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# taz.de -- Böllerverbot zu Silvester: Freiheit für Knallerbsen
> Ein Gericht in Niedersachsen hält ein pauschales Böllerverbot für
> unverhältnismäßig. Weitere Urteile könnten folgen.
Bild: Silvester ohne Raketen? Die Industrie warnt vor existentiellen Sorgen
Freiburg taz | Das strikte Feuerwerksverbot in Niedersachsen ist
unverhältnismäßig. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am
Freitag in einem Eilbeschluss. Das bundesweite [1][Verkaufsverbot für
Raketen und Böller] ist davon nicht betroffen.
Am Sonntag vor einer Woche beschlossen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
die MinisterpräsidentInnen der Länder bei ihren Coronaberatungen auch ein
bundesweites Feuerwerksverbot auf „publikumsträchtigen Plätzen“, die die
Kommunen definieren sollen. Außerdem werde der Verkauf von Pyrotechnik vor
Silvester „in diesem Jahr generell verboten.“ Die [2][Beschlüsse der
Bund-Länder-Runden] sind aber nur politische Absprachen und nicht rechtlich
verbindlich.
Zum Umsetzung beschloss Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Lauf der
Woche eine Änderung der Sprengstoff-Verordnung. Danach ist es im Jahr 2020
verboten, Feuerwerk der Klasse F2 an VerbraucherInnen zu verkaufen. Gemeint
sind Raketen und Böller. Der Verkauf von Kleinstfeuerwerk der Klasse F1 –
zum Beispiel Wunderkerzen und Knallerbsen – bleibt möglich. Am Freitag
stimmte der Bundesrat der Verordnung zu.
Das Land Niedersachsen setzte die Bund-Länder-Beschlüsse in seiner
Coronaverordnung besonders rigide um. Es verbot jeden Verkauf von
Feuerwerkskörpern und pyrotechnischen Gegenständen, also auch von
Wunderkerzen und Knallerbsen. Außerdem wurde landesweit das „Mitführen und
Abbrennen“ von Feuerwerksgegenständen verboten, also auch von Wunderkerzen
und Knallerbsen.
## Kläger ist ein Wirtschaftsanwalt
Gegen diesen Teil der niedersächsichen Coronaverordnung klagte der
Wirtschaftsanwalt Mark-Oliver Otto. An einem Feldrand auf dem Land seien an
Silvester keine Menschenansammlungen zu erwarten. Otto erhob einen
Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg.
In einem Eilbeschluss gab das OVG Otto am Freitag Recht. Es kippte das
niedersächsische Feuerwerksverbot und das Verkaufsverbot als
unverhältnismäßige Eingriffe in die „Handlungsfreiheit“ der Bürger und …
die wirtschaftlichen Interessen der Feuerwerks-Industrie. So sei es nicht
zu erwarten, dass das (An-)Zünden von Wunderkerzen und Knallerbsen zu
Menschenansammlungen führe. Auch ein flächendeckendes Verbot von
Pyrotechnik sei nicht erforderlich. Es hätte genügt, sich auf Orte zu
beschränken, an denen es erfahrungsgemäß zu kollektivem Feuerwerk komme.
Der Schutz vor Verletzungen durch Böller und Raketen sei, so das OVG,
ohnehin keine Maßnahme des Infektionsschutzes. Hierauf konnte das
niedersächsische Feuerwerksverbot gar nicht gestützt werden. Vielmehr sei
die Sprengstoff-Verordnung des Bundes, die nur ein Verkaufsverbot vorsieht,
maßgeblich. Die Verletzungen durch Böller und Raketen führten auch nicht zu
einer Belastung der COVID 19-Behandlungskapazitäten in den Kliniken, so die
RichterInnen, wohl weil hier unterschiedliche Abteilungen betroffen sind.
Die Landesärztekammer und der niedersächsische Städte- und Gemeindebund
forderten das Land umgehend auf, die Corona-Verordnung nachzubessern.
Inzwischen hat auch das Land angekündigt, dass es ein Feuerwerksverbot
erlassen will, das den Anforderungen des OVG gerecht wird. Voraussichtlich
wird es sich auf das Abschießen von Raketen und Böllern beschränken und
auch dies nur auf bestimmten von den Kommunen definierten Plätzen. Eine
entsprechende Änderung der Landes-Coronaverordnung muss noch vor Silvester
erfolgen. Das bundesweite Verkaufsverbot für Raketen und Böller war von dem
OVG-Beschluss ohnehin nicht betroffen.
## Feuerwerksindustrie verärgert
In anderen Bundesländern gibt es noch keine vergleichbaren Gerichtsurteile.
Diese könnten aber noch kommen, denn auch andere Länder gingen über den
Bund-Länder-Beschluss von voriger Woche hinaus. So heißt es etwa in der
baden-württembergischen Coronaverordnung ganz pauschal: „Das Abbrennen
pyrotechnischer Gegenstände ist im öffentlichen Raum verboten.“ Auch hier
gilt das Verbot also flächendeckend und auch für Wunderkerzen.
Die Feuerwerksindustrie warnte unterdessen vor existenzbedrohenden Folgen.
Sie erwirtschafte 95 Prozent ihrer Umsätze um Silvester herum. Marktführer
in Deutschland ist das Unternehmen Weco aus Nordrhein-Westfalen, das
weltweit 400 Personen beschäftigt und überwiegend im Ausland produzieren
lässt, insbesondere in China.
20 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
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