# taz.de -- Debatte übers Böllerverbot in Berlin: Knallköpfe dürfen weiter … | |
> Der Regierende Bürgermeister strebt eine bundeseinheitliche Lösung in | |
> Sachen Böllerverbot an. Die jährliche Debatte darüber endet wie immer. | |
Bild: Sein Geld kann man auch online verpulvern: aktuelle Werbung in Berlin | |
Nie war Berlin einem effektiven Böllerverbot an Silvester so nah, wie in | |
diesem vermaledeiten Coronajahr 2020. Nie wäre es so einfach und logisch | |
gewesen, den öffentlichen Verkauf von Raketen, Batterien und Knallfröschen | |
zu untersagen, denn dieses konkrete Verbot bräuchte es dafür: Wo keine | |
Böller, da keine Böllerei, da kaum angeheiterte nachbarschaftliche | |
Umarmungsorgien auf der Straße um 24 Uhr, keine Nachbildung von | |
Straßenkämpfen und keine unnötigen Schichten in den wegen Corona bereits am | |
Limit arbeitenden Krankenhäusern. | |
Ein schlichtes bundesweites Verkaufsverbot hätte aufwendig abgesperrte | |
Verbotszonen und aufreibende Kontrollen durch die Polizei unnötig gemacht. | |
Und über die paar Knallerreste, die noch in den Schubladen herumlagen, oder | |
die paar geschmuggelten Kracher aus östlichen Nachbarländern, über die | |
hätte man dezent hinweggehört. | |
Das Jahr 2020 ohne sinnlos abgetrennte Finger und schwer verletzte | |
Zehnjährige zu beenden, ohne viel unnötigen Feinstaub in der Luft und ohne | |
rotschimmernde Knallerreste am Boden: Das wäre angemessen gewesen nach zehn | |
Monaten Pandemie und ein Zeichen an jene, die in dieser Zeit oft | |
Alltagshelden genannt wurden, etwa die Pfleger in den Kliniken. | |
Aber der auch unter Druck der Berliner Grünen forcierte Verbotsvorschlag | |
endete in der entscheidenden Sitzung der Kanzlerin mit den | |
MinisterpräsidentInnen am Mittwoch wie einer dieser „Heuler“ genannten | |
Miniraketen: Erst krass laut, aber nach drei Sekunden vorbei. | |
## Bundesweit einheitliche Lösung? | |
Am Ende haben Angela Merkel und die LänderchefInnen Silvesterfeuerwerk | |
lediglich auf belebten Plätzen und Straßen untersagt. Wie die konkreten | |
Vorgaben aussehen werden, damit soll sich laut Berlins Regierendem | |
Bürgermeister die Ministerpräsidentenkonferenz noch mal am 2. Dezember | |
befassen. Er strebe eine bundesweit einheitliche Lösung an, sagte Michael | |
Müller (SPD) am Donnerstagabend nach der Senatssitzung. | |
Angesichts der Inkonsequenz vieler Beschlüsse vom Mittwoch ist diese | |
Haltung zum Böllern konsequent: Wer zuvor extra verschärfte | |
Kontaktbeschränkungen über Weihnachten massiv lockert, der darf seinen | |
BürgerInnen auch nicht die Freude am Knallen nehmen wollen. Die | |
heidnisch-christlichen Spiele müssen bleiben, egal wie hart das Brot danach | |
schmeckt. | |
Natürlich hätte ein Verbot einen weiteren Verzicht auferlegt: Viele | |
Menschen haben fast kindlichen Spaß am Böllern, am Raketen betrachten, am | |
Zündeln, und es ist auch nichts dagegen zu sagen, sein Leben lang irgendwo | |
ein Kind zu bleiben. Und natürlich hätte sich die Politik dem Vorwurf | |
ausgesetzt gesehen, die Pandemie nur als Vorwand zu nutzen, um eine | |
Maßnahme durchzusetzen. Aber wäre das so schlimm, da es sich um eine | |
schlichtweg logische und sinnvolle Maßnahme handelt? | |
In vielen anderen Städten der Welt ist man längst zu dieser Einsicht | |
gekommen. Und die Menschen dort leben trotzdem noch. In anderen Ländern | |
wird auch viel schärfer gegen Zigaretten vorgegangen, und auch dort leben | |
die Menschen noch. Und in anderen Städten werden ganze zentrale Bereiche | |
für den Autoverkehr gesperrt und von FußgängerInnen zurückerobert. Und | |
diese Städte sind bisher nicht untergegangen. | |
Ein allgemeiner Verzicht auf Böller in diesem Jahr – und erst mal nur in | |
diesem – hätte gezeigt, was fehlt, wenn nicht geknallt wird, und was nicht | |
fehlt. Viele wären sicher erstaunt gewesen. | |
28 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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