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# taz.de -- Wiederhochfahren des Freizeitsports: Vereine für begrenzte Bewegun…
> Der deutsche Amateursport kommt trotz der Corona-Lockerungen nur schwer
> in Gang. Das Einhalten der Hygienevorgaben fordert die Vereine.
Bild: Improvisiertes Training: Das Dragon Gym in Würzburg bietet Kampfsport im…
„Jetzt ein paar Jumping Jacks“, ruft Claudia Becker, Trainerin der Berliner
Turnerschaft, den zwei Geschwistern aus ihrer Leichathletik-Gruppe zu. Die
beiden machen eifrig Hampelmänner – mit Abstand zur Übungsleiterin. Sie
treffen sich zum ersten Mal seit Mitte März, als der Sportbetrieb des
Vereins aufgrund der Coronakrise eingestellt wurde. Die private
Trainingseinheit ist ein kleiner Vorgeschmack auf das zukünftige
Sporttreiben während der Pandemie: Alle auf Distanz!
Vor zehn Tagen haben die meisten Bundesländer im Zuge ihrer
Corona-Lockerungen wieder Vereinssport im Freien erlaubt – [1][nachdem
Distanzsportarten wie Tennis oder Golf] zuvor schon mancherorts ausgeübt
werden durften. Was erfreulich klingt, bringt für die Clubs große
Unsicherheiten. Der sportliche Shutdown war gegen das Wiederhochfahren des
Trainingsbetriebs ein Klacks. Denn jetzt gilt es, strikte Vorgaben
einzuhalten – und die unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, von
Sportfachverband zu Sportfachverband.
Zur Orientierungshilfe hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) einen
Zehnpunkteplan vorgelegt, „zehn Leitplanken“, die ungefähr zeigen, wo es
langgehen könnte. Unter anderen ist auch beim Training Körperkontakt
untersagt, ein Mindestabstand von 1,50 bis 2 Meter soll eingehalten werden,
Umkleidekabinen und Duschen müssen geschlossen bleiben und Trainingsgruppen
sollen verkleinert werden. Ob fünf, acht oder doch 20 Sportler pro Gruppe
erlaubt sind, hängt von der Sportart oder dem Bundesland ab.
Claudia Becker tüftelt nun an einem Konzept für ihre Leichtathletik-Kinder
und -Jugendlichen: Es dürften höchstens sieben Sportler*innen plus
Betreuer*in zusammen trainieren, der Sportplatz müsse in mehrere Zonen
eingeteilt werden, damit die verschiedenen Gruppen sich nicht begegnen,
Ein- und Ausgänge müssten getrennt werden. „Ich fürchte mich vor der
Aufgabe“, gibt Claudia Becker zu. „Ich habe Angst vor der Verantwortung.
Was ist, wenn mein Leichtathletik-Training oder mein Lauftreff plötzlich
Infektionsherde werden?“
## Emotional belastend
DOSB-Präsident Alfons Hörmann erklärt, dass Vorstände und Trainer*innen
nichts zu befürchten hätten, wenn sie die Vorgaben verantwortungsvoll
einhalten. „Abseits aller Haftungsfragen kann die Aufgabe aber emotional
und psychologisch sehr belastend sein“, gibt er zu, „und jeder hat sicher
Verständnis, wenn deshalb noch abgewartet wird mit der entsprechenden
Rückkehr in den aktiven Sport.“
Die Berliner Turnerschaft hat tatsächlich bisher den Trainingsbetrieb noch
nicht wieder aufgenommen – wie viele Vereine. Claudia Becker hofft, dass im
Laufe dieser Woche einige Kleingruppen zum ersten Mal wieder trainieren
können. Gerade im Kinder- und Jugendsport stellen die Richtlinien die
überwiegend ehrenamtlichen Trainer*innen vor große Herausforderungen. Wer
soll die kleineren, aber deutlich mehr Sportgruppen betreuen? Erlaubt der
Bezirk oder das Sportamt die Nutzung des Sportplatzes, ist es gestattet, im
Park zusammen Sport zu treiben? Wie sollen zum Beispiel beim Fußball
gewissenhaft Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden?
