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# taz.de -- Geopolitische Rivalitäten: Peking schielt auf die US-Wahl
> Chinas Führung ist der Ausgang der US-Wahl demonstrativ gleichgültig.
> Dabei ist der zutiefst verachtete Trump ein Geschenk für die chinesische
> KP.
Bild: Xi Jinping zu Besuch bei Donald Trump im April 2017 in Mar-a-Lago, Florida
Peking taz | In Pekings Zentrum ist die Macht der USA auf beeindruckende
Weise in Stein und Beton zementiert: Hinter einer mannshohen Mauer ragt die
US-Botschaft über 15 Stockwerke in den Himmel. Ihr Gelände erstreckt sich
über vier Hektar. Passanten werden auf Schritt und Tritt von
schwarzuniformierten Sicherheitsbeamten beäugt.
Doch die architektonische Machtdemonstration täuscht nicht darüber hinweg,
dass die Beziehungen zwischen China und den USA derzeit so angespannt sind
wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Grund dafür sitzt höchstpersönlich im
Weißen Haus: Donald Trump hat die Volksrepublik nicht nur rhetorisch
angegriffen wie kaum ein zweiter Präsident vor ihm. Er bot Peking auch
erstmals wirtschaftlich Kontra mit seiner Strategie der Entkoppelung:
Unterbrechungen der Lieferketten, Strafzölle und Exportverbote sollen das
Reich der Mitte im Schach halten.
Oberflächlich betrachtet dürften die Sympathien in Chinas Kommunistischer
Partei bei der [1][US-Präsidentschaftswahl] klar verteilt sein: auf der
einen Seite der verhasste Trump, auf der anderen ein diplomatischerer Joe
Biden, der von Chinas Staatschef Xi Jinping noch im Jahr 2013 als „Lao
Pengyou“ bezeichnet wurde – was sich am besten mit „alter Freund“
übersetzen lässt.
Doch eine nähere Betrachtung ergibt ein viel ambivalenteres Bild, wie
bereits im Juni Hu Xijin, Chefredakteur der Parteizeitung Global Times, auf
seinem Twitter-Account ironisch zusammenfasste: Er könne den Amerikanern
nur empfehlen, Trump zu wählen, schrieb der chinesische Meinungsführer.
Denn der polternde US-Präsident habe den Zusammenhalt unter den Chinesen
nur weiter gestärkt – und damit auch indirekt Chinas Aufstieg begünstigt.
## Durch Trump leidet das Ansehen der USA in China
Der satirische Tweet hat ohne Frage einen wahren Kern: Trumps verbale
Attacken à la „China-Virus“ und vor allem sein katastrophales Management
der Coronapandemie lassen viele Chinesen an den Vorzügen einer westlichen
Demokratie zweifeln.
Die USA, einst Leuchtturm der freien Welt, haben in China massiv an
Faszination eingebüßt. Mit ungläubigen Staunen verfolgen die Chinesen die
Fernsehnachrichten über das nach wie vor außer Kontrolle geratene
Infektionsgeschehen in Amerika, während die Pandemie im eigenen Land schon
seit fast einem halben Jahr eingedämmt ist.
Doch auch politisch hat Trump mit seinen Provokationen gegen langjährige
Alliierte in der Region ein Vakuum hinterlassen, das Peking nur zu gern für
sich nutzen möchte. Wenn der US-Präsident etwa in Südkorea droht, die dort
stationierten US-Truppen abzuziehen, dann wird Seoul künftig die
Verlässlichkeit des Verbündeten in Washington neu überdenken.
Für China ist Trump in vielerlei Hinsicht ein geopolitisches Geschenk. Doch
die Führung macht sich keine Illusionen und geht davon aus, dass der
Hegemoniekonflikt mit den USA auch unter Biden weitergehen würde. Bei der
täglichen Pressekonferenz im Pekinger Außenministerium brachte Vizeminister
Qin Gang die chinesische Sichtweise auf den Punkt: „Wir holen schnell auf.
Das macht einige Länder wie die USA nervös.“
## Peking möchte nicht als Wahlmanipulator gesehen werden
Letztendlich hielt sich Chinas Regierung bewusst mit Stellungnahmen zurück,
die als Einmischung in den Wahlkampf hätten interpretiert werden können.
Man habe keine Absicht oder Interesse daran, sich in innenpolitische
Angelegenheiten Amerikas einzumischen, sagte Chinas Botschafter in
Washington, Cui Tiankai, schon im August. Denn jede Aussage könnte
letztendlich innerhalb der Vereinigten Staaten als Beleg angesehen werden,
dass Peking als Wahlmanipulator auftreten möchte.
Derzeit setzt China ohnehin alle Hebel in Bewegung, um sich möglichst
autark von den USA zu machen. Dies zeigt auch der vergangene Woche
verabschiedete [2][Fünfjahresplan], der als Gegenreaktion zu Trumps
Handelskrieg zu lesen ist: China möchte die Abhängigkeit vom Außenhandel
verringern und künftig sensible Kerntechnologien selber entwickeln.
Das beste denkbare Szenario für Pekings Führung wäre ein vollständiger
Neustart der Beziehungen zu den USA – ähnlich, wie es Präsident Barack
Obama teilweise angeboten hat. Damals jedoch haben die Chinesen die
ausgestreckte Hand des Präsidenten nicht angenommen. Ein Fehler, den wohl
viele im Führungszirkel rund um Xi Jinping schon bitter bereut haben
dürften.
3 Nov 2020
## LINKS
[1] /Wahlkampf-Endspurt-in-den-USA/!5725049&s=China+USA/
[2] /Chinas-neuer-5-Jahres-Plan/!5724857
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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