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# taz.de -- Kunst-Versteigerung „Direkte Auktion“: Tarantino, Trockel, Rauch
> Künstler*innen sind die größten Pandemie-Verlierer. Nun werden mehr als
> 400 Kunstwerke versteigert. Die Erlöse gehen größtenteils direkt an
> Urheber.
Bild: Los 78, von Bettina Semmer, „Harun“, ein Porträt zum Abschied von Ha…
Nach Monaten der Pandemie ist es sicher zu sagen, dass die großen
Auktionshäuser nicht zu den Opfern der Folgen gehören. Die Halbjahreszahlen
des Branchenriesen Sotheby’s waren zwar niedriger als im Vorjahr, beliefen
sich aber dennoch auf einen Umsatz von 285 Millionen US-Dollar – und das
nur im Bereich der Onlineauktionen. So gut wie Sotheby’s oder Christie’s
geht es bei Weitem nicht allen in der Kunstwelt. Tatsächlich sind die
größten Verlierer der Pandemie diejenigen, die die lebensnotwendige
Voraussetzung der Kunstwelt schaffen: die Künstler*innen.
Besonders Künstler*innen aus dem Mittelfeld bangen seit dem Frühjahr um
ihre Existenzgrundlage, nach wie vor ohne jegliche Perspektive auf
Besserung. „Oft sind das die besten künstlerischen Positionen, die
wegzubrechen drohen, weil die Leute zu Lieferando-Fahrer*innen werden“,
stellt der Journalist und Autor Holm Friebe von der Zentralen
Intelligenzagentur fest.
Zusammen mit der Künstlerin Bettina Semmer arbeitet er bereits seit dem
ersten Lockdown an der Idee und Umsetzung eines neuen Auktionsformats, von
dem ebenjene Künstler*innen am meisten profitieren sollen. Nachdem die
rechtlichen und formalen Rahmenbedingungen für eine Auktion auf
internationalem Markt von einem 30-köpfigen Team geschaffen wurden,
[1][findet die „Direkte Auktion“ nächstes Wochenende mitten im zweiten
Lockdown statt].
„Art, aber fair“ lautet ihr Untertitel, und das zu Recht. Aus dem Verkauf
von insgesamt 428 Werken gehen 2/3 der Nettoerlöse direkt an die
Künstler*innen. Zehn Prozent erhalten die 19 Kurator*innen, die die
Kunstwerke für die Auktion in verschiedene Chapter kuratiert haben, mit der
Möglichkeit, ihr Honorar zu spenden.
Das Berliner Auktionshaus Jeschke van Vliet ist Mitinitiator und
-veranstalter der „Graswurzel-Auktion“ und verzichtet auf die sonst übliche
Provision. Nach der anfänglichen Ohnmacht angesichts der Auswirkungen der
Pandemie insbesondere auf die Existenz von Soloselbstständigen und der
unzulänglichen Bemühungen seitens der Politik werden in Berlin am kommenden
Wochenende die Ärmel hochgekrempelt.
„Das Auktionshaus Jeschke van Vliet wies uns darauf hin, dass einige große
Namen in einem Auktionsprofil unverzichtbar sind, wenn man die
internationalen Sammler*innen ansprechen will“, erzählt Holm Friebe. Und so
würden auch Werke von „toten weißen Männern“ wie Joseph Beuys, Georg
Baselitz, Julian Schnabel oder Martin Kippenberger unter den Hammer kommen.
Aber auch von lebenden – etwa eine Arbeit von Neo Rauch.
Manche etablierte Namen seien für die Idee der „Direkten Auktion“ nicht
erreichbar gewesen. Andere wiederum, wie die Künstlerin Rosemarie Trockel,
hätten sofort verstanden, worum es geht. Sie verfügt, dass der Erlös aus
ihrer Arbeit den Künstler*innen zugutekommt, deren Werke bei der Auktion
durchfallen sollten.
Doch am Wochenende wird nicht nur Kunst versteigert. Zwei
Originalmanuskripte Quentin Tarantinos gehören ebenso zu der Auswahl wie
eine Zigarettenschachtel, die Catherine Deneuve in einer Hotelbar
liegenließ.
Da es bei der „Direkten Auktion“ nicht bei einer einmaligen Angelegenheit
bleiben soll, hoffen die Veranstalter*innen auf viele Kaufwillige. Denn die
Auktion soll nicht nur mit den Joseph Beuys und Neo Rauch internationale
Sammler*innen anlocken, sondern auch Berliner*innen, die die Kunst von
lokalen Talenten kaufen und somit den hiesigen Kunstmarkt unterstützen. Es
gebe schließlich mittlerweile einen solventen Mittelstand in der Stadt,
„der seine Wanddekorationsobjekte allerdings immer noch bei Lumas oder Ikea
kauft“.
Um Kunstliebhaber*innen zu Kunstsammler*innen zu machen, wurde das
Auktionsformat so entschlackt, dass es ohne Probleme auch von Laien und
Einsteiger*innen verstanden und genutzt werden kann. So ist zu hoffen, dass
der Prototyp einer fairen Kunstauktion ein Erfolg wird und auch in Zeiten
nach der Pandemie den Weg zu einem gerechteren Auktionsmarkt führen kann,
von dem Künstler*innen mehr profitieren.
27 Nov 2020
## LINKS
[1] http://www.jvv-berlin.de/direkteauktion
## AUTOREN
Marlene Militz
## TAGS
Kunst
Schwerpunkt Coronavirus
Berlin
Quentin Tarantino
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