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# taz.de -- Wahlkampf-Endspurt in den USA: Ein letztes Buhlen um das Wahlvolk
> Besonders in den umkämpften Bundesstaaten treten die Kontrahenten Biden
> und Trump noch einmal auf. Beide hatten die Abstimmung zur Schicksalswahl
> erklärt.
Bild: Wahlkampf im Endspurt: Joe Biden und Donald Trump sind beide davon überz…
Washington dpa | Mit einem Kraftakt zum Wahlkampfende will US-Präsident
Donald Trump seinen Rückstand in Umfragen wettmachen und sich die
notwendigen Stimmen für eine zweite Amtszeit sichern. Nach fünf Auftritten
am Sonntag will der Republikaner am Montag in drei besonders umkämpften
Bundesstaaten um Wählerstimmen werben. Sein demokratischer Herausforderer
Joe Biden plant am letzten Wahlkampftag Auftritte im wichtigen Bundesstaat
Pennsylvania, einen davon mit Popstar Lady Gaga. Biden kann vor der
historischen Wahl an diesem Dienstag zudem auf weitere Schützenhilfe von
Ex-Präsident Barack Obama zählen. Für Unruhe sorgte ein Medienbericht,
wonach sich Trump voreilig zum Wahlsieger erklären könnte.
Die Nachrichtenseite Axios berichtete am Sonntag unter Berufung auf drei
ungenannte Quellen, Trump habe mit Vertrauten Pläne besprochen, wonach er
sich im Fall eines Vorsprungs in der Wahlnacht noch vor Ende der
Stimmenauszählung zum Sieger erklären könnte. Trump nannte den Bericht
„falsch“. Er forderte aber erneut, ein Wahlergebnis müsse noch in der Nacht
zu Mittwoch vorliegen. „Ich denke, dass es nicht fair ist, dass wir nach
der Wahl eine lange Zeit warten müssen“, sagte der 74-Jährige vor
Journalisten im Bundesstaat North Carolina. „Sobald die Wahl vorbei ist,
gehen wir mit unseren Anwälten rein.“
Bei einem Wahlkampfauftritt in Rome im Bundesstaat Georgia sagte Trump,
vielleicht werde sein Vorsprung so groß sein, dass er noch in der Wahlnacht
zum Sieger ausgerufen werden könnte. „Ich denke, dass wir besser
abschneiden werden als vor vier Jahren.“
Biden sagte: „Der Präsident wird diese Wahl nicht stehlen.“ Trump
untergräbt seit langem das Vertrauen in den Wahlprozess. Er bereitet damit
nach Ansicht von Kritikern das Feld dafür, im Fall seiner Niederlage das
Ergebnis anzufechten. Beide Seiten haben die diesjährige Abstimmung zur
Schicksalswahl erklärt.
## Briefwahlstimmen können noch tagelang ausgezählt werden
Wegen der Pandemie ist mit einer Rekordzahl an Briefwählern zu rechnen.
Umfragen zufolge wollen mehrheitlich Bidens Anhänger von der Möglichkeit
Gebrauch machen, per Briefwahl abzustimmen. [1][In umkämpften Bundesstaaten
wie Pennsylvania können Briefwahlstimmen noch Tage nach der Wahl ausgezählt
werden]. Das könnte dazu führen, dass Trump in der Nacht zu Mittwoch vorne
liegt, sein Vorsprung sich aber in den Tagen danach in einen Rückstand
verwandelt. Dann würden die Wahlleute in den Bundesstaaten, in denen sich
das Ergebnis dreht, doch nicht Trump, sondern Biden zugesprochen. Trump
behauptet seit Monaten ohne jeden Beleg, die Stimmabgabe per Briefwahl
begünstige Wahlbetrug.
Der Wahlkampf konzentriert sich im Endspurt auf Swing States wie
Pennsylvania, bei denen erfahrungsgemäß nicht schon im Vorfeld feststeht,
ob der Kandidat der Republikaner oder der Demokraten siegen wird. [2][Trump
lag in Umfragen vom Wochenende sowohl landesweit als auch in mehreren Swing
States hinter Biden – in den umkämpften Staaten aber oft nur knapp.] In
Pennsylvania ist Bidens Vorsprung geschrumpft. Trumps Wiederwahl wäre wegen
des US-Wahlsystems auch dann nicht ausgeschlossen, wenn Biden landesweit
die meisten Stimmen bekommen sollte.
Bei ihren Auftritten am Sonntag griffen sich die beiden Kontrahenten scharf
an. In Dubuque im Bundesstaat Iowa bezichtigte Trump Biden der Korruption.
