# taz.de -- Rot-pinke Koalition in Wien vereidigt: Punschkrapferl im Rathaus | |
> In Österreichs Bundeshauptstadt regiert nun Rot-Pink. „Sozialliberal“ | |
> nennt Bürgermeister Michael Ludwig die Koalition aus SPÖ und liberalen | |
> Neos. | |
Bild: Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nach seiner Wahl | |
WIEN taz | Nach zehn Jahren rot-grüner Stadtregierung in Wien herrscht | |
jetzt Rot-Pink in Österreichs Bundeshauptstadt. Die Koalition aus SPÖ und | |
liberalen Neos wurde am Dienstag von Bundespräsident Alexander Van der | |
Bellen vereidigt. Die „sozialliberale“ Koalition, wie Bürgermeister Michael | |
Ludwig sie nennt, soll auch als ideologische Kampfansage an den | |
türkis-grünen Bund verstanden werden. | |
Ein Punschkrapferl dient als Symbol für diese Koalition, die in Österreich | |
eine Novität ist. Allerdings ist das Bild schief. Denn die halbe rote | |
Cocktailkirsche als Aufputz auf dem rosa Zuckerguss entspricht nicht den | |
Machtverhältnissen. Vielmehr sind die acht Mandatare der liberalen Neos die | |
billigsten Mehrheitsbeschaffer für die seit Jahrzehnten im Rathaus | |
regierende SPÖ. | |
Für Bürgermeister Michael Ludwig ist die Entscheidung allerdings den | |
größten inhaltlichen Übereinstimmungen entsprungen. Gespräche hatte er auch | |
mit der ÖVP und den Grünen geführt. Bei der Präsentation des | |
Koalitionsabkommens vor einer Woche schwärmte er von einer | |
„Zukunftskoalition“. | |
Mit Christoph Wiederkehr (Neos) zieht ein politisch noch weitgehend | |
unbeschriebenes Blatt als Vizebürgermeister in das Rathaus ein. Der | |
30-Jährige kann sich als Bildungsstadtrat seinem Herzensanliegen widmen. | |
Das schwierige Ressort Integration bekommt er dazu. Ein Danaergeschenk der | |
Sozialdemokraten, wie Skeptiker meinen. Gerade nach dem Terroranschlag vom | |
2. November ist offensichtlich geworden, dass in Wien | |
Parallelgesellschaften existieren, die mit Rechtsstaat und westlicher | |
Kultur nichts anzufangen wissen. | |
## Außer Bildung und Integration landet alles bei der SPÖ | |
Alle anderen Agenden bleiben bei der SPÖ, die 46 von 100 | |
Stadtratsabgeordneten einbringt. Damit landet auch das Ressort Verkehr, das | |
zehn Jahre lang den Grünen als politische Spielwiese gedient hatte, bei den | |
Roten. | |
Die bisherige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, die ihre relativ geringe | |
Bekanntheit im Wahlkampf durch Pop-up-Radwege und einen umstrittenen Pool | |
an einer stark frequentierten Kreuzung zu heben verstand, hatte Ludwig | |
zuletzt gehörig genervt. [1][Zusätzlichen Druck machte die SPÖ-Basis in den | |
proletarischen Außenbezirken, die mit den Grünen nie viel anfangen konnte]. | |
So fuhr Hebein mit 14,8 Prozent der gültigen Stimmen zwar das historisch | |
beste Ergebnis für die Wiener Grünen ein, doch verlor sie die | |
Stadtregierung. | |
Dass die neue Regierung sich auf ein ausgesprochen grünes Programm mit | |
weiterem Ausbau der Radwege und Begrünung von Häusern verständigte, mag nur | |
ein schwacher Trost sein. Auch ein „Transparenzpaket“, das etwas Licht in | |
den über Jahre gewachsenen roten Filz bringen soll, ist eine alte Forderung | |
der Grünen. | |
Hebein wurde letzte Woche in der Grünen-Fraktion von einer Palastrevolution | |
hinweggefegt. Sie bekam weder den Fraktionsvorsitz noch einen der Posten | |
als nicht amtsführende Stadträtin. Diese gut bezahlten, aber funktionslosen | |
Posten stehen laut Wiener Stadtverfassung den Oppositionsparteien zu. | |
Hebein blieb einzig der Vorsitz der Stadtpartei, den sie aber demnächst | |
auch abgeben will. | |
24 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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