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# taz.de -- Böllerverbot an Silvester in Berlin: Das wäre echt der Knaller
> Nie standen die Chancen besser, ein ruhiges Silvester zu erleben – Corona
> sei Dank. Doch nicht alle freut das. Und wäre es auch kontrollierbar?
Bild: Viel Rauch um Nichts
## Die Polizeigewerkschaftschaft will's krachen lassen
Die jährlichen Berichte am 1. Januar ähneln sich frappierend. „Im Berliner
Unfallkrankenhaus (UKB) behandelten die Ärzte bis zum Nachmittag 26
Verletzungen durch Böller. Dazu zählten mehrere schwerste Verbrennungen.
Teils waren durch Explosionen Finger abgetrennt worden, in einem Fall die
ganze Hand. Unter den Schwerverletzten seien vier Kinder unter zehn
Jahren“, hieß es etwa am 1. Januar 2020 aus dem UKB. Die Sprecherin des
Klinikums, Angela Kijewski, beschreibt gegenüber der taz die immer
wiederkehrende Lage so: „Die Zeit um den Jahreswechsel ist aufgrund der
Zahl der Verletzungen und ihrer Schwere extrem arbeitsreich“; die OP-Säle
seien durchweg belegt, ebenso die Stationen in den Tagen danach.
Die Berliner Feuerwehr meldete in ihrem Jahresbericht 2019: „In der
Silversternacht rückte die Berliner Feuerwehr zwischen 19 und 6 Uhr zu mehr
als 1.500 Einsätzen aus. Erneut kam es zu einer Vielzahl von Angriffen
gegen Einsatzkräfte.“ Letztere, so mahnt die Feuerwehr schon länger, würden
stetig zunehmen.
Vor diesen Hintergrund wäre ein (vorerst einmaliges) Aussetzen der
Böllerei, wie er in dem [1][von Berlin verfassten Entwurfspapier] für die
Bund-Länder-Verhandlungen am Mittwoch vorgesehen ist, [2][ein echter (und
gesunder) Knaller]. Doch den stets düsteren Bilanzen zum Trotz halten sich
UKB, Feuerwehr und auch die Berliner Polizei in der Debatte über ein
Verkaufsverbot für Böller mit einer klaren Positionierung zurück.
Obwohl ein solches Verbot die Arbeit an Silvester „in vielerlei Hinsicht
erleichtern“ würde, wolle man sich dazu nicht pauschal äußern, sagte ein
Sprecher der Feuerwehr am Montag; schließlich sei dies keine Entscheidung,
die die Feuerwehr treffen müsse, sondern die Politik. Ähnlich äußerten sich
UKB und eine Polizeisprecherin.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wiederum glaubt nicht so recht an ein
solches Verbot. Denn es gehe „vor allem auch um die Umsetzbarkeit“, teilte
GdP-Landeschef Norbert Cioma am Montag mit. Viele Berliner*innen hätten
noch Böllervorräte aus den vergangenen Jahren und die Polizei sei weder
technisch noch von der Größe der Stadt her in der Lage, das Verbot – so es
denn komme – umfassend zu kontrollieren.
Zudem äußerte Cioma rechtliche Bedenken: „Alles mit der Gefahr durch die
Coronapandemie zu begründen, finden wir nicht ganz schlüssig; den
Zusammenhang zwischen benötigten Kapazitäten auf den Intensivstationen und
den Rettungsstellen, die sich an Silvester um Verletzungen durch
unsachgemäßen Gebrauch von Pyrotechnik ergeben, sehen wir nicht.“
Die GdP sprach sich für eine [3][Ausweitung der Böllerverbotszonen] aus,
die am vergangenen Jahreswechsel zum ersten Mal getestet wurden. Auf dem
Alexanderplatz und rund um die Pallasstraße in Schöneberg-Nord durfte
damals nicht geknallt werden. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte die
beiden Testzonen Mitte Januar als Erfolg bezeichnet. Die Anwohner hätten
durchweg positiv reagiert. Allerdings sei das Konzept nur deshalb
aufgegangen, weil ausreichend Beamte dafür abgestellt waren. Selbst ein
Wasserwerfer wurde in Schöneberg bereitgehalten.
Geisel war damals davon ausgegangen, dass diese Verbotszonen auch zum
Jahreswechsel 2020/21 wahrscheinlich seien. Eine Diskussion über weitere
Verbotszonen – etwa auf dem Hermannplatz in Neukölln – hatte er indes als
„verfrüht“ bezeichnet. Aber dieses Jahr ist ja ganz anders. Bert Schulz
##
## Am Morgen tief durchatmen
Fakt ist: Silvesterfeuerwerk produziert Unmengen an Feinstaub. Wenn
innerhalb von ein bis zwei Stunden Millionen Schwarzpulverladungen in die
Luft gehen, hängt die im Anschluss voller winziger Partikel aus Ruß.
