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# taz.de -- Weiter Streit um Billigfleischbremse: Bio gegen Bio
> Die Öko-Branche kämpft für frisches, regionales und saisonales Mensaessen
> – das Bremer Umweltressort dafür, dass es mit Bio-Siegel nicht teurer
> wird.
Bild: Auch in der Kita gibt es Bio-Essen nicht „kostenneutral“, sagt ein Mo…
Bremen taz | Zwischen der Bremer Bio-Branche und dem grünen Umweltressort
ist ein Grundsatzstreit entflammt. Dabei wollen beide auf den ersten Blick
dasselbe – nämlich, dass die örtliche Gemeinschaftsverpflegung
„schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bioprodukte“ umgestellt werden soll.
Und so steht es ja auch im „[1][Aktionsplan 2025]“, den die damals noch
rot-grüne Landesregierung 2018 beschlossen hatte. Bei der Frage, worauf es
beim Bio-Essen genau ankommt, gehen die Meinungen aber weit auseinander.
Auf der einen Seite gibt es jene, die strikt gegen „den Einsatz
vorverarbeiteter Produkte aus der Lebensmittel-Industrie sind“, gegen
Bio-Ware, die „weltweit und unabhängig von der Jahreszeit“ gehandelt wird,
und gegen agrarindustrielle Großkonzerne, die nun eben auch Essen mit
Bio-Siegeln verkaufen. Diese Position vertreten 25 regionale Bio-Betriebe,
die sich nun in einem offenen Brief an Umweltsenatorin Maike Schaefer
(Grüne) gewandt haben. Angeführt werden sie unter anderem von der früheren
niedersächsischen Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Milchviehhalter,
[2][Johanna Böse-Hartje] aus Thedinghausen.
Auf der anderen Seite ist da das Umweltressort, zuständig für die Umsetzung
des „Aktionsplans 2025“. Dort ist man zwar auch dafür, dass in
Gemeinschaftsküchen mehr Bio-Produkte auf den Tisch kommen. „Möglichst“
sollten sie aus der Region kommen, saisonal und frisch sein, antwortet
Maike Schaefer ihren Kritiker*innen.
Soll heißen: Ganz so vorrangig ist dieses Ziel nicht. Dafür aber ein
anderes, auf das Schaefer wiederholt hinweist: „aufwendungsneutral“ müsse
die Umstellung vonstattengehen, denn auch das hat der Senat seinerzeit
beschlossen. Das Modellprojekt [3][“Mehr Bio in Bremer Kitas“] in drei
städtischen Bremer Kindertagesstätten kam 2017 zu dem Ergebnis, dass eine
Umstellung auf Bio-Kost mit Kostensteigerungen von zehn bis 15 Prozent
umzusetzen ist.
## Umstrittene Fortbildung für Köch*innen
Anlass des aktuellen Streits ist ein Projekt namens „Training Kitchen“, für
das [4][1,7 Millionen Euro ausgegeben werden]. Es soll Köch*innen in
Gemeinschaftsküchen beibringen, wie sie kostengünstig mit regionalen,
saisonalen und gering verarbeiteten Bio-Lebensmitteln kochen, ohne dass am
Ende viel weggeworfen wird.
Das Konzept dafür – es kostet Bremen 100.000 Euro – darf nach einer in der
Bio-Szene umstrittenen Vergabeentscheidung des Umweltressorts nun eine
Consulting-Tochterfirma von „Chefs Culinar“ schreiben: Das ist ein
internationales Unternehmen aus Kiel, das auch mit so umstrittenen
Großkonzernen wie Tönnies, Nestlé und Unilever kooperiert. Jan Saffe,
Sprecher der Grünen-Fraktion für Ernährung und Landwirtschaft und
Vorkämpfer der [5][bundesweit beachteten Billigfleischbremse] in Bremen,
war „entsetzt“ und die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes waren es
auch.
Aus Sicht der KritikerInnen macht sich Bremen damit zum Steigbügelhalter
von fragwürdigen Global Playern: „Lieber habe ich gar keine Bio-Stadt, als
eine, die bremisches Geld an Tütensuppen-Konzerne gibt und dann noch
heuchlerisch so tut, als hätte man keine andere Wahl gehabt“, sagt etwa
Marie Pigors vom Naturkost Kontor Bremen.
Das Umweltressort findet lobende Worte für Chefs Culinar, die sich im
Vergabeverfahren gegen zwölf andere Unternehmen und Organisationen
durchgesetzt hatten, die von der Behörde angefragt worden waren: Die Kieler
hätten ein „ausgezeichnetes Verständnis“ der Projektziele, schreibt
Schaefer, und weisen „alle geforderten Kompetenzen“ auf. Die Kritik an der
Vergabe tut Schaefer als „Irritationen“ ab, auf die grundsätzliche Kritik
der BriefschreiberInnen an „Tütensuppen-Konzernen“ geht sie nicht weiter
ein.
Kommende Woche soll es ein Gespräch mit Chefs Culinar geben – unklar ist
aber, wer daran teilnehmen wird. Mindestens Teile der Bio-Branche, hört
man, wollen es boykottieren – Pigors etwa schloss eine Zusammenarbeit mit
den Kielern kategorisch aus. Auch Peter Bargfrede vom Agrarpolitischen
Bündnis (ABB) sagt, es habe „wenig Sinn“, hinzugehen, wenn die Bio-Branche
nicht auch komme. Die ABB hat mit der Behördenspitze zuletzt ein
[6][Kompromisspapier] unterzeichnet und will „den Draht zur Behörde
erhalten“, wie Bragfrede sagt.
Das [7][ABB], zu dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche
Landwirtschaft und der BUND gehören, und die Bio-Branche betonen, dass sie
gern einheitlich auftreten wollen. Aber selbst Bargfrede will nicht mit
Chefs Culinar sprechen, sondern höchstens mit [8][Rainer Roehl.] Der
arbeitet seit Neuestem als Berater für die Chefs und gilt als ausgewiesener
Experte für die Umstellung auf Öko-Food. In seiner neuen Rolle wird er in
der Bio-Branche aber mit Argwohn betrachtet. In der Behörde ist man indes
sehr froh und zufrieden, ihn als Referenten gewonnen zu haben.
26 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.biostadt.bremen.de/ueber_uns/aktionsplan_2025-9286
[2] /Das-grosse-Interview-III/!5076401
[3] /Modellversuch-in-Bremens-Kitas/!5462887
[4] /Streit-um-Billigfleischbremse/!5713206
[5] /Kampf-um-Billigfleischbremse/!5694858
[6] /Kompromiss-bei-der-Billigfleischbremse/!5715971
[7] http://www.buendnis-bremen.de/
[8] https://www.chefsculinar.de/rainer-roehl-2539.htm
## AUTOREN
Jan Zier
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