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# taz.de -- Gesundheitssystem in Kalabrien: Held an die Heimatfront
> In der italienischen Region Kalabrien kollabiert das Gesundheitssystem
> unter dem Druck von Pandemie und Kriminalität. Nun soll es ein Aktivist
> retten.
Bild: Gino Strada, Arzt und Gründer von Emergency, soll es richten
Als vor dreißig Jahren heftig über Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr
gestritten wurde, bekamen manche Zeitgenossen melancholische Anwandlungen.
Wäre es, fragten sie sich angesichts der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen
und Hoyerswerda, nicht sinnvoller, Friedenstruppen erst mal im eigenen Land
einzusetzen, um so das Lebensrecht aller Bevölkerungsgruppen in den
heimischen Krisengebieten sicherzustellen?
Gino Strada, Mailänder Arzt, Gründer der weltweit operierenden NGO
Emergency und dafür 2015 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet,
wäre jedenfalls durchaus bereit, seinem Einsatz für die Gesundheit weltweit
nun einen im eigenen Land folgen zu lassen – in Kalabrien.
Das Gesundheitssystem der Zwei-Millionen-Einwohner-Region an Italiens
Stiefelspitze wird schon seit zehn Jahren von zumeist unfähigen oder
kriminellen Staatskommissaren verwaltet. Der letzte, gerade entlassene,
[1][musste erst von einem Journalisten darauf aufmerksam gemacht werden],
dass eben er dafür zuständig gewesen wäre, einen Pandemieplan für die
Region zu entwickeln.
Wie in allen Bereichen der öffentlichen Dienstleistungen steht Kalabrien
auch bei der Gesundheitsversorgung an letzter Stelle, Krankenhäuser wurden
kaputtgespart, geschlossen, und was übrig ist, dient der mächtigsten Mafia
der Welt, der heimischen ’Ndrangheta, als Selbstbedienungsladen.
## An Katastrophen gewöhnt
Wer krank ist und es sich leisten kann, fährt nach Norden, wo er dann gute
Chancen hat, von einem Landsmann versorgt zu werden – so wie der britische
Premier Boris Johnson [2][von dem Kalabresen Professor Luigi Camporota
während seiner Corona-Infektion].
Nun soll Gino Strada den Weg weisen. Der weitgereiste Mediziner, [3][der
seine Abscheu gegen rechte Hetzer wie Lega-Chef Matteo Salvini immer
deutlich gezeigt hat], sei genau der Richtige, denn: „Um unser
Gesundheitssystem hier in den Griff zu bekommen, braucht es jemanden, der
an Katastrophen gewöhnt ist.“ So formulierte es jedenfalls Jasmine
Cristallo, kalabresische Führungsfigur der basisdemokratischen
„Sardinenbewegung“.
Und Strada selbst? Der hat am Sonntag in einem Post auf Facebook zwar
bestätigt, dass man ihn von Regierungsseite vor einer Woche kontaktiert
habe; er sei auch sehr gerne bereit, in dieser Notlage zu helfen – aber nur
wenn er tatsächlich etwas verändern könne. Für halbe Sachen sei er nicht zu
haben.
Auf seine Bitte, die Bedingungen seiner Tätigkeit zu konkretisieren, habe
er aber bis heute keine Antwort bekommen. Sein Verlangen, dass sich
tatsächlich und radikal etwas ändern muss in Kalabrien, verbindet Strada
dabei mit vielen mutigen Initiativen vor Ort, die seinen Einsatz durchaus
begrüßen würden.
17 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.open.online/2020/11/07/calabria-chi-e-commissario-sanita-genera…
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-johnson-coronavirus-1.4…
[3] /Italien-und-die-Gefluechteten/!5512937
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Italien
Gesundheit
Humanitäre Hilfe
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Schwerpunkt Klimawandel
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