Rico Anton nach der stundenlangen Sitzung am Donnerstag im Sächsischen | |
Landtag. | |
Auch wenn eine solche Forderung laut nur noch von der oppositionellen | |
Linken erhoben wird, ist kein einziges der erörterten Leipziger Probleme | |
vom Tisch. „Erschreckend“ nannte es Linken-Innenpolitikerin Kerstin Köditz, | |
wie es im Ausschuss „mehrere Stunden zu gegenseitigen Schuldzuweisungen“ | |
gekommen sei. | |
Ihr Grünen-Kollege Valentin Lippmann bescheinigte der Polizei immerhin, | |
sich im Gegensatz zu Innenminister Wöller selbstkritisch und lernbereit | |
gezeigt zu haben. „Was vom Tisch ist, entscheidet nicht Herrn Anton“, ätzte | |
Lippmann in Richtung des großen Koalitionspartners. | |
## Rücktrittsforderungen gegen Innenminister | |
Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar äußerte sich nachdenklich. Die | |
Maskenverweigerung der Demonstrant*innen sei absehbar gewesen, eine | |
[3][Räumung aus polizeilicher Sicht nahezu aussichtslos], nachdem sich | |
bereits mehr als 3.000 Bürger*innen am Augustusplatz versammelt hatten. Man | |
müsse in Zukunft schon bei ihrer Anreise die Einhaltung der | |
Versammlungsauflagen durchsetzen. | |
Innenminister Wöller war noch weiter gegangen. „Die Demonstration hätte gar | |
nicht beginnen dürfen“, schob er der Stadt Leipzig und dem im Ausschuss | |
gleichfalls anwesenden Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal von der Linken | |
die alleinige Verantwortung zu. Wohl wissend, dass Leipzig durch die | |
faktische Begünstigung der Coronaparty in der Innenstadt durch das | |
[4][Bautzener Oberverwaltungsgericht] die Hände gebunden waren. | |
Ob des Auftritts des Innenministers im Stil einer seit 30 Jahren in Sachsen | |
regierenden und immer recht habenden Staatspartei verlor der Polizist und | |
Innenpolitiker der SPD Albrecht Pallas beinahe die Fassung. Der | |
Ordnungsbürgermeister habe den Abwägungsprozess glaubwürdig dargestellt, im | |
Ausschuss zumindest sei die Atmosphäre sachlicher gewesen. „Man muss die | |
Frage stellen, ob Herr Wöller die Verantwortung überhaupt noch will“, | |
verklausulierte Pallas die auch aus seiner Partei laut gewordenen | |
Rücktrittsforderungen. | |
Linke, Grüne und SPD sind sich jedenfalls einig, dass es eine „untaugliche | |
Gefahrenprognose“ der Polizei und Abstimmungsprobleme mit der | |
Versammlungsbehörde gab. Die Probleme würden in kommenden regulären | |
Ausschusssitzungen weiter erörtert werden. Der Grüne Lippmann sprach von | |
einer „schweren Vertrauenskrise der Koalition“. Es liege an der CDU, dieses | |
Vertrauen wiederherzustellen. Das schwarz-rot-grüne Bündnis ist in Sachsen | |
ohne Alternative, wenn eine Regierungsbeteiligung der AfD vermieden werden | |
soll. | |
## Justizministerin steht hinter OVG-Entscheidung | |
Ministerpräsident Michael Kretschmer befindet sich derzeit in Quarantäne | |
und kann wenig zur Befriedung beisteuern, nachdem auch seine Stellvertreter | |
Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und Umweltminister Wolfram Günter | |
(Grüne) Kritik am leichtfertigen Umgang mit der Leipziger Demonstration | |
geäußert hatten. | |
In seiner Kritik am sächsischen Oberverwaltungsgericht hatte Innenminister | |
Wöller am Mittwoch wiederum Unterstützung vom ehemaligen Justizminister und | |
derzeitigen Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth (ebenfalls CDU) | |
erhalten. Die Begründung des Gerichts, die Polizei hätte das Limit von | |
16.000 Teilnehmer*innen und die Maskenpflicht nur durchsetzen müssen, | |
bezeichnete Mackenroth als „ein bisschen sehr lebensfremd“. Infolge der | |
Missachtung aller Auflagen sei ein „fatales Signal“ von Leipzig | |
ausgegangen. | |
Sehr spät hatte sich die amtierende Justizministerin Katja Meier von den | |
Grünen erst am Montagnachmittag in einer schmalen Mitteilung bedingungslos | |
vor das OVG gestellt und sich jede Kritik an dessen unabhängigen | |
Entscheidungen verbeten. Dafür wird es vorerst auch keinen Anlass mehr | |
geben. Am Dienstag verschärfte das Regierungskabinett die | |
Versammlungsvorschriften für die Zeit des zweiten Lockdowns. Bei | |
öffentlichen Aufzügen in Sachsen dürfen nur noch maximal tausend Menschen | |
demonstrieren. | |
13 Nov 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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