Genau das fragt sich auch Maria Breuer. Die 67-Jährige ist
Abteilungsleiterin für Frauen- und Mädchenfußball beim TuS Wörrstadt in der
Nähe von Mainz. Die ehemalige Torhüterin [2][gewann 1978 den deutschen
Meistertitel mit dem SC 07 Bad Neuenahr]. Sie erzählt am Telefon, dass
zwar auch in Rheinland-Pfalz Vereinssport im Freien wieder erlaubt sei,
doch der Trainingsbetrieb in vielen Sportvereinen nach wie vor ruhe.
„Unsere Stadtverwaltung hat entschieden, die Sportstätten noch bis zum 31.
Mai geschlossen zu lassen“, erklärt sie, „die Hürden durch die Abstands-
und Hygienevorschriften sind einfach zu hoch.“
Maria Breuer hat mit ihren Trainerinnen und Trainern gesprochen, alle sehen
den Wiedereinstieg als problematisch an. „Man kann ein bisschen kicken,
laufen, ein paar Hütchen aufstellen – aber richtig Fußballspielen ist
einfach nicht möglich“, sagt Maria Breuer, die zugleich betont, dass die
Gesundheit vorgehe und geschützt werden müsse. Die Richtlinien seien
sinnvoll, aber alle müssten sich enorm einschränken. Daher glaubt sie auch
nicht, dass zum Beispiel ihre erste Frauenmannschaft, die in der
Regionalliga spielt, im August wieder in den normalen Spielbetrieb gehen
könne.
## Nicht erreichbare Kinder
Was aus dem Amateur- und Jugend-Wettkampfsport wird, steht zurzeit noch in
den Sternen, die meisten Wettbewerbe und Ligaspiele wurden langfristig
abgesagt – im Gegensatz zu der umstrittenen Wiederaufnahme der Spiele der
Fußball-Bundesliga sowie dem geplanten Turnier zur Ermittlung des deutschen
Basketball-Meisters. Auch für die Athlet*innen der Berliner Turnerschaft
sind wichtige Wettkämpfe ausgefallen oder wurden verschoben.
Aber vorrangig bereitet Claudia Becker und ihrem Team die Organisation des
Trainingsbetriebs unter Pandemie-Voraussetzungen die größten Sorgen. Denn
sie wollen vor allem ihren Kindern und Jugendlichen wieder die schmerzlich
vermissten Trainingseinheiten anbieten. Ihnen fehlt nicht nur die
regelmäßige Bewegung, sondern auch die Begegnung mit Freunden und
Trainer*innen, die oft auch Vertrauenspersonen sind. Für junge
Sportlerinnen und Sportler sei das eine Katastrophe, sagt Claudia Becker.
„Wir haben versucht, über die Homepage ein paar Informationen zu streuen,
Aufgaben zu geben. Aber viele Kinder haben wir überhaupt nicht erreicht,
und ich kann im Moment gar nicht abschätzen, was das genau bedeutet.“
Das Wiederhochfahren des Vereinssports ist also nicht nur unter
sportlichen, sondern auch unter sozialen Gesichtspunkten enorm wichtig.
[3][Das betont auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann]: „Die Vereine waren,
sind und bleiben die sozialen Tankstellen unseres Landes!“ Ihm sei aber
bewusst, dass es eine große Herausforderung für die Vereine sei, die
Menschen wieder verantwortungsvoll in Bewegung zu bringen.
Claudia Becker und Maria Breuer nehmen diese Herausforderung an – wie die
meisten Trainerinnen und Trainer in den deutschen Sportvereinen. Der Weg
zurück in die sportliche Normalität wird jedoch – so viel steht schon vor
den ersten Schritten fest – ein ziemlich langer sein.
25 May 2020
## LINKS
[1] /Gesperrte-Golfplaetze/!5670980
[2] /Fehlende-Nachwuchsfoerderung/!5601070
[3] /Deutscher-Olympischer-Sportbund/!5053168
## AUTOREN
Jutta Heess
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