# taz.de -- Soko Linx in Sachsen: Übers Ziel hinausgeschossen | |
> Vor einem Jahr gründete Sachsen die Soko Linx, um linke Straftäter zu | |
> fassen. Nun häufen sich Misserfolge. Zwei Festgenommene kommen frei. | |
Bild: Auch ein Fall für die Soko Linx: Ausschreitungen am Samstag in Leipzig-C… | |
Dresden/Berlin taz | Innenminister Roland Wöller selbst machte die | |
Festnahmen öffentlich: Im September waren zwei junge Männer in Dresden | |
verhaftet worden. Der Vorwurf: [1][zwei linksextreme Brandanschläge 2019] | |
in Sachsen. Der CDU-Minister frohlockte über den Ermittlungserfolg. Nun | |
aber wendet sich das Blatt. | |
Das Landgericht Dresden bestätigte am Dienstag der taz, dass es die | |
Haftbefehle gegen die beiden Beschuldigten aufgehoben hat: Die Beweislage | |
gebe einen dringenden Tatverdacht nicht mehr her, sagte eine Sprecherin. | |
Einer der Männer wurde am Montag aus der Haft entlassen, der zweite bereits | |
Ende Oktober. Jürgen Kasek, einer der Verteidiger, spricht von einem | |
„Skandal“, dass die Betroffenen überhaupt inhaftiert wurden. | |
Die 22- und 23-Jährigen sollen im August 2019 einen Brandanschlag auf den | |
Neubau der JVA Zwickau und drei Monate später auf eine beteiligte Baufirma | |
in Rodewisch verübt haben. Mehrere hunderttausend Euro Sachschaden | |
entstand, in Bekennerschreiben wurden die Taten als Beitrag zum Kampf gegen | |
„eine Welt der Unterdrückung und Ausbeutung“ erklärt. | |
Die Brandstiftungen reihten sich ein in eine Serie an linksextremen | |
Anschlägen in und um Leipzig – die vorerst allesamt unaufgeklärt blieben. | |
Sachsen gründete darauf [2][im November 2019 eigens eine „Soko Linx“] beim | |
LKA, um die Ermittlungen nach Tätern zu forcieren. | |
## Beweisführung mit Polizeihunden | |
Doch einer der ersten großen Erfolge, die Festnahme des Dresdner Duos, | |
stand von Beginn an auf wackligen Füßen. Denn die Ermittler wollten die | |
Männer [3][aufgrund einer Geruchsspur] überführt haben, die ein Polizeihund | |
sowohl an einem nicht gezündeten Brandsatz als auch in der Wohnung der | |
Betroffenen gewittert haben soll. Aufgespürt hatte die Soko einen der | |
Männer wegen eines kritischen Onlinepostings über die Baufirma, deren | |
Inhaber mit einer AfD-Großspende für Aufsehen sorgte. | |
Die Verteidiger gingen nach den Festnahmen umgehend gegen die Haftbefehle | |
vor. Und das Landgericht Dresden gab ihnen nun recht. Selbst wenn die | |
Geruchsspuren verwertbar wären, reichten sie allein nicht für eine | |
Verurteilung aus, heißt es nach taz-Informationen in ihrem Beschluss. | |
Sonstige Indizien oder Beweismittel aber fehlten – und seien nach gut einem | |
Jahr Ermittlungen auch nicht mehr zu erwarten. Auch das Posting beweise | |
nicht die Tat, so die RichterInnen. Und auf den Handys der Männer habe sich | |
ebenso nichts Belastendes gefunden. Eine Verurteilung der Beschuldigten sei | |
damit nicht mehr sehr wahrscheinlich. | |
Verteidiger Kasek spricht von einem Eindruck politischer Ermittlungen. „Die | |
Soko Linx und Innenminister Wöller wollten einen Ermittlungserfolg auf | |
Biegen und Brechen. Die Beweislage aber war von Anfang an haltlos, nun | |
fällt alles in sich zusammen.“ Auf dieser Grundlage hätten die | |
Beschuldigten nie verhaftet werden dürfen, kritisiert Kasek. Ein | |
LKA-Sprecher sieht dagegen den Tatverdacht weiter nicht ausgeräumt – und | |
verweist darauf, dass auch die Justiz die Durchsuchungs- und Haftbefehle | |
zunächst bestätigte. | |
## Hausdurchsuchungen für rechtswidrig erklärt | |
Es ist indes nicht der einzige Misserfolg der Soko Linx in jüngster Zeit. | |
Denn auch ein zweiter Fall steht auf der Kippe. Bereits am 10. Juni hatte | |
die Polizei in Leipzig-Connewitz neun Wohnungen durchsuchen lassen. | |
Hintergrund war ein Angriff auf fünf Rechtsextreme im Februar im Bahnhof | |
Wurzen. Die Neonazis waren damals auf der Rückreise von einem | |
