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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Jungfrau Maria und die IRA
> Irland brauchte schon immer seine Wunder in schlechten Jahren. Jetzt
> wartet die Grüne Insel auf ein neues – wie in den guten, alten Zeiten.
Bild: Gerry Adams nach seinem Sieg über die BBC
Es wird Zeit für ein neues Wunder. Wenn die Zeiten schlecht sind, passieren
in Irland stets sonderbare Dinge. Im Sommer anno 1986, die wirtschaftliche
Lage war ziemlich mies, gerieten in allen Winkeln der Grünen Insel die
Marienstatuen in Bewegung. Hunderttausende pilgerten zu den Stätten der
angeblichen Wunder. Auch schon im Jahr 1879 ging es Irland nicht gut. Da
entdeckten fünfzehn Gläubige an der Kirchenwand von Knock die Jungfrau
Maria mit Josef und Johannes dem Täufer. Inzwischen ist das Kaff ein
Wallfahrtsort.
Vor genau hundert Jahren geschah ein Wunder, das heute fast in
Vergessenheit geraten ist. Damals tobte der Unabhängigkeitskrieg gegen die
englischen Besatzer. In Templemore, einer Ortschaft im County Tipperary,
erschoss die Irisch-Republikanische Armee (IRA) einen Polizisten. Daraufhin
nahm die britische Armee Rache und fackelte das Rathaus ab, tat das aber so
tolpatschig, dass zwei der zündelnden Soldaten verbrannten. Die Lage drohte
zu eskalieren.
Plötzlich weinte eine Marienstatue in einer Hütte bei Templemore blutige
Tränen. Der 16-jährige Farmarbeiter Jimmy Walsh, der in der Kate wohnte,
schleppte die Statue zum abgebrannten Rathaus, wo sich die Einwohner
ergriffen versammelten. Die britische Armee, die Polizei und die IRA
schlossen einen Waffenstillstand. Danach kamen täglich 15.000 Pilger in den
Ort, darunter viele „Lahme, Krüppel und Blinde“, wie ein Augenzeuge
berichtete. Templemore wurde vorübergehend in Pilgrimtown, Stadt der
Pilger, umbenannt.
Walsh erlangte landesweiten Ruhm. Er nutzte das aus und verkaufte Fotos von
„dem Jungen, dem Maria erschienen war“. Lokale IRA-Männer erhoben eine
Steuer von den Wallfahrern und vergaßen beim Anblick der beträchtlichen
Einnahmen ihre eigentliche Mission.
Der IRA-Führung platzte schließlich der Kragen. Man schnappte sich Walsh
und verhörte ihn. Der behauptete, er habe mit Maria gesprochen: Sie
unterstütze den Kampf der IRA. Sein Pech, dass der IRA-Kommandant Walshs
Statue zertrümmerte und in ihrem Inneren ein Uhrwerk sowie einen Behälter
mit Schafsblut entdeckte. Durch den Mechanismus wurde zu jeder vollen
Stunde etwas Blut durch die Augen der Statue gedrückt.
Jimmy Walsh wanderte sicherheitshalber nach Australien aus, die IRA nahm
den Kampf wieder auf, und die Pilger verschwanden aus Templemore. Walsh
hatte in seiner neuen Heimat wenig Glück. Seine Ehe scheiterte, sein Sohn
kam bei einem Unfall ums Leben, und als ihn dann auch noch ein Ordensbruder
aus Irland auf der Straße erkannte, kündigte ihm der Kardinal von Sydney
die Stelle als Lehrer an einer katholischen Grundschule. Er nahm dann einen
Job als Pförtner in einem Krankenhaus an, bis er im Jahr 1977 starb.
Immerhin hatte er durch seine getunte Statue Templemore vor der Zerstörung
bewahrt. Es wird Zeit für ein neues Wunder, um Irland vor dem Coronavirus
zu bewahren. Oder wenigstens vor der unfähigen Regierung, die mit ihren
stümperhaften Maßnahmen die Lage verschlimmert hat.
16 Nov 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Katholiken
Katholische Kirche
Glaube
Schwerpunkt Pressefreiheit
Kolumne Die Wahrheit
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