Ohne Belege behauptete er erneut, die Biden-Familie habe Millionen Dollar
von China bekommen. „Wenn Biden gewinnt, gewinnt China. Wenn wir gewinnen,
gewinnt Amerika.“ Trump spielte Videos mit Versprechern und verbalen
Ausrutschern seines 77-jährigen Herausforderers vor und stellte erneut
Bidens Befähigung für das Präsidentenamt infrage. „Joe Biden ist diesem Job
nicht gewachsen. Sie müssen ihm nur fünf Minuten zuschauen.“
Trump warnte auch vor einer wirtschaftlichen Depression im Fall seiner
Niederlage. Biden warf er vor, „einen Krieg gegen Arbeiter, einen Krieg
gegen den Glauben und einen Krieg gegen unsere großartige Polizei“ führen
zu wollen. Trump gab sich siegessicher und spottete über Obamas
Wahlkampfunterstützung für Biden. Obama – der bis 2017 Präsident war und
Biden zu seinem Stellvertreter gemacht hatte – sei „eine hochgradig
überschätzte Person“, sagte Trump.
## Biden zu Trumps Krisenmanagement: „Fast kriminell“
Biden sagte am Sonntag in Philadelphia: „Es ist an der Zeit für Donald
Trump, seine Taschen zu packen und nach Hause zu gehen. Es ist an der Zeit,
wieder etwas Leben in diese Nation zurückzubringen. Wir sind fertig, wir
sind müde von den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen und der
Verantwortungslosigkeit.“ Biden kritisierte Trumps Krisenmanagement in der
Pandemie als „fast kriminell“.
Trotz deutlich steigender Infektionszahlen versicherte Trump am Sonntag
mehrfach, die USA seien in der Coronakrise bald über den Berg. Einen
Lockdown wie in mehreren europäischen Staaten schloss der Präsident aus.
„Ich liefere das große amerikanische Comeback und wir haben keine
Lockdowns“, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Washington im
strategisch wichtigen Bundesstaat Michigan am Sonntag. Sollte Biden die
Wahl gewinnen, drohe ein jahrelanger Lockdown.
„Unter einem Biden-Lockdown würdet Ihr in einem Gefängnisstaat leben“,
sagte Trump seinen Anhängern. „Der Biden-Lockdown würde bedeuten: keine
Schule, keine Abschlüsse, keine Hochzeiten, kein Thanksgiving, keine
Ostern, kein Weihnachten, kein 4. Juli (Unabhängigkeitstag) und keine
Zukunft.“ Trump stellte in Aussicht, dass es nur noch „eine Frage von
Wochen“ sei, bis es eine Impfung gegen das Coronavirus gebe.
Zuvor hatte der führende US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci die Amerikaner
auf eine deutliche Verschlechterung der Pandemielage eingestimmt. „Uns
steht eine ganze Menge Leid bevor. Es ist keine gute Situation“, sagte
Fauci der Washington Post. Die USA könnten vor dem Herbst und Winter
„unmöglich schlechter positioniert sein“.
## Muss Seuchenexperte Fauci gehen?
Trump spielt offenbar mit dem Gedanken, den Seuchenexperten Fauci zu
entlassen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung auf einem Flughafen in Florida
am Montag verteidigte Trump seine Coronapolitik, als die Menge anfing,
„Feuer Fauci“ zu skandieren. Darauf antwortete Trump: „Sagt es nicht
weiter, aber lasst mich noch warten bis kurz nach der Wahl.“
Nach Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) überschritten die USA am
Freitag erstmals die Marke von 99.000 registrierten Neuinfektionen. Mit
ihren 330 Millionen Einwohnern sind die Vereinigten Staaten etwa viermal so
groß wie Deutschland, hatten am vergangenen Freitag aber rund fünfmal so
viele Neuansteckungen. Nach den JHU-Statistiken hat die Pandemie in den USA
bisher mehr als 230.000 Menschen das Leben gekostet – mehr als 20-mal so
viele wie in der Bundesrepublik.
Während Biden sich in der Wahlnacht von seinem Wohnort Wilmington im
Bundesstaat Delaware aus an die Nation wenden will, kündigte Trump an, die
Wahlnacht in Washington zu verbringen. Die New York Times berichtete, im
Gespräch sei eine Wahlparty im Ostsaal des Weißen Hauses mit bis zu 400
Gästen. Nach einer Veranstaltung Trumps im Rosengarten Ende September waren
zahlreiche Besucher mit dem Coronavirus infiziert, darunter der Präsident
selbst und First Lady Melania Trump. Fauci sprach später von einem
„Superspreader-Event“.
2 Nov 2020
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