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# taz.de -- Kunstkollektiv Frankfurter Hauptschule: Selbstzweck Subversion?
> Kunststudierende aus Frankfurt am Main klauen einen Beuys aus der
> Ausstellung. Und bringen ihn angeblich nach Afrika.
Bild: Joseph Beuys – oder „Nazi-Schamane“ nach dem Kollektiv Frankfurter …
Das Kunstwerk ist nicht mehr an seinem Platz“, bestätigt das LWL-Museum für
Kunst und Kultur in Münster den Verlust von Joseph Beuys’
„Capri-Batterie“. Die war Teil der Schau „Verschmutzung. Körperzustände.
Faschismus. Christoph Schlingensief und die Kunst“, an der neben Alexander
Kluge, Valie Export, Jonathan Meese auch das Kollektiv Frankfurter
Hauptschule teilnimmt.
Das will nun besagtes Werk entwendet und „in einem symbolischen Akt der
Restitution in die ehemalige deutsche Kolonie Tansania“ zu Repräsentanten
des Hehe-Stammes gebracht haben. Titel der Aktion: „Bad Beuys go Africa“.
Ach, Beuys! Lässt sich die Biografie des von der Gruppe als „Nazi-Schamane“
Verunglimpften von dessen Werk mit der mystischen Faszination fürs
Ursprüngliche und Verschwurbelte trennen? So gnädig blickt der
Kulturbetrieb jedenfalls auf wenige andere mit einer ähnlichen Biografie.
Tatsächlich bekommt hier aber gar nicht die Waldorf-Bourgeoisie aufs Dach,
die für [1][Beuys in Andres Veiels Filmhommage noch einmal ganz
widerspruchsfrei] schwärmen durfte. Stattdessen sollen die deutschen Museen
getroffen werden, die ihre koloniale Raubkunst der Gruppe zufolge nicht
schnell genug zurückgeben.
## Nuancenfreie Betrachtung
Deutscher Kolonialismus, Nationalsozialismus – alles offenbar irgendwie
dasselbe. Gerecht wird die nuancenfreie Betrachtung dabei weder den Opfern
des einen noch des anderen. Und egal wie ironisch die Brechung: Die Hehe,
denen man die „Capri-Batterie“ (oder eine gute Imitation davon) überreicht,
werden in jeder Lesart zur Staffage.
Der vorgebliche Kunstklau will der neueste Coup des Kollektivs sein, bei
dem Hemdsärmeligkeit und grelle Grundierung Programm sind. Heroinschuss
vorm Frankfurter Römer als Protest gegen Gentrifizierung, Klopapierflutung
am Goethehaus in Weimar. Immer wieder traf man wunde Punkte (Nacktbilder
aus der eigenen Kindheit als Persiflage auf die plötzliche Liebe einer
konservativen Bürgerschaft für die Kunstfreiheit) und verfehlte andere.
Nie war das so moralinsauer wie das Zentrum für Politische Schönheit, so
platt wie Banksy, so l’art-pour-l’art-albern wie Maurizio Cattelan. Aber
was dann noch übrig bleibt, wenn man die dritte Potenz der ironischen Ebene
betritt: Ja, was eigentlich?
## Überbringer des Heils
Am Ende feiert sich das Kollektiv im gekonnt klischeetriefenden
Musikvideo-Hedonismus als coole TouristInnen in, klar, „Africa“ (Toto!) als
Überbringer des Heils, um das in dieser Form natürlich niemand gebeten hat.
Die ultimativ zynische Abrechnung mit deutscher Restitutionspolitik als
Almosengabe? [2][Böser Seitenhieb auf Schlingensief] mit seiner, so könnte
es die Gruppe nahelegen, etwas romantischen „Oper für Afrika“? Immerhin
hatte dessen Arbeit aber eine Qualität, die die präzisen Stiche ins Herz
der BRD noch unbarmherziger machte: Selbstzweifel. Das Wissen um die eigene
Befangenheit.
Ob künstlerische Subversion bei der Frankfurter Hauptschule nun ultimativer
Selbstzweck bleibt oder Abgesang auf den Glauben, subversives Handeln sei
in einem grundlegend falschen Leben überhaupt möglich: Ist dieser Beitrag
eines sicherlich letztlich doch gut gemeinten Aktionismus, jetzt mal Ärmel
hochgekrempelt, nicht auch irgendwie wieder very German?
23 Oct 2020
## LINKS
[1] /Interview-mit-Beuys-Regisseur/!5406384
[2] /Doku-ueber-Christoph-Schlingensief/!5704145
## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Kunst
Restitution
Museen
Provokation
Frankfurt am Main
Postkolonialismus
Schwerpunkt Iran
Film
Joseph Beuys
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