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# taz.de -- Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien: Wien bleibt erst mal rot
> Wien tickt eben anders als der Rest von Österreich. Die SPÖ liegt klar
> vorn, die ÖVP deutlich unter den Umfragewerten und die FPÖ stürzt ab.
Bild: Hat gut lachen: Michael Ludwig (SPÖ), Bürgermeister von Wien
Wien taz | Bei den Gemeinderats-, gleichzeitig Landtagswahlen vom Sonntag
widersetzt sich Österreichs Bundeshauptstadt dem Bundestrend. Die SPÖ, die
seit 1945 durchgehend regiert, konnte laut ersten Hochrechnungen von 39,6
auf 41,7 Prozent knapp zulegen. Für Bürgermeister Michael Ludwig, der das
Amt vor drei Jahren von seinem populären Vorgänger Michael Häupl geerbt
hatte, war das ein erster Bewährungstest.
Die im [1][Bund regierende ÖVP] blieb unter Gernot Blümel, im Nebenberuf
Finanzminister, unter ihren Möglichkeiten. 18,7 Prozent bedeutet zwar eine
Verdopplung des Ergebnisses von 2015 (9,24 Prozent), liegt aber deutlich
unter den Werten, die Umfragen noch vor ein paar Monaten gesehen hatten.
Das [2][erwartete Fiasko] setzte es für die rechte FPÖ, die vor fünf Jahren
noch ein Bürgermeisterduell ausgerufen hatte. Nach der [3][Ibiza-Affaire]
und Spesenskandalen um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache stürzte sie
auf 7,5 Prozent ab. Im Vergleich zum Rekordergebnis von 2015 haben sie mehr
als zwei Drittel ihrer Wähler verloren. Das ist ein Minus von 23,3
Prozentpunkten. Der neue Wiener Parteichef Dominik Nepp hatte die üblichen
migrationsfeindlichen Angstparolen im Stile von „SPÖ, ÖVP und Grüne: ISLAM…
auf die Spitze getrieben.
## Rot-Grün, gut für die Stadt
Wenig spektakulär das Abschneiden der Grünen, die seit zehn Jahren als
Juniorpartner mitregieren und mit Begegnungszonen und einem
365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Verkehr deutliche Duftmarken
hinterlassen haben. Unter der neuen Chefin Birgit Hebein konnten sie von
11,8 auf 14,6 Prozent zulegen. Bei den Nationalratswahlen vor einem Jahr
waren sie in Wien noch bei 21 Prozent gelegen. „Wenn es stimmt, ist das das
beste Ergebnis aller Zeiten“, so Grünen-Stadtrat David Ellensohn in einer
ersten Reaktion: „Rot-Grün für die Stadt war gut, ist gut und wird gut
sein.“
Ein möglicher Koalitionspartner wären aber auch die liberalen Neos, die von
7 auf 8,1 Prozent zulegten und damit den kleinsten möglichen
Mehrheitsbeschaffer abgeben. Der vor Kurzem noch weitgehend unbekannte
Christoph Wiederkehr hat sich bei den Fernsehauftritten überraschend
schlagfertig gezeigt und seine Partei als frischen Wind im Rathaus
positioniert. Die Neos stehen für eine dynamischere Schule und Impulse für
die Wirtschaft abseits der verkrusteten Kammern, die von der ÖVP dominiert
werden.
## Straches Schicksal hängt an den Wahlkarten
Ob es das [4][Stehaufmännchen Heinz-Christian Strache] ins Rathaus schafft,
war Sonntagabend noch nicht klar. Umfragen sahen ihn innerhalb der
Schwankungsbreite knapp über oder unterhalb der Fünfprozenthürde. Seine
Polit-Abstinenz nach nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung im
Gefolge des Ibiza-Videos im Mai 2019 hatte nur wenige Monate gedauert. Er
fand im Wiener Stadtrat vier Gesinnungsgenossen, die der FPÖ den Rücken
kehrten und als Team HC Strache eine eigene Fraktion bildeten.
Als Kandidat einer im Stadtparlament vertretenen Partei durfte er auch an
allen TV-Diskussionen und Elefantenrunden teilnehmen. Als willkommenes
Krokodil genoss er auch überproportionale Aufmerksamkeit der Medien, die
ihn kaum mit der Schmach von Ibiza konfrontierten.
Straches Schicksal hängt an den Wahlkarten, die zwar in die Hochrechnung
eingerechnet wurden, aber erst am Montag ausgezählt werden. Angesichts der
Angst vor Corona-Ansteckung im Wahllokal haben mehr als 30 Prozent der
Wahlberechtigten von der Briefwahl Gebrauch gemacht. Verschiebungen
einzelner Mandate sind daher möglich. Bürgermeister Michael Ludwig ließ in
einer ersten Stellungnahme erwartungsgemäß offen, wen er sich als
Koalitionspartner holen will.
11 Oct 2020
## LINKS
[1] /Koalition-in-Oesterreich/!5711570
[2] /Wahlen-in-Wien/!5716246
[3] /Untersuchungsausschuss-in-Wien/!5688444
[4] /Ausschuss-zur-Ibiza-Affaere-in-Oesterreich/!5690696
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Wien
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Ibiza-Affäre
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