rechtsextremen „Trauermarsch“ in Dresden, als sie in einer | |
Bahnhofsunterführung plötzlich von einer Gruppe Vermummter angegriffen | |
wurden. Vier von ihnen mussten laut Polizei in ambulante Behandlung. | |
Die Täter entkamen zunächst unerkannt. Die Soko Linx aber trieb nach | |
taz-Informationen ein Blitzerfoto eines BMW auf, das am Tattag auf halber | |
Strecke zwischen Wurzen und Leipzig entstand. Darauf zu sehen waren drei | |
Leipziger, welche die Ermittler der linken Szene zuordneten – und zu | |
Tatverdächtigen machten. Diese drei und weitere Personen, die mit ihnen in | |
Kontakt standen, wurden schließlich am 10. Juni durchsucht. Es erfolgten | |
DNA-Abnahmen, festgenommen wurden sie nicht. | |
Die Indizien jenseits des Blitzerfotos bleiben aber auch hier dünn. In | |
einem Fall reichte es, dass eineR der Mitfahrer*innen drei Stunden nach der | |
Tat in Wurzen einen Betroffenen versucht hatte anzurufen. Laut einer | |
Unterstützergruppe waren die meisten Durchsuchten bereits Beschuldigte in | |
einem früheren Verfahren, in dem Ultras von Chemie Leipzig als kriminelle | |
Vereinigung verdächtigt wurden – und das letztlich ergebnislos eingestellt | |
wurde. Alle legten nun Beschwerde gegen die Razzien ein. | |
Das Landgericht Leipzig gab zumindest zweien recht und erklärte ihre | |
Durchsuchungen bereits Ende Oktober für rechtswidrig, wie eine Sprecherin | |
der taz bestätigte. Im Fall des Angerufenen hätten die Richter befunden, | |
dass für das versuchte Telefonat viele Gründe infrage kämen. Einen | |
Tatverdacht begründe dies nicht. Im zweiten Fall wurde eine Frau | |
durchsucht, die lediglich in einer früheren Wohnung eines Tatverdächtigen | |
lebte. | |
## Unterstützer sehen „Machtdemonstration“ | |
Eine Unterstützergruppe der Durchsuchten wirft auch in diesem Fall der Soko | |
Linx eine „Willkürlichkeit“ vor, nach denen die Beschuldigten ausgesucht | |
worden seien. Offenbar gehe es den Ermittlern um eine „Machtdemonstration“. | |
Beim LKA wird auch hier darauf verwiesen, dass die Durchsuchungsbeschlüsse | |
richterlich abgesegnet waren. Ein Druck auf die linksmilitante Szene wird | |
indes offen eingeräumt. Natürlich seien die Maßnahmen auch Signale an | |
Straftäter, dass ihnen Verfolgung drohe, erklärte ein Sprecher. | |
Am vergangenen Donnerstagabend traf das nun [4][eine 25-jährige | |
Leipzigerin], die festgenommen wurde, weil sie an zwei Angriffen auf ein | |
rechtsextremes Lokal in Eisenach beteiligt gewesen sein soll. Zudem sei sie | |
Mitanführerin einer militanten Antifa-Gruppe, welche die Ermittler als | |
kriminelle Vereinigung einstufen. Auch hier ermittelte die Soko Linx, am | |
Ende stieg die Bundesanwaltschaft ein. Der Verteidiger der festgenommenen | |
Frau wartet noch auf Akteneinsicht, bevor er Schritte unternimmt. | |
## Soko Linx ermittelt zu Gegenprotest bei Coronademo | |
Die Soko Linx widmet sich derweil bereits neuen Aufgaben: den Vorgängen um | |
die Demonstration von Coronaverharmlosern und Rechtsextremen in Leipzig. Am | |
Montag veröffentlichte sie einen Fahndungsaufruf nach Straftätern unter den | |
Gegendemonstranten. Gesucht wird nach Personen, die zwei Busse von | |
Coronaprotestlern mit Steinen bewarfen, ein Auto anzündeten, einen | |
Polizeiposten mit Flaschen bewarfen oder an einer Hausfassade „sechs | |
schwarze Farbflecken“ hinterließen. | |
Zu den Übergriffen der Coronaleugner gibt es bisher keine öffentlichen | |
Fahndungen. Dies, so der LKA-Sprecher, könne in Kürze aber noch folgen. | |
11 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Anschlagsserie-in-Sachsen/!5710040 | |
[2] /Programm-gegen-linke-Gewalt/!5636618 | |
[3] /Anschlagsserie-in-Sachsen/!5710040 | |
[4] http://xn--Am%20Donnerstagabend%20traf%20das%20eine%2025-jhrige%20Leipziger… | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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