# taz.de -- Feminismus, Corona und Arbeitswelt: Harter Boden | |
> Deutschland geht in den zweiten Lockdown, diesmal light. Das wird die | |
> Wirtschaftskrise nochmal verschärfen. Aber für wen eigentlich? | |
Bild: Die Corona-Pandemie trifft uns nicht alle gleichermaßen | |
Seit Montag ist Deutschland wieder im Lockdown, diesmal light. Er schützt | |
uns und ist trotzdem ermüdend, nervig, beängstigend. Auch der Wirtschaft | |
wird er wieder schaden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung | |
kommt auf [1][19,3 Milliarden Euro, die das kosten wird, und 100.000 | |
Arbeitsplätze], die wegfallen könnten. Aber die Krise trifft uns nicht | |
gleichermaßen. [2][Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung] hat gezeigt: | |
Einkommen verlieren in der Coronakrise jene, die sowieso eher wenig | |
verdienen. Darunter vor allem: Menschen mit Migrationshintergrund und | |
Eltern. | |
Im April traf es eher Männer, für die anderen Monate ließen sich keine | |
Geschlechterunterschiede feststellen. Man könnte also für diese Kolumne – | |
eine feministische – sagen: Kein Thema. Aber was wäre das für ein | |
Verständnis von Feminismus? | |
Dass Corona soziale Ungleichheiten verstärkt, sieht man nicht nur beim | |
Einkommen. Unternehmen sollen ihre Beschäftigten ins Homeoffice schicken, | |
ist auch diesmal die Ansage. [3][Im Homeoffice aber können viele gar nicht | |
arbeiten]. Am Küchentisch lässt sich keine Treppe bauen, und die Pflanzen | |
im Gewächshaus verdorren auch dann, wenn man statt ihnen die im eigenen | |
Wohnzimmer gießt. Ihren Job von zu Hause aus erledigen können vor allem | |
Menschen mit hoher Bildung und hohem Einkommen. Jene, die mit Laptop und | |
Handy arbeiten. Die Mehrheit mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen | |
muss weiterhin zur Arbeit gehen – und setzt sich damit dem Risiko aus, sich | |
zu infizieren. | |
## Faire Verteilung | |
Meint man Feminismus in der Arbeitswelt in diesen Zeiten ernst, kann es | |
nicht nur darum gehen, wie viele Frauen wo in Führungspositionen sind. Der | |
Schwerpunkt kann nicht auf dem Durchstoßen der gläsernen Decke liegen, | |
[4][wie Cinzia Arruzza], Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser [5][in | |
„Feminismus für die 99 %“] schreiben. Sie fordern einen Feminismus, der die | |
Sache aller vertritt, die ausgebeutet werden. Der also auch die in den | |
Blick nimmt, die auf dem harten Boden stehen. Einen Feminismus und eine | |
Solidarität, die es gerade in Zeiten wie diesen braucht. Denn wer in der | |
Krise schon Einkommen verloren hat, zeigt die Studie, macht sich nun | |
nachvollziehbar häufiger Sorgen. | |
[6][Der Mindestlohn wird erhöht], das war eine gute Nachricht. Aber was | |
braucht es noch, damit die ökonomischen Kosten und auch das gesundheitliche | |
Risiko fairer verteilt werden? [7][Der Armutsforscher Christoph Butterwegge | |
schlägt] zum Beispiel vor, [8][den Solidaritätszuschlag] für eine | |
Coronasolidarität zu nutzen oder eine Vermögensabgabe zu erheben. | |
„Krisen sind für uns nicht einfach eine Leidenszeit“, schreiben Arruzza, | |
Bhattacharya und Fraser. Sie seien auch eine Gelegenheit zum | |
gesellschaftlichen Wandel. Der Lockdown fängt erst an. Noch bleibt Zeit, | |
daran zu arbeiten, dass es nicht weiterhin für viele schlechter wird, | |
während andere davon gar nichts spüren. | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/inland/kosten-lockdown-iw-101.html | |
[2] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-wer-hat-durch-die-corona… | |
[3] https://www.uni-mannheim.de/media/Einrichtungen/gip/Corona_Studie/Mannheime… | |
[4] /Philosophin-ueber-Feminismen/!5636571/ | |
[5] https://www.zeitschrift-luxemburg.de/feminismus-99-prozent-manifest/ | |
[6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/mindestlohn-steigt-1804568 | |
[7] https://www.deutschlandfunk.de/soziale-ungleichheit-durch-corona-man-haette… | |
[8] /Bundeskabinett-beschliesst/!5619952/ | |
## AUTOREN | |
Susan Djahangard | |
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