# taz.de -- Berliner Innensenator zu Böllerverbot: „Vor Kontrolle ist die Ve… | |
> Zwei Böllerverbotszonen reichen nicht aus, meint Innensenator Geisel. | |
> Eine Demo der Coronaleugner würde er möglichst verbieten lassen – vor | |
> Silvester. | |
Bild: Der Verkauf von Feuerwerk ist in diesem Jahr untersagt | |
taz: Herr Geisel, mit was für einem Szenario rechnen Sie an [1][Silvester]? | |
Feiern die Menschen auf der Straße trotz Corona? | |
Andreas Geisel: Wenn ich die Zukunft vorhersagen könnte, wäre ich fein | |
raus. Aber ich gehe fest davon aus, dass das kein normales Silvester wird. | |
Womit rechnen Sie? | |
Ich hoffe, dass die meisten Leute so vernünftig sind und zu Hause bleiben. | |
Ansammlungen auf der Straße wird es wohl nicht so stark geben wie in den | |
vergangenen Jahren. Auch umfassendes Feuerwerk über der ganzen Stadt ist | |
eher unwahrscheinlich. Letzteres schon allein deshalb, weil kein Feuerwerk | |
verkauft werden darf. Aber wir rechnen schon damit, dass es an einigen | |
Stellen der Stadt Versuche geben wird zu böllern. Oder dass Leute versuchen | |
werden, sich gegenseitig mit Feuerwerkskörpern zu beschießen. | |
Laut Infektionsschutzverordnung sind Sie als Innensenator ermächtigt, zu | |
Silvester und Neujahr Straßen und Plätze auszuweisen, [2][wo der Aufenthalt | |
und das Böllern verboten sind]. Werden Sie davon Gebrauch machen? | |
Ja, ich habe diese Zuständigkeit, und ich werde sie mit Augenmaß ausüben. | |
Zwei Gedanken stehen dahinter: Ansammlungen verhindern, um das | |
Infektionsrisiko zu minimieren. Und: Böllern und Silvesterfeuerwerk | |
bedeuten eine zusätzliche Verletzungsgefahr, die wir mit Blick auf eine | |
Überlastung unseres Gesundheitssystems vermeiden müssen. | |
Was haben Sie vor? | |
Wie im Vorjahr werden wir zwei Gebiete in Berlin als Böllerverbotszonen | |
ausweisen: den Steinmetzkiez/Pallasstraße und den Alexanderplatz. Das | |
geschieht auf Basis des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, weil | |
in den Gebieten in der Vergangenheit Angriffe auf Feuerwehrleute und | |
Polizeikräfte erfolgt sind. Was darüber hinausgeht, werden wir in den | |
kommenden Tagen entscheiden. | |
Worauf könnte es hinauslaufen? | |
Möglich wäre die Ausweitung von mehreren Gebieten, die über die ganze Stadt | |
verteilt sind. Hier könnten wir Areale ausweisen, in denen das Böllern auf | |
Grundlage des Infektionsschutzes grundsätzlich untersagt ist. In der | |
Infektionsschutzverordnung steht, dass wir Straßen, Plätze und Grünanlagen | |
benennen sollen. Wir prüfen gerade, welche das sind und wie viele es | |
werden. Ein bis zwei werden nicht reichen. | |
Es gibt ein Feuerwerkverkaufsverbot, aber kein Böllerzündeverbot. Ist das | |
nicht paradox? | |
Berlin hatte bei der Konferenz der Ministerpräsidenten und der | |
Bundeskanzlerin vorgeschlagen, beides zu bündeln. Aber die Rechtslage ist | |
so, dass es kein Zündeverbot gibt. Es sei denn, die Böller werden in den | |
Verbotszonen gezündet oder in den Bereichen, in denen es aus | |
Infektionsschutzgründen verboten ist. Wenn es solche Regelungen gibt, | |
müssen sie aber auch durchgesetzt werden. Ich werde mit der | |
Gesundheitsverwaltung und mit der Polizei versuchen, einen Modus zu finden, | |
der angemessen und durchsetzbar ist. Mein Appell an die Berlinerinnen und | |
Berliner lautet: Verzichten Sie von sich aus auf das Knallen. Weniger | |