Bei günstigem Wetter – viel Feuchtigkeit in der Luft – verbinden sich diese
Substanzen mit Wassertröpfchen zu einem deutlich sichtbaren Aerosol: dem
Neujahrsnebel des Grauens. Ohne Feuerwerk könnte man nach dem Anstoßen also
endlich mal wieder tief durchatmen. Fakt ist aber auch: Der Beitrag eines
Silvesterfeuerwerks zur Gesamtbelastung der Berliner Luft mit Feinstaub ist
– leicht zugespitzt – irrelevant.
Zwar sind die an den Luftmessstationen ermittelten Mengen der
Feinstaubklasse PM10 in der Silvesternacht so hoch, dass die Ausschläge auf
den Diagrammen nicht mehr richtig dargestellt werden können. In der
Frankfurter Allee schnellte der Stundenwert am 1. Januar 2020 um 1 Uhr auf
das 40-fache des um diese Uhrzeit üblichen PM10-Werts.
Der Tagesdurchschnitt des 1. Januar lag mit 83 Mikrogramm pro Kubikmeter
Luft (μg/m3) über dem Wert von 50 Mikrogramm, der gemäß EU-Grenzwert 35-mal
im Jahr überschritten werden darf. An drei weiteren Stationen wurden
Tageswerte zwischen 50 und 80 Mikrogramm gemessen, an den restlichen acht
blieb alles im grünen Bereich. Und überhaupt: Was Feinstaub angeht, ist
Berlins Luft mittlerweile ziemlich gut. Seit 2015 wurde die 35-Tage-Marke
nirgendwo in der Stadt gerissen. Claudius Prößer
##
## Feuerwerksverkauf
Um den Jahreswechsel boomt das Geschäft mit Feuerwerk. Für Torsten Fehr,
den Geschäftsführer des Lichtenrader Feuerwerksverkaufs, ist die Aussicht
auf ein Verbot von privatem Feuerwerk an Silvester daher auch „eine
mittlere Katastrophe“.
Der Silvesterverkauf alleine mache rund 80 Prozent seines Jahresumsatzes
aus, erzählt er der taz. Das ganze Jahr über beschäftige sich sein
Unternehmen damit, die Ware für die letzten Tage des Jahres einzukaufen.
Normalerweise hätten sie viele Vorbestellungen. Das Problem: Wegen der
Aussicht auf ein Böllerverbot „stornieren die Kunden jetzt schon
reihenweise“, sagt Fehr. Die Ware sei aber bereits eingekauft und stehe im
Lager, auch die Kosten, die das ganze Jahr für die Vorbereitung des
Silvesterverkaufs entstehen, seien nicht zu unterschätzen.
Fehr sagt, er habe „vollstes Verständnis“ dafür, große Veranstaltungen zu
unterbinden. Warum Leute draußen nicht ihr Silvesterfeuerwerk abbrennen
dürfen, während es weiter möglich ist, in den Gottesdienst zu gehen, sei
für ihn aber nicht nachvollziehbar. Roberto Sanchino Martinez
## Schon jetzt ein Böllerverbot
Zumindest für die Straße des 17. Juni ist ein Böllerverbot nichts Neues.
Auf der offiziellen Silvesterfeier vor dem Brandenburger Tor dürfen
Besucher*innen schon lange nicht mehr knallen und Raketen steigen lassen –
zu dicht war hier die Menge an Menschen.
Dieses Jahr wird es keine Feier geben, dafür aber aller Voraussicht nach
eine Demonstration. Die Querdenken-Bewegung hat, wie die Polizei auf
taz-Anfrage bestätigte, eine Versammlung angemeldet. Unter dem Titel
„Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden 2“ wollen die
Coronaleugner*innen 22.500 Teilnehmer*innen von 15.30 Uhr bis 1 Uhr nachts
auf die Straße bringen; Polonaise nicht ausgeschlossen.
Böllern dürfen die Knaller dabei nicht; allein schon, weil das auf
Kundgebungen und Demonstrationen grundsätzlich verboten ist. Ein
Verkaufsverbot könnte trotzdem helfen, dass sich die Schwurbler, die sich
von Ver- und Geboten eh nicht beeindrucken lassen, schwieriger an Material
kommen, um Polizist*innen und etwaige Gegner*innen mit einer
Feuerwerksschlacht bekriegen. Erik Peter
23 Nov 2020
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-Coronamassnahmen/!5730917
[2] /Boellerverbot-in-Berlin/!5725318
[3] /Boellerverbotszonen-in-Berlin/!5653205
## AUTOREN
Claudius Prößer
Bert Schulz
Erik Peter
Roberto Sanchino Martinez
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