# taz.de -- Amateurklubvertreter über Lockdown: „Wir müssen abwägen“ | |
> Carsten Maaß vom SV Empor Berlin erklärt, warum der Amateursport | |
> Coronarisiken minimiert – und weshalb der Lockdown dort nicht greift. | |
Bild: „Wir denken nicht an die Kinder und Jugendliche“: ein noch mögliches… | |
taz: Herr Maaß, wie überrascht waren Sie gestern, als die Bundesregierung | |
am Mittwoch [1][den teilweisen Lockdown] für den November angekündigt hat, | |
von dem auch der Amateursport betroffen ist? | |
Carsten Maaß: Es ist in den letzten Tagen ja schon einiges durchgedrungen. | |
Die Überraschung war deshalb nicht so groß. Aber wir haben für den | |
Amateursport trotzdem noch auf andere Regelungen gehofft. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt, die Maßnahmen seien „geeignet, | |
erforderlich und verhältnismäßig“. | |
Aus unserer Sicht ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben, weil gerade | |
beim Fußball draußen kaum direkte Infektionsgefahr besteht. Das ist | |
wissenschaftlich belegt. Die Vereine haben auch in anderen Sportarten in | |
den vergangenen Monaten Hygienekonzepte immer besser umgesetzt, dass es | |
generell kaum Infektionsgeschehen im organisierten Sport gab. Dass man nun | |
alles über einen Kamm schert, ist mir unbegreiflich. | |
Wie viele positive Coronafälle hatten Sie zuletzt im Verein? | |
Mir sind in den letzten vier Wochen nur zwei, drei Fälle bekannt, die sich | |
aber außerhalb des Sports infiziert haben. Das ist bei einer Zahl von 1.600 | |
Mitgliedern ein verschwindend geringer Anteil. | |
Was wäre für Sie verhältnismäßig gewesen? Man kann ja nicht verleugnen, | |
dass die Coronazahlen gerade extrem ansteigen. | |
Wir hätten uns gewünscht, dass man genauer hinschaut, wo die | |
Infektionsrisiken sind. In den Kabinen etwa besteht schon eine größere | |
Gefahr. Man hätte beispielsweise sagen können, wir verzichten auf Kabinen. | |
Was ich aber absolut nicht verstehe, [2][dass man nicht an die Kinder und | |
Jugendlichen denkt.] | |
Was meinen Sie? | |
Man lässt Schulen auf, was richtig ist. Was wir mit den Kindern und | |
Jugendlichen machen, ist aber genauso wichtig für deren Entwicklung und | |
Gesundheit. Außerdem glauben wir mit unserer Arbeit einen Beitrag für ein | |
geringeres Infektionsrisiko in der Gesellschaft zu leisten. | |
Inwiefern? | |
Wir wollen Privat- und Parkpartys von Jugendlichen verhindern. Aber was | |
machen die denn, wenn sie nicht mehr dreimal die Woche zum Sport gehen? Die | |
bleiben doch nicht brav zu Hause. Die werden Möglichkeiten finden, sich zu | |
treffen. Im Sportverein können sie sich in einem kontrollierten Rahmen | |
treffen. | |
Nun gab es im Frühjahr den ersten Lockdown. Welche Auswirkungen hat dieser | |
denn auf Ihren Verein gehabt? | |
Im Frühjahr war das Verständnis im Verein für die Maßnahmen groß. Alle | |
haben begriffen, dass man agieren muss und noch nicht weiß, wie man mit dem | |
Virus umgeht. Deshalb haben sich alle im Verein auch stark engagiert, den | |
Kontakt mit den Mitgliedern aufrechtzuerhalten. Die Austritte hielten sich | |
damals noch in Grenzen. Was uns fehlte, waren die Neueintritte. Über das | |
Jahr verlieren wir mutmaßlich zwischen 100 und 150 Mitglieder. Das betrifft | |
vor allem unsere Hallensportsparten. | |
Fürchten Sie ein Vereinssterben im Amateursport? | |
Von den Vereinen, die Sportangebote für überwiegend ältere Menschen machen, | |
werden sich viele zurückziehen. Es wird wichtig sein, dass der vom Senat | |
aufgelegte Rettungsschirm für den Amateursport auch nächstes Jahr | |
fortgeführt wird. | |
Was wollen Sie nun tun? | |
Wir wollen als Lobbyisten die Politik überzeugen, dass Sport ohne großes | |
Risiko möglich ist. Und wenn es auch nicht gleich am Montag soweit ist, | |
hoffen wir, dass der Sportbetrieb möglichst schnell wieder anläuft. | |
Es wird wieder eine Trennung zwischen Spitzensport und Amateursport | |
vorgenommen. Ein schwieriges Signal für die Kinder? | |
Wir lassen die Kinder und jugendlichen nicht mehr zum Sport, aber im | |
Fernsehen können wir weiter die Bundesliga sehen. Da geht es um einen | |
großen finanziellen Schaden, der Profivereinen droht. Aber den Schaden, den | |
Kinder und Jugendlichen erleiden, wenn wir sie zu Hause vor den Computern | |
oder sich selbst überlassen, müssen wir auch ernst nehmen. Wir wägen aus | |
unserer Sicht nicht richtig ab. | |
29 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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