Böller, mehr Gesundheit. Was nicht heißt, dass ein Vater mit seinem kleinen | |
Sohn im Garten keine einsame Rakete aus dem letzten Jahr abschießen darf. | |
Die Berliner werden jetzt verstärkt nach Polen fahren, um Pyrotechnik | |
einzukaufen. Wird das Feuerwerkverkaufsverbot in Deutschland damit nicht ad | |
absurdum geführt? | |
Solche Einkäufe gab es in den letzten Jahren auch schon. Die Polenböller | |
ohne Zertifizierung sind schon seit Jahren verboten. Sie wurden in Berlin | |
trotzdem immer wieder gezündet. So viel zum Thema Verbote und wie sehr sich | |
die Menschen daran halten. Dazu kommt der Onlinehandel. Insgesamt wird das | |
Verkaufsverbot aber zu einer deutlichen Reduzierung führen. | |
Auch Alkohol darf im harten Shutdown nicht mehr in der Öffentlichkeit | |
konsumiert werden. Wie wollen Sie das kontrollieren? | |
Vor der Kontrolle kommt die Vernunft. Es geht nicht um das einzelne Bier, | |
das jemand trinkt. Es geht um die Partys oder um die Menschenansammlungen | |
an Glühweinständen. Glühwein trinken macht Spaß, das ist unbestritten. Aber | |
es gibt kein Grundrecht auf Glühwein, schon gar nicht, wenn damit auch eine | |
Infektionsgefahr verbunden ist. | |
Für den 31. Dezember hatten die Coronaleugner ursprünglich eine | |
Großdemonstration angemeldet. Jetzt gilt an dem Tag ein Versammlungsverbot. | |
Haben die Anmelder darauf schon reagiert? | |
Ja. Ich gehe davon aus, dass es Versuche geben wird, die Demonstration an | |
einem anderen Tag anzumelden. | |
Gibt es schon konkrete Daten? | |
Es gibt Versuche, die Versammlung für den 30. Dezember in einer ähnlichen | |
Größenordnung … | |
… das wären also 22.500 Teilnehmer … | |
... anzumelden. Angesichts des Infektionsgeschehens in Deutschland und | |
dieser Stadt halte ich das für einen Ausdruck großer Unvernunft. Die | |
Polizei stellt das vor eine riesengroße Herausforderung. | |
Was wollen Sie unternehmen? | |
Meine Haltung dazu ist ausreichend bekannt. Aber wir müssen genau schauen, | |
dass das rechtssicher ist. | |
Sie meinen, ein Verbot der Demonstration, so wie es Bremen und Dresden | |
kürzlich auch gegen Coronaleugner durchgesetzt haben? | |
Mit Blick auf das Infektionsgeschehen wäre das die beste Lösung. Aber das | |
ist eine Frage, die die Gesundheitsämter und die Versammlungsbehörde zu | |
entscheiden haben. | |
Ihr Demonstrationsverbot für den 29. August 2020 haben die Berliner | |
Verwaltungsgerichte kassiert. | |
Die Versammlungsbehörde hatte das Verbot damals ausgesprochen, weil sie | |
davon ausgegangen ist, dass gegen das Abstandhalten und Tragen des | |
Mund-Nasen-Schutzes verstoßen wird. Und genau das ist an dem Tag der | |
Demonstration auch eingetreten. Also alle Befürchtungen, die wir in die | |
Verbotsverfügung geschrieben haben, sind am nächsten Tag genauso | |
eingetreten. Ja, wir haben vor Gericht damals verloren. Die Berliner | |
Gerichte haben anders entschieden als jetzt in Bremen, Dresden oder Erfurt. | |
Ich hatte trotzdem recht. | |
Das heißt, Sie würden jetzt einen zweiten Versuch wagen – keine Angst vor | |
einer neuen Schlappe? | |
Es gilt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz. | |
Alles Weitere wird die Anmeldung und die konkrete Situation zeigen. | |
